Islamunterricht:Koran im Klassenzimmer

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Immer mehr Schulen bieten islamischen Religionsunterricht an. Ein bundesweites Angebot liegt aber noch in weiter Ferne.

Roland Preuss

Die Dimension des Vorhabens skizzierte Thomas Kufen mit einer runden Zahl: Wenn der islamische Religionsunterricht allgemein eingeführt werden sollte, so müssten allein für Nordrhein-Westfalens Schulen 1000 zusätzliche Lehrer eingestellt werden, sagte der Integrationsbeauftragte des Landes. Eine Mammutaufgabe also - sowohl für die Lehrerausbildung als auch für den Finanzminister.

Die Religion nicht nur den Moscheen überlassen: Kinder nehmen an Islamunterricht an einem Gymnasium in Köln teil. (Foto: Foto: dpa)

In einem war sich Kufen mit den Kultusministern von Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen auf einer Fachtagung zum Islamunterricht vergangene Woche in Stuttgart-Hohenheim dennoch einig: Der staatliche Religionsunterricht für muslimische Schüler muss ausgebaut werden, weil er bei der Integration muslimischer Einwanderer hilft und religiösem Extremismus vorbeugt. Allerdings wird sich der Islamunterricht auf absehbare Zeit nur in Form von Modellversuchen ausbreiten.

Dieser Flickenteppich immerhin wächst. Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) ist nach einem halben Jahr so zufrieden mit den ersten Erfahrungen an zwölf Grundschulen, dass er die Angebote nun weiter ausbauen will. "Die Nachfragen für kommendes Schuljahr übersteigen schon jetzt die Zahlen des vergangenen Jahres", sagte Rau.

Nordrhein-Westfalen plant den Unterricht in Duisburg und Köln einzuführen, wenn sich die dortigen Moscheegemeinden zusammenschließen und mithelfen, einen gemeinsamen Lehrplan zu erstellen. Im Spätsommer 2008 könnte es losgehen. In Bayern schließlich soll bereits in diesem Herbst ein bestehender Schulversuch an zwei Einrichtungen in Erlangen auf drei Realschulen und ein Gymnasium erweitert werden.

Unterrichten dürfen nur staatlich ausgebildete Lehrer, also müssen nun auch die Hochschulen verstärkt entsprechende Studiengänge anbieten. Zu der bisherigen Islamlehrerausbildung an den Universitäten in Münster und Erlangen-Nürnberg sollen voraussichtlich die Pädagogischen Hochschulen Ludwigsburg und Karlsruhe sowie die Universität Osnabrück hinzukommen. Die Uni Frankfurt bietet seit zwei Jahren Islamkunde als Schwerpunkt in der Religionswissenschaft an.

Die Minister machten den angehenden Islamlehrern, Professoren und Experten in Hohenheim allerdings keine Hoffnung, dass sich aus diesen Ansätzen schon bald ein flächendeckender Islamunterricht für die mehr als 700.000 muslimischen Schüler in Deutschland entwickeln wird. Zwar propagieren die Bundesländer seit Jahren ein islamisches Angebot parallel zum christlichen Religionsunterricht, nicht zuletzt weil sie das Feld nicht den Moscheen überlassen wollen. Sie pochen aber auf eine einheitliche Vertretung der Muslime in Deutschland, so wie es das Grundgesetz in Artikel 7, Absatz 3 vorsieht.

Der Islam ist jedoch traditionell in verschiedene Richtungen gespalten, beispielsweise in Sunniten und Schiiten. Juristische Alternativen, gar eine Änderung des Grundgesetzes, lehnen die Länder ab. Er sei gegen eine solche "Sonderbehandlung" für Muslime, sagte der bayerische Kultusminister Siegfried Schneider (CSU). Die vier großen Islamverbände in Deutschland verhandeln derzeit über eine gemeinsame Vertretung. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, zeigte sich am Rande der Tagung optimistisch, bald zu einer Einigung zu kommen und damit dem Staat den gewünschten Ansprechpartner für einen bundesweiten Islamunterricht nach dem Willen der deutschen Muslime zu bieten.

Solange diese Vertretung von oben jedoch noch nicht besiegelt ist, setzt Harry Harun Behr, Professor für islamische Religionslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg, auf einen Islamunterricht von unten: Eltern sollen sich demnach - so wie in Nordbayern - zusammenschließen und sich auf die Unterrichtsinhalte verständigen. "Dieses Modell ist so stark, dass es mehr und mehr ins Spiel gebracht wird", sagte Behr.

Dabei stellt sich Behr auch den Integrationsproblemen von Muslimen und den Vorbehalten vieler Deutscher gegenüber dem Islam. Gemeinsam mit seinen Studenten will er über eine "vernunftorientierte" Korandeutung nachdenken und die Vermittlung des Islam im Westen in der neuen "Zeitschrift für die Religionslehre des Islam" diskutieren.

© SZ vom 26.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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