Kirche als Arbeitgeber:In himmlischen Diensten

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Weit über eine Million Menschen sind in Deutschland für einen kirchlichen Arbeitgeber tätig. Für sie gilt zum Teil ein gesondertes Arbeitsrecht. Was Angestellte der Kirche wissen müssen.

Von Mira Fricke/dpa

Die Kirche in Deutschland hat Selbstbestimmungsrecht, so steht es im Grundgesetz. Das beeinflusst auch das Arbeitsrecht: Die beiden christlichen Kirchen dürfen ihre Arbeitsverhältnisse selbst regeln, ebenso die Wohlfahrtsverbände. Aber was bedeutet das konkret?

Bewerbung und Einstellung. Wer sich bei einer kirchlichen Einrichtung bewirbt, muss damit rechnen, nach der eigenen Spiritualität gefragt zu werden. Ob ein Taufschein nötig ist, hängt in der katholischen Kirche von der Tätigkeit ab. Für den Schulrektor oder Lehrer ist er verpflichtend, beim IT-Fachmann dagegen kein Muss. "Uns ist hauptsächlich wichtig, dass sich ein Bewerber mit den kirchlichen Wertvorstellungen identifizieren kann", sagt Christian Schärtl, Personalreferent des Erzbistums Berlin.

Ähnlich handhabt es die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). In Leitungsfunktionen, der Seelsorge oder religiösen Bildung ist die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche meist Voraussetzung, sagt Detlev Fey, Referatsleiter Arbeitsrecht bei der EKD. Das belegen zu können, sei völlig ausreichend. Darüber hinaus würden in der Betreuung von Menschen aus anderen Kulturkreisen heute auch vermehrt Nicht-Christen eingestellt, so Fey.

Loyalitätsanforderungen . In der katholischen Kirche regelt die Grundordnung, was von den Mitarbeitern im Einzelnen erwartet wird. Seit 2015 gibt es einige Neuerungen. Man habe "gesellschaftliche Realitäten und veränderte Lebensentwürfe berücksichtigt", sagt Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz. Demnach ist eine Scheidung, eine erneute Heirat oder auch eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einem gleichgeschlechtlichen Partner kein automatischer Kündigungsgrund.

Auch Konfessionslose können für eine christliche Kirche arbeiten. Aber Bewerber müssen sich darauf einstellen, zu ihrem Glauben befragt zu werden. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Markus Gutfleisch arbeitet seit 2002 als Sozialarbeiter für einen Caritasverband in Nordrhein-Westfalen. Seit fünf Jahren steht er im beruflichen Umfeld offen zu seiner Homosexualität. Sein Arbeitgeber akzeptiert das. Der Verband tat das auch schon, bevor es die neue Grundordnung gab. Der gläubige Katholik Gutfleisch engagiert sich für die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK). Er weiß jedoch auch, dass viele homosexuelle Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen ihr Privatleben verstecken - aus Angst vor einem Jobverlust. Eine Kündigung komme infrage, wenn eine "erhebliche Störung der Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft zu befürchten sei", erklärt Kopp von der Deutschen Bischofskonferenz.

In der evangelischen Kirche gibt es ebenfalls Loyalitätsrichtlinien. Allerdings sind diese weniger streng als in der katholischen Kirche. "Wir freuen uns über jeden, der privat eine dauerhafte und verlässliche Partnerschaft eingehen möchte", sagt Fey. Ob Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft gehe den Arbeitgeber nichts an. Bei schweren Verstößen gegen die Loyalitätsrichtlinien muss jedoch auch bei der evangelischen Kirche mit einer Kündigung gerechnet werden. "Wer öffentlich extremistische Ideologien verbreitet, ist bei der evangelischen Kirche definitiv nicht richtig", so Fey.

Mitbestimmungsrecht. Eine weitere Besonderheit im kirchlichen Arbeitsrecht: Es gibt keine Betriebsräte. Stattdessen können sich Arbeitnehmer in Mitarbeitervertretungen organisieren. Diese hätten jedoch geringeren Einfluss, kritisiert Berno Schuckart-Witsch, Ansprechpartner für die Beschäftigten der Kirchen in der Verdi-Bundesverwaltung. Das betrifft unter anderem Veränderungen bei der betrieblichen Arbeitszeit oder bei der Ausbildung von Azubis. Außerdem kritisiert Schuckart-Witsch, dass es mit wenigen Ausnahmen keine Tarifverträge für die Beschäftigten gibt.

Auf kirchlicher Seite ist man hingegen überzeugt: "Wir haben mit der verbindlichen Schlichtung ein Instrument, in dem beide Interessenseiten vertreten sind und das ohne Arbeitskampf auskommt", sagt Fey. Im Fall von beispielsweise Lohnstreitigkeiten, sollen sich Arbeitnehmer- und Kirchenvertreter mit einem Schlichter gemeinsam einigen, ohne dass es zu Streiks kommt. Der Organisationsgrad von kirchlichen Arbeitnehmern in Gewerkschaften ist gering. Er liege in der evangelischen Kirche schätzungsweise bei fünf Prozent, sagt Fey von der EKD.

Offenheit durch Notwendigkeit. Gerade in der Pflege herrscht in Deutschland Fachkräftemangel. Zwingt dies kirchliche Arbeitgeber zu mehr Offenheit? "Wir sehen unser christliches Profil eher als Mehrwert, um die Bewerber neben ihrem fachlichen Profil auch mit ihren Werten anzusprechen", sagt Beate Pfriender-Muck, Personalleiterin im St. Josefshaus Herten in Rheinfelden in Baden-Württemberg.

In der EKD setzt man auf Offenheit. Man wolle in Zukunft vermehrt auf Andersgläubige zugehen und diese auch beschäftigen, heißt es. "Entsprechende Neuerungen in den Richtlinien sollen beschlossen werden", so Fey. Insbesondere, weil die Diakonie stetig wachse, während die Zahl der Kirchenmitglieder sinke.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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