Holztechnologie-Studium:Technik trifft Kreativität

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Holz ist als Baustoff zunehmend gefragt - Experten werden gesucht. Doch trotz des großen Ausbildungsangebots hält sich die Nachfrage in Grenzen.

Von Joachim Göres

Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der klimaschädliches Kohlendioxid bindet und von dem es in Deutschland mehr als genug gibt: Es wächst mehr Wald nach als verbraucht wird. In der Baubranche erfreut sich Holz wachsender Beliebtheit, der Anteil der Neubauten mit Holz als Hauptträger steigt. Nicht nur im Bauwesen, sondern auch in der Möbelindustrie sind Holzexperten mit Hochschulabschluss gefragt.

"Es gibt eine sehr starke Nachfrage für unsere Bachelor-Absolventen, sie können sich ihren Arbeitgeber aussuchen", sagt Adrian Riegel, Professor für Holzbearbeitungsmaschinen und Fertigungstechnologien an der TH Ostwestfalen-Lippe in Lemgo und Studiengangssprecher. In der Region befindet sich eines der Zentren der deutschen Möbelindustrie. Auf sieben Semester ist in Lemgo das Bachelor-Studium Holztechnik angelegt, mit den Schwerpunkten Möbelbau und -entwicklung, holzindustrielle Produktion und Holzbauproduktion. Zu den Fächern in den ersten Semestern gehören technische Mathematik, technische Mechanik und Physik. Später geht es um Inhalte wie Projektmanagement, Fabrikplanung sowie Oberflächen- und Beschichtungstechnik Holz.

Immer zum Wintersemester können 50 Studierende beginnen - zuletzt waren nur 35 Plätze belegt. Das liegt laut Riegel an den sinkenden Zahlen der Auszubildenden im Tischler- und Zimmererhandwerk - 85 Prozent der Holztechnik-Studienanfänger haben vorher so eine Ausbildung gemacht. Riegel nennt einen weiteren Grund für den Rückgang: "Je techniklastiger ein Studium ist, umso schwieriger wird es, Interessenten zu finden." Die Abbrecherquote liege bei 30 Prozent. Viele Studierende hätten Probleme in Mathematik - ein freiwilliger Mathevorkurs sowie Tutorien während des Studiums sollen helfen, diese Schwierigkeiten zu meistern. Jeweils zehn Plätze stehen für das dreisemestrige Masterstudium Wirtschaftsingenieur der Holzindustrie zur Verfügung, das auf eine Führungsposition in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen sowie die Leitung von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen vorbereiten will - auch diese Plätze sind nicht alle belegt.

Jana Vöcker studiert im fünften Semester in Lemgo Holztechnik. Nach ihrem Realschulabschluss hat sie eine Ausbildung zur Chemielaborantin gemacht und drei Jahre in ihrem Beruf gearbeitet. "Mein Arbeitgeber hat mich zum Studium ermutigt, ich kann danach bei ihm wieder anfangen. Dann werde ich möglicherweise Kunden Produkte mit neuen Oberflächen vorstellen", sagt die 24-Jährige, die sich im Studium auch mit aktuellen Entwicklungen im Bereich des Designs und der Haptik von Möbeln beschäftigt. Durch Fächer wie Mathe musste sie sich zuerst durchbeißen: "Kurvendiskussion, Ableitungen, damit hatte ich in der Schule nichts zu tun, einige Studierende haben deswegen aufgegeben. Mir haben der Vorkurs und Kommilitonen viel geholfen." Auf das aktuelle Semester hat sich Vöcker besonders gefreut, weil sie nun ihre bisherigen Kenntnisse im Praxissemester in einem Betrieb der Holz- oder Möbelbranche anwenden kann.

Absolventen der Holzwirtschaft finden später häufig Jobs im Bereich Handel oder Vertrieb

"So ein Praktikum bringt sehr viel, denn man lernt dort den Holzmarkt richtig kennen und stellt fest, dass Theorie und Praxis nicht immer miteinander übereinstimmen", sagt Martin Großhans, der vor Kurzem bei einem Möbelhersteller ein Praxissemester absolviert hat. Nach der Realschule machte der 24-Jährige eine Ausbildung zum Schreiner und erwarb auf diese Weise die Fachhochschulreife. Großhans steht bereits am Ende seines siebensemestrigen Bachelor-Studiengangs Holzwirtschaft an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg in der Nähe von Tübingen. Sein Ziel ist es, im Bereich Konstruktion für die Möbelindustrie oder den Holzbau zu arbeiten. "Unser Studium ist nicht so spezialisiert, sondern wir lernen viele Bereiche kennen. Das ist eine gute Grundlage für den Beruf", sagt Großhans.

Nicht nur das Bauwesen, sondern auch die Möbelbranche benötigt Hochschulabsolventen mit Fachwissen zum nachwachsenden Rohstoff Holz. (Foto: imago)

Das Studium ist sehr praktisch ausgerichtet - es vermittelt Grundlagen zum Beispiel in VWL, Maschinenbau, Werkstoffkunde, Ingenieurwissenschaften sowie Fertigung und Verfahrenstechnik. Zudem werden Zusatzqualifikationen wie Motorsägenkurs, Ausbildung zum Gebäudeenergieberater, Konfliktmediation oder Tischler-Schreiner-Maschinenkurs angeboten. Absolventen gehen in die Möbelindustrie, zu Maschinenherstellern, in den Holzhandel, ins Zimmereigewerbe oder in die Fertighausindustrie; häufig sind sie im Vertrieb beschäftigt. Eine Minderheit schließt an den siebensemestrigen Bachelor den viersemestrigen Master Ressourceneffizientes Bauen an. "In Holzwirtschaft bekommen wir noch alle 35 Plätze für Studienanfänger voll, etwa 20 davon schaffen den Abschluss. Beim Master sind bei den Anfängern aktuell acht von 16 Plätzen belegt", sagt Hubert Binder, Koordinator des Studiengangs Holzwirtschaft. Er spricht von sehr guten Berufsperspektiven.

Für die Verzahnung von Theorie und Praxis hat die Hochschule Eberswalde im Norden von Berlin zwei duale Studiengänge entwickelt. So kann man neben der Ausbildung zum Tischler, Zimmerer oder Holzbearbeitungsmechaniker Holztechnik studieren. Dabei bestehen die ersten vier Semester aus betrieblicher Ausbildung und dem Grundlagenstudium des Holzingenieurwesens, vom fünften bis achten Semester wird ausschließlich in Eberswalde studiert. Entweder vertieft man dabei den Bereich Verfahrens- und Fertigungstechnik oder den Bereich Holzbau. "Ich wollte nach der Schule unbedingt etwas Praktisches machen, bevor ich mit dem Studium beginne. Den Gesellenbrief und einen Bachelorabschluss in vier Jahren zu erreichen, war für mich perfekt", sagt die Absolventin Julia Schröder. Dieses Angebot gibt es auch als berufsbegleitendes Studium für diejenigen, die schon eine Ausbildung hinter sich haben. Ein ähnliches Modell existiert für den dualen Studiengang Mechatronik im Holzingenieurwesen.

Besonders differenziert ist das Angebot der TH Rosenheim, wo es die Bachelor-Studiengänge Holztechnik, Innenausbau und Holzbau gibt. Wegen sinkender Bewerberzahlen wird seit Kurzem der Bachelor-Studiengang Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt nachhaltiges und energieeffizientes Bauen mit Holz neu angeboten. Zur Vertiefung dient der englischsprachige Masterstudiengang Holztechnik. "Wir verlangen von den Innenausbaubewerbern ein Motivationsschreiben. Die meisten Abbrecher fallen nicht in Prüfungen durch, sondern haben falsche Vorstellungen vom Studium. Mithilfe dieses Schreibens können wir im Vorfeld nicht selten eine falsche Studienwahl verhindern", sagt Rolf Staiger, Studiengangsleiter Innenausbau. Ladeneinrichtungen, Konzertsäle, Messestände, Arztpraxen - das spätere Betätigungsfeld kann sehr umfangreich sein. Nach den ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen stehen in dem sieben Semester dauernden Innenausbaustudium Inhalte wie Baustoffe und Konstruktion, Bauphysik und Gebäudetechnik, Betriebswirtschaft und Baurecht, Fertigungstechnik sowie Unternehmensplanung auf dem Lehrplan.

Viele Studenten der Holztechnik haben zuvor eine Ausbildung als Zimmerer gemacht. Schwerpunkte von Studiengängen sind zum Beispiel Möbelbau und -design, industrielle Holzproduktion oder Haptik von Möbeln. (Foto: imago)

Franziska Eberius begann vor einem Jahr, Innenausbau zu studieren. Denn sie findet die Verbindung von Technik und Gestaltung gut. Sie machte nach dem Abitur zunächst eine Schreinerlehre, um nach dem Studium als Bauleiterin zu arbeiten. "Gerade als Frau ist die Kenntnis der Praxis wichtig, um in einer von Männern dominierten Berufswelt ernst genommen zu werden", sagt sie. Ihr Tipp an Interessenten: "Man sollte die Schnuppertage an den Hochschulen besuchen, sich die Studienordnungen durchlesen und sich dann dafür entscheiden, was einem Spaß macht."

Weitere Informationen unter www.studieren-studium.com/studium/studieren/Holztechnik-Deutschland sowie www.studis-online.de/Studiengaenge/Holztechnik-Holzingenieurwesen.

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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