Jobportale:Sich finden lassen

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Berufsanfänger und künftige Arbeitgeber knüpfen zunehmend über spezielle Plattformen entscheidende Kontakte. Manche Unternehmer gehen aktiv via Internet auf Studienabsolventen zu.

Von Jürgen Hoffmann

Dorthe Herbertz hat Kommunikationswissenschaften in den Niederlanden studiert. Nach ihrem Bachelor zog es sie ins Berufsleben: Nicht den Master, keine Weltreise. "Ich hatte auf allen gängigen Onlineportalen gesucht und mir Jobangebote auf Unternehmensseiten angeschaut", erinnert sich die 25-Jährige. Ob Monster, Stepstone oder LinkedIn - die Suche blieb erfolglos. Das lag auch daran, dass Herbertz seit ihrer Bachelorarbeit über eine E-Commerce-Firma genaue Vorstellungen von ihrem Traum-Job hatte. Schließlich klappte es: Seit November 2014 arbeitet sie als Trainee im Online-Marketing beim jungen Kölner Shopping-Portal Hitmeister. Nicht jeder Absolvent findet auf diese Weise seinen Berufseinstieg. Wer hilft, wenn die letzte Prüfung geschrieben ist, ein Arbeitsvertrag aber noch in weiter Ferne?

436 400 Studenten beendeten laut Angaben des Statistischen Bundesamtes im Prüfungsjahr 2013 erfolgreich ihre Hochschulausbildung. Das waren sechs Prozent mehr Absolventen als 2012. Doch nach der Abschlussfeier folgt allzu häufig die Ernüchterung: Was fange ich mit meiner neuen Freiheit an? "Viele Studierende sind unsicher, welcher Beruf zu ihnen passt und zweifeln an ihren Fähigkeiten", verrät Sylvia Kieselbach vom Career Service der Universität Tübingen. Wer allerdings rechtzeitig zur Beratung komme, dem könne in Einzel- und Gruppencoachings geholfen werden. Aber nicht nur der frühe Vogel fängt den Wunschberuf - auch der informierte: Viele Hochschulen pflegen Kontakte zu Unternehmen und haben eigene Online-Jobbörsen. Die dort ausgeschriebenen Stellen richten sich explizit an Studierende und Absolventen. Zur besseren Orientierung im Bewerbungsdschungel rät Sylvia Kieselbach jungen Jobsuchenden: "Man sollte sich fragen: Wenn mir alles gelingen würde und nichts dazwischen käme, wo würde ich dann arbeiten?"

Wenn sich das Studium dem Ende zuneigt, ist auch ein Gang zur Agentur für Arbeit sinnvoll. Dort gibt es Teams, die sich auf akademische Berufe spezialisiert haben. "Die Nachfrage nach Akademikern ist in den letzten Jahren gestiegen", sagt Beate Scherupp von der Arbeitsagentur in Augsburg. Doch rät auch sie, das Thema Jobsuche nicht auf die lange Bank zu schieben. "Wir beraten Studienabsolventen in allen Fragen rund um Studium und Berufseinstieg. Daneben gibt es ein umfangreiches Angebot an Workshops, Vorträgen und Seminaren zu diesen Themen", erläutert sie.

Auch kleinere Mittelständler und Familienunternehmen setzen verstärkt auf Persönlichkeitstests

Absolventen sollten wissen, dass Unternehmen sich heute sehr genau ansehen, wer sich bei ihnen als neuer Mitarbeiter bewirbt. "Bei Unternehmer und Bewerber ist es ähnlich wie bei einem Ehepaar: Die Wertebasis muss stimmen", verrät Rainer Neubauer von der Meta Beratung in Düsseldorf, die sich auf die Entwicklung und Umsetzung von wissenschaftlich fundierten Persönlichkeitstests im Wirtschaftsbereich spezialisiert hat. Nicht nur Global Player, auch kleinere Mittelständler und Familienunternehmen setzen verstärkt auf solche Verfahren. Private Karriereberatungen wie das Profiling Institute mit Hauptsitz in Düsseldorf und Beratungsstandorten unter anderem in München und Hamburg bieten Persönlichkeitstests für Bewerber an. "Viele Absolventen haben kein ganz optimales Selbstbild", hat Gründer und Karriereexperte Jan Bohlken beobachtet. Ein Test kann helfen, sich eigene Stärken und Schwächen bewusst zu machen. Er rät zudem, rechtzeitig Praktika zu absolvieren, Karrieremessen zu besuchen und sich eine Bewerbungsstrategie zurechtzulegen.

Auf manchen Plattformen können Arbeitgeber anonymisierte Profile potenzieller Kandidaten ansehen

Dabei spielt die Netzwelt eine zunehmend größere Rolle. Luisa Rusch, Recruiterin bei Hitmeister, schreibt offene Stellen online aus und sucht auf Portalen "wie Xing oder LinkedIn nach geeigneten Mitarbeitern". Eine weit verbreitete Vorgehensweise. Laut einer Studie der Universität Bamberg und der Online-Jobbörse Monster erwarten Deutschlands Unternehmen weniger Papierbewerbungen, setzen stattdessen auf Karrierenetzwerke. "Digitalisierung ist einer der Megatrends in der Arbeitswelt", erklärt Oliver Maassen, Geschäftsführer der unter anderem in Hamburg, München, Berlin und Köln ansässigen Personalberatung Pawlik Consultants, und nennt ein Beispiel: "Auf Plattformen wie Kununu kann ich lesen, wie gut anderen Arbeitnehmern ein Unternehmen gefällt oder meinen eigenen Arbeitsplatz bewerten." Bewerber sollten jedoch daran denken, dass diese Transparenz für beide Seiten gilt: Auch Personaler nutzen Facebook. Auf was von mir stoßen sie da?

Traditionell bewerben sich Absolventen bei Unternehmen. Es geht aber auch anders herum. Online-Portale wie Talerio, Absolventa und 4scotty haben den Spieß umgedreht: Arbeitgeber buhlen um Absolventen. Bei Talerio beispielsweise können sich Unternehmen anonymisierte Profile von Absolventen ansehen und für sie interessante Kandidaten anschreiben, diese aber entscheiden, welchem Unternehmen sie antworten und welchen nicht. Der junge Akademiker durchläuft vorher einige Tests zu Fachwissen und Soft Skills. "Die Ergebnisse werden mit den Anforderungen, die die Unternehmen angegeben haben, gematcht", erläutert Talerio-Geschäftsführer Daniel Barke das Prinzip des Algorithmus-Modells seiner Company. Absolventen zahlen bei ihm nicht, Unternehmen einmalig mindestens 249 Euro.

Joshua Brzynzek, ausgestattet mit dem Bachelor in Volkswirtschaft der Uni Hamburg, hat so vor einigen Monaten seine Stelle bei der Marktforschungsgesellschaft Appinio bekommen: "Für mich war das sehr entspannt: Ich musste nicht 100 Bewerbungen schreiben, musste nicht suchen, sondern habe mich finden lassen." Die Plattformen unterscheiden sich: Bei 4scotty beispielsweise finden Arbeitgeber nur IT-Fachleute. So erhalten die registrierten IT-Absolventen fast ausschließlich Anfragen, die exakt ihren Fähigkeiten entsprechen. Auf die Plattform von Talerio können Studenten und Absolventen jeder Fachrichtung ihr Profil stellen - Betriebswirte und Juristen, Germanisten und Biologen. Die ersten Erfahrungen hier zeigen: Geisteswissenschaftler und Naturwissenschaftler nutzen diesen Weg zu einem Job gleichermaßen.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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