Mediziner-MBA:Heilen und wirtschaften

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Das Angebot und die Nachfrage nach MBA-Programmen für Ärzte steigen. Sie sollen ihnen Fachkenntnisse in Ökonomie und Management vermitteln. Ob das berufsbegleitend per Online-Studium gut funktioniert, ist umstritten.

Von Christine Demmer

Klinikärzte und Krankenhaus-Controller sind an sich natürliche Feinde. Denn der Arzt will heilen, koste es, was es wolle - überspitzt gesagt -, und der Controller will sparen, da darf möglichst gar nichts etwas kosten. Schwierig wird es, weil von Medizinern in leitender Funktion heutzutage erwartet wird, beides gleichzeitig zu tun, also kostenbewusst zu heilen. Vom Steuerberater und der Krankenkasse werden niedergelassene Ärzte nichts anderes hören. Und was ist mit dem hippokratischen Eid, den sie bei der Aufnahme in den Berufsstand schwören? Die innere Zerrissenheit vieler Mediziner kann der Diplom-Betriebswirt und Neurologe Marco Halber nachvollziehen. "Skandalös gering" sei jedoch das im Medizinstudium dargebotene Wirtschaftswissen. "Die meisten Ärzte werden zum ersten Mal mit Wirtschaft konfrontiert, wenn sie sich mit einer eigenen Praxis niederlassen wollen", kritisiert Halber.

Der Wunsch nach Nachhilfe äußert sich in dem wachsenden Interesse an entsprechenden Fortbildungen. Berufsbegleitende MBA-Programme für Ärztinnen und Ärzte schießen in jüngster Zeit wie Pilze aus dem Boden. Wobei man sich darunter kein komplettes Wirtschaftsstudium mit Ausflügen ins Management vorstellen darf. Das wäre in den meist über 24 bis 30 Monate laufenden Programmen gar nicht zu leisten. Zumal die tatsächlichen Unterrichtstage bei den in Blöcken durchgeführten Kursen insgesamt oft nur wenige Monate betragen. Beim Executive MBA Health Care Management an der European Business School der EBS Universität in Oestrich-Winkel sitzen die Studierenden genau an 63 Tagen im Hörsaal.

Die Zulassungsbedingungen der Hochschulen sind äußerst unterschiedlich

Noch weniger gemeinsame Lernerlebnisse haben die Teilnehmer des MBA-Programms Führung und Management im Gesundheitswesen an der Hochschule Neu-Ulm: Je Semester kommen sie lediglich für zwölf Tage zusammen. In der restlichen Zeit lesen, lernen und schreiben die angehenden Wirtschaftsmediziner zu Hause. Was sie auch ganz gern täten, berichtet Marco Halber, der an der SRH-Fernhochschule den Studiengang Executive MBA (EMBA) für Ärztinnen und Ärzte leitet: "Die meisten Mediziner sind froh, wenn sie nicht zu festen Studienzeiten irgendwo erscheinen müssen."

Weshalb die SRH-Fernhochschule, die den Beinamen "The Mobile University" trägt, seit gut einem Jahr ein reines Online-Studium für Mediziner anbietet. Mit nur zwölf Monaten Dauer gehört es zu den kürzesten MBA-Programmen überhaupt. Dafür müssen sich Frau und Herr Doktor der Medizin in ihrer Freizeit ins Zeug legen. Zwei Hausarbeiten, fünf Klausuren, eine 80-seitige Masterthesis und ein 45-minütiges Kolloquium müssen zügig erarbeitet werden. Fehlt dabei nicht der Austausch mit den Mitstudenten? "Nein", sagt Marco Halber. "Den Ärzten geht es überwiegend um Faktenwissen und um die Managementqualifikation." Online-Foren und Exkursionen würden gefördert, keine Frage. "Aber das nimmt nur ein Bruchteil der Teilnehmer wahr", berichtet Halber - und in seiner Stimme klingt Bedauern mit. "Die Ärzte sind froh, wenn sie mit anderen Studierenden möglichst wenig zu tun haben." Zahlreiche Hochschulen haben einen MBA Gesundheitsmanagement im Angebot. Anwärter für die Health-Care-Programme sollten auf die Zulassungsbedingungen der jeweiligen Hochschule achten, die sehr unterschiedlich sind. Sie reichen von der mittleren Reife und Berufsausbildung in einem medizinischen Fach plus zwei, drei Jahre Berufserfahrung bis zum Bachelorabschluss plus einige Berufsjahren in einem Gesundheitsberuf.

Drei Semester dauert es bis zum MBA-Abschluss im Studiengang Gesundheitsmanagement an der Hochschule Wismar, die ihr Fernstudienangebot unter dem Namen "Wings" vermarktet. Auch hier studieren die Teilnehmer nur auf Distanz. Das bedeutet: Der Lehrstoff wird in interaktiven Vorlesungen über eine App bereitgestellt. Voraussetzung ist - wie bei den anderen Programmen auch - ein erster Hochschulabschluss, hier zusätzlich aber zwei bis drei Jahre Berufspraxis. Bei der Berufserfahrung gelten unterschiedliche Anforderungen: Während die SRH gänzlich auf den Nachweis von Berufserfahrung verzichtet, erwartet die Hochschule Neu-Ulm ebenfalls zwei Jahre. Und die EBS Business School verlangt für die Zulassung zu ihrem 14-monatigen Programm sogar fünf Jahre Praxiserfahrung und sehr gute Englischkenntnisse. Dieser MBA ist mit 32 800 Euro der Champion in puncto Preis. Die meisten anderen Ärzte-MBAs werden für weit weniger als die Hälfte angeboten.

Den MBA Health Care Management gibt es an der EBS Business School schon seit dem Jahr 2002. Der Anteil der Ärztinnen und Ärzte unter den Teilnehmern ist hoch, "gut 70 bis 75 Prozent", sagt Studiengangsleiter Ralph Tunder. Und die Nachfrage der Mediziner nach Wirtschafts- und Managementwissen nehme weiter zu. "Sowohl Klinikärzte als auch Mediziner mit eigener Praxis müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten", erklärt der Studiendirektor. "In jeder Rolle haben sie es mit wirtschaftsrelevanten Fragestellungen und mit den Herausforderungen des Klinik- oder Praxismanagements zu tun." Mit solchen Themen hätten sie sich aber an der Universität nicht auseinandergesetzt. "Ökonomie und Management werden im Curriculum des Medizinstudiums nicht abgebildet", resümiert Tunder. Auch wenn sich Ärzte meist in erster Linie ihrem helfenden und heilenden Beruf verpflichtet fühlen, stünden sie unter hohem Druck, sich in betriebswirtschaftlichen Themen weiterzuqualifizieren.

Die Entscheidung für ein berufsbegleitendes Studium mit hoher Belastung in der Freizeit fällt häufig im fortgeschrittenen Alter. Im Durchschnitt sind die Ärztinnen und Ärzte, dies sich an der EBS fortbilden, 40 Jahre alt. "Wir haben auch deutlich jüngere Teilnehmer", sagt Tunder, "aber auch deutlich ältere". Der bislang älteste Absolvent sei 60 Jahre alt gewesen.

Früher ging es um die klinische Karriere, jetzt kommen mehr niedergelassene Ärzte ins Seminar

Im Vergleich zu Mitgliedern anderer Berufsgruppen, die ein MBA-Studium beginnen, sind Mediziner deutlich älter. Das liegt laut Andreas Botzlar, Vorstandsmitglied des Marburger Bundes, der Interessenvertretung angestellter und verbeamteter Ärzte und Ärztinnen, auch daran, dass das Medizinstudium deutlich länger dauert als andere Studienrichtungen. Für die anschließende Weiterbildung zum Facharzt muss man Botzlar zufolge, der Oberarzt an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik im oberbayerischen Murnau ist, mindestens vier bis sechs Jahre dazurechnen. Wer danach in eine klinische Leitungsposition aufgestiegen sei oder eine solche anstrebe, sei häufig jenseits der 40.

Womöglich ist Medizinern, die sich in der Lebensmitte zum Gesundheitsmanager weiterqualifizieren, der persönliche Austausch mit den Mitstudenten ja doch wichtig. Das glaubt jedenfalls Professor Patrick Da-Cruz, Studiengangsleiter des Neu-Ulmer MBA-Programms Führung und Management im Gesundheitswesen, vormals MBA für Mediziner. Denn er hat folgende Veränderung beobachtet: "Unsere frühere Zielgruppe waren ausschließlich Mediziner. Heute wollen die Ärzte den interprofessionellen Austausch mit Juristen, Pharmazeuten und Gesundheitswissenschaftlern." Früher habe man vor allem für die klinische Karriere ausgebildet. Heute kämen mehr niedergelassene Ärzte, die sich vor allem für Führungsthemen interessierten. Letztere könne man nur in einem sozialen, interaktiven Prozess vermitteln. "Wer einen reinen Fernkurs machen möchte, ist bei uns falsch."

© SZ vom 18.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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