Max Kaplan:Es fehlt an Zeit

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Max Kaplan. (Foto: Bayerische Landesärztekammer)

Hausärzte sind mit der steigenden Zahl an dementen Patienten überfordert. Ein Mediziner im Gespräch.

Interview von Miriam Hoffmeyer

Die steigende Zahl von Patienten mit Demenz stellt Hausärzte und Krankenhäuser vor neue Herausforderungen. Um die Versorgung zu verbessern, müssen Ärzte, Pfleger, Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten viel enger zusammenarbeiten als bisher, fordert Max Kaplan. Der Allgemeinmediziner ist Präsident der Bayerischen Landesärztekammer und Vizepräsident der Bundesärztekammer.

SZ: Was bedeutet es für die Hausärzte, wenn ihre Patienten dement werden?

Max Kaplan: Patienten mit kognitiven Störungen muss man alles strukturiert und nachvollziehbar erklären und dies oft mehrmals. Dafür sind viel Geduld und Einfühlungsvermögen nötig, der Arzt muss sich mit seiner ganzen Empathie auf die Betroffenen einstellen. Außerdem benötigen die pflegenden Angehörigen Beratung und Betreuung, sie dürfen mit ihrer Belastung nicht alleingelassen werden. Der Zeitaufwand ist also sehr hoch. Und leider ist die Zeit der Hausärzte begrenzt.

Hausärzte bräuchten also Entlastung?

Ja. Gut geschulte Praxismitarbeiter, die sich mit dem Thema Demenz auskennen, können die Ärzte effektiv unterstützen. Aber das allein wird nicht reichen. Wir brauchen mehr Tageskliniken und ambulante Reha-Einrichtungen für geriatrische Patienten und somit auch für Patienten mit Demenz. Zurzeit werden solche Einrichtungen Schritt für Schritt aufgebaut.

Und für die Menschen dort sind die Hausärzte dann nicht mehr zuständig?

Doch, es geht darum, die Patienten möglichst in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen und ihre sozialen Kontakte zu erhalten. Deshalb sollen solche Einrichtungen in der Nähe des Wohnorts liegen. Dann wird der Hausarzt entlastet, er kann seine Patienten aber trotzdem weiter betreuen.

Sie fordern, dass alle Beteiligten in der Versorgung und Betreuung Demenzkranker besser zusammenarbeiten sollen. Wie könnte das konkret aussehen?

Um die Betroffenen kümmern sich neben Ärzten viele verschiedene Gesundheitsberufe: Pflegekräfte, Ergo- und Physiotherapeuten, Logopäden, Sozialarbeiter, Ernährungsberater. Es hat wenig Sinn, dass jeder unkoordiniert rein fachbezogen therapiert. Der Hausarzt sollte dabei die Fäden in der Hand halten. Wenn sich Pfleger und Therapeuten alle ein bis zwei Monate in der Hausarztpraxis treffen würden, um Probleme zu besprechen, wäre das ein vertretbarer Aufwand - und sehr effektiv.

Welche Rolle spielt das Thema Demenz in der ärztlichen Fortbildung?

Die Landesärztekammern bieten seit vier Jahren eine 60-stündige Fortbildung zur geriatrischen Grundversorgung für niedergelassene Ärzte an. Die Zahl der Fortbildungsangebote zur Geriatrie, zu gerontopsychiatrischen und kognitiven Krankheitsbildern liegt inzwischen bundesweit bei mehr als tausend pro Jahr. Noch vor zehn Jahren hat das Thema eine weit geringere Rolle in der Fortbildung gespielt.

Auch Krankenhausärzte sind häufig konfrontiert mit dementen Patienten, auf die die Abläufe nur schlecht eingestellt sind. Wären spezielle geriatrische Stationen eine Lösung?

Ich glaube nicht, weil die Betroffenen ja mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern eingeliefert werden, der eine mit Oberschenkelhalsbruch, die andere mit einer Stoffwechselentgleisung. Die Krankenhausärzte stehen wie die Hausärzte vor der Herausforderung, sich fachlich mit dem Thema zu beschäftigen und Sensibilität für die Patienten zu entwickeln. Aber die Hauptprobleme bei der Demenzversorgung im Krankenhaus sind der Mangel an Personal und schlichtweg an Zeit.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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