Honorare von Sprachlehrern:"15 Euro pro Stunde - Ausdruck von Geringschätzung"

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Sie haben studiert, arbeiten engagiert und oft in Vollzeit. Trotzdem verdienen freie Dozenten und Sprachlehrer miserabel. Um ihren Kontostand aufzubessern, verstoßen viele gegen das Gesetz.

Jonas Nonnenmann

Über die Lehrerin Sabrina Staats kann keiner sagen, sie verstehe die Probleme ihrer Schüler nicht. Der lästige Hartz IV-Antrag, das demütigende Anstehen bei der Lebensmittel-Tafel für Gemüse - vor einigen Jahren hat sie selbst erlebt, wie sich das anfühlt.

Freiberufliche Sprachlehrer: Der Job ist sinnvoll und macht Spaß - wenn man es sich leisten kann. (Foto: dpa)

Damals unterrichtete sie Vollzeit an der Volkshochschule, gab vor allem Deutschkurse für Migranten. "Bei der Tafel habe ich Leute aus meinen Klassen getroffen", erzählt sie. "Die fragten: Was machen Sie denn hier?" An diesem Ort hätten sie wohl vieles erwarteten, nicht aber ihre Lehrerin.

Fünf Jahre später ist Sabrina Staats nicht mehr auf Sozialhilfe angewiesen, doch vielen ihrer Kollegen geht es immer noch schlecht: Tausende von Honorardozenten verdienen so wenig, dass sie kaum wissen, wie sie die Miete zahlen sollen. Es sind Menschen wie Inge Becker, 35 Jahre alt, studierte Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, die ihren echten Namen nicht gedruckt sehen will.

Seit ein paar Jahren unterrichtet sie an einer privaten Sprachschule, meistens in staatlich finanzierten Integrationskursen, in denen Migranten Deutsch lernen. Pro Stunde verdient sie 15 Euro. Zunächst klingt das akzeptabel, doch der Teufel steckt im Detail.

Um 1500 Euro im Monat zu verdienen, muss sie 25 Stunden pro Woche unterrichten - das ist etwa so viel wie ein Gymnasiallehrer, der mit einem wesentlich höheren Gehalt rechnen kann. 377 Euro zahlt Becker ihrer privaten Krankenkasse, ein teurer Tarif. Vom mageren Rest knöpft ihr die Rentenkasse etwa 200 Euro ab.

Krank zur Arbeit

Selbständige Lehrer und Erzieher sind rentenversicherungspflichtig, so steht es im sechsten Sozialgesetzbuch. Übrig bleiben ihr gut 900 Euro netto - falls sie das ganze Jahr über unterrichtet, was wegen der Semesterferien jedoch unmöglich ist. Am Ende kommt sie nur über die Runden, weil ihre Eltern ihr ab und zu Geld zustecken.

Zu schaffen macht vielen Dozenten auch die Unsicherheit. Wer krank wird, schleppt sich zur Arbeit - oder er verdient nichts. Wer auf eine bessere Bezahlung besteht, bekommt keine Aufträge mehr, weil wegen des Überangebots an Sprachlehrern schon der nächste Kandidat an die Tür klopft.

Es ist eine Selbständigkeit, die abhängiger kaum sein könnte, die sich vor allem durch ein Weniger definiert: weniger Rechte, weniger Geld, weniger freie Tage. Männer hält es selten in dem Beruf.

Dass Träger wie die Volkshochschulen kaum Lehrer fest anstellen, ist zum Teil verständlich. Nur 2,35 Euro zahlt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Träger pro Schüler und Stunde. Davon zahlen die Schüler in der Regel einen Euro selbst. Eigene Gebühren dürfen die Träger nicht erheben. Wie sollen sie so langfristig planen, wie angemessen honorieren?

"Wir zahlen den Dozenten mehr als 20 Euro, können so aber nicht alle Verwaltungskosten decken", sagt Ulrich Bausch, Leiter der Reutlinger Volkshochschule. "Ich finde es unerträglich, Menschen mit Hochschulabschluss 15 Euro pro Stunde zu zahlen. Das ist ein Ausdruck von Geringschätzung."

Nicht nur bei den Integrationskursen knausert der Staat. Ähnlich sieht es beispielsweise bei der Ausbildung aus, die junge Leute, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren, beim Roten Kreuz erhalten. Ebenfalls unterfinanziert sind Anbieter für Weiterbildungen der Agentur für Arbeit.

Problem Rentenversicherung

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht das Problem in öffentlichen Ausschreibungen, die Billigheimer bevorzugen. Bei der riesigen Konkurrenz könnten gut zahlende Anbieter kaum mithalten.

Viele Lehrer sind versucht, ihren niedrigen Kontostand auf Kosten der Rentenversicherung auszugleichen. "Etwa vier von fünf Dozenten zahlen keine Beiträge", schätzt Inge Görlich, Geschäftsführerin des GEW-Landesverbands Baden-Württemberg. Alle müssen mit dem Gefühl leben, etwas Illegales zu tun, und mit der Angst, dass die Rentenversicherung ihnen auf die Schliche kommt.

Die Freiburger Dozentin Sabina Pfeifle, 62 Jahre alt, hatte Pech. Vor fünf Jahren forderte die Rentenversicherung Nachzahlungen in Höhe von mehreren tausend Euro. Pfeifle zahlt jetzt ein und kann doch nur mit einer Rente rechnen, die unter Hartz IV liegt. Da hilft es ihr auch nicht, dass sie zwei Studienabschlüsse hat.

Sabrina Staats hat eine ähnlich schlechte Perspektive. Paradoxerweise ist es oft die Arbeit, die sie das vergessen lässt. "Es ist einfach toll, zu sehen wie die Leute in den Integrationskursen langsam unabhängig werden", sagt sie. "Abgesehen von der Bezahlung ist das für mich die absolute Erfüllung."

© SZ vom 15.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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