Jobcoach:Können Arbeitgeber herausfinden, ob ich getauft wurde?

Lesezeit: 2 min

Ein Arzt möchte sich trotz seines Kirchenaustritts bei einer katholischen Klinik bewerben. Muss er dabei lügen?

SZ-Leser Marc W. fragt:

Ich will mich als Assistenzarzt bewerben. In meiner Stadt sind fast alle Krankenhäuser katholisch. Da ich aus der Kirche ausgetreten bin, wüsste ich gern, ob ein katholischer Arbeitgeber einsehen kann, ob ein Bewerber aktiv aus der Kirche ausgetreten ist oder nie Mitglied war. Letzteres ist ja angeblich kein K.-o.-Kriterium, ein aktiver Austritt allerdings schon. Dies widerstrebt meinem Gerechtigkeitsempfinden, daher wäre eine Lüge für mich kein Problem. Darf ich sagen, ich sei nie getauft worden?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr W., auf den ersten Blick kann ich nachempfinden, dass es Ihr Gerechtigkeitsempfinden stört, wenn Sie einen Job in einem katholischen Krankenhaus eventuell nicht bekommen, weil Sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, ein anderer Bewerber, der nie katholisch war, aber schon. Denn de facto besteht in beiden Fällen aktuell keine Mitgliedschaft. Aber macht es wirklich keinen Unterschied?

Die Kirchen sagen: Es macht einen Unterschied. Konfessionslosigkeit wird als nicht so gravierend angesehen wie ein Austritt. Für beide christliche Glaubensgemeinschaften stellt der Austritt eine aktive Entscheidung gegen die Religion dar. Die evangelische Kirche ist hier zwar noch etwas offener. Wer aus der evangelischen Kirche aus und in eine andere christliche Gemeinschaft eintritt, kann noch mit Wohlwollen rechnen.

(Foto: N/A)

Für die katholische Kirche gilt das nicht. Wer ihr den Rücken kehrt, egal aus welchem Grund, ist raus, er kommt auch als Mitarbeiter nicht mehr in Betracht. Rechtlich liegt das an Artikel 3 Absatz IV der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 2015. Der besagt, dass derjenige nicht für einen Dienst in der katholischen Kirche geeignet ist, der sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. In den Augen der katholischen Kirche ist ein Austritt eine ganz bewusste Entscheidung gegen die Kirche, es berührt den Kernbereich der Loyalitätspflicht, das Tischtuch ist zerschnitten.

Bislang hat sich meines Wissens noch kein Gericht mit der Frage beschäftigt, ob diese Norm rechtswidrig ist. Es gäbe gute Argumente dafür, etwa das der Diskriminierung. Andererseits wird den Kirchen wegen ihres Selbstbestimmungsrechts ein besonderer Freiraum gewährt. Die katholische Kirche hat aber in der Regel wenig Interesse, solche Fragen gerichtlich klären zu lassen. So endete erst kürzlich ein Prozess mit einem Vergleich, in dem eine Bewerberin für das Sekretariat eines katholischen Arbeitgebers nach erfolgreichen Vorstellungsgesprächen im Personalfragebogen ihren Kirchenaustritt wahrheitsgemäß angegeben - und die Stelle daraufhin nicht erhalten hatte. Ob ein katholischer Arbeitgeber einsehen kann, ob ein Bewerber aus der Kirche ausgetreten ist oder nie Mitglied war, entzieht sich meiner Kenntnis.

Was bedeutet das für Sie? Im Normalfall sind Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Eine Lüge ist nur dann erlaubt, wenn die Frage unzulässig ist. Das ist, verkürzt gesagt, dann der Fall, wenn sie für das Arbeitsverhältnis keinerlei Bedeutung hat. Man kann darüber streiten, ob bei einer Stelle als Assistenzarzt die Konfession relevant ist. Noch mehr kann man darüber streiten, ob die Gründe für Ihre Konfessionslosigkeit - ausgetreten oder nie getauft - für Ihre Arbeit als Arzt entscheidend sind.

Klar ist aber: Würden Sie lügen, und käme es heraus, besteht die Gefahr, dass Ihr Arbeitgeber Sie nicht einstellt oder den gerade geschlossenen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anficht. Sie müssten dann kämpfen. Eine richtig zufriedenstellende und arbeitsrechtlich sichere Lösung sehe ich daher leider nicht.

Ina Reinsch ist Rechtsanwältin, Buchautorin und Referentin in München. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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