Hochschulexperte:"Wo etwas fehlt, springen die Privaten hinein"

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Frank Ziegele vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) sieht private Hochschulen als nötige Ergänzung.

Interview von Christine Demmer

Mittlerweile sind knapp acht Prozent aller Studierenden an einer der 119 Privathochschulen in Deutschland eingeschrieben. Und sie gewinnen weiter an Zulauf: Zwischen 2005 und 2015 erhöhte sich der Anteil der privat Studierenden an der Gesamtzahl aller Studenten um stolze 233 Prozent. Warum die privaten Hochschulen so erfolgreich sind, erklärt Frank Ziegele, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh. Im Nebenberuf lehrt Ziegele Hochschulmanagement - an der staatlichen Hochschule in Osnabrück.

Die Gründung privater Hochschulen in Deutschland nahm erst nach dem Jahr 2000 Fahrt auf. Der wachsende Anteil der dort Studierenden zeigt: Sie holen sehr schnell auf. Woran liegt das?

Frank Ziegele: Neben dem typischen Studierenden zwischen 19 und 24 Jahren, der gleich nach dem Abitur an die Hochschule gegangen ist, gibt es ganz neue Zielgruppen. Zum Beispiel Menschen, die erst mit Ende zwanzig oder Mitte dreißig an ein Studium denken. Oder Berufstätige, die sich für ein Teilzeit- oder Fernstudium interessieren. Die Studierendenschaft wird zunehmend heterogener, und darauf haben sich viele private Hochschulen konzentriert. Es ist ihnen gelungen, eine existierende, jedoch lange kaum beachtete Nachfrage zu erkennen und dafür adäquate Studienangebote zu entwickeln. Die Privaten sind schlau im Schließen der Lücken, die die Staatlichen offengelassen haben.

Kritiker werfen den privaten Hochschulen vor, die Nachfrage nach ihren kostenpflichtigen Angeboten mit Forderungen nach lebenslangem Lernen erst entfacht zu haben. Was ist da dran?

Nur aufgrund von schicken Werbeslogans laufen die Leute den Hochschulen bestimmt nicht die Türen ein. Nein, die steigende Nachfrage nach akademischer Bildung hat nichts mit den privaten Hochschulen zu tun. Vielmehr haben die Menschen erkannt, dass eine profunde Aus- und Weiterbildung der Schlüssel zu Arbeit und Wohlstand ist. Bei den Akademikern gibt es minimale Arbeitslosigkeit. Bildungswillige sehen, was der Arbeitsmarkt verlangt, und sie richten sich darauf ein.

Der mit weitem Abstand größte Anteil der privat Studierenden entfällt auf die Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Werden tatsächlich so viele Juristen und Manager benötigt?

Offenbar, aber nicht nur diese. Die privaten Hochschulen haben sich bewusst auf Fächergruppen spezialisiert, die von der Wirtschaft nachgefragt werden. Von den 211 000 privat Studierenden im Wintersemester 2016/17 waren fast 146 000 in Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eingeschrieben. Die zweitgrößte Gruppe sind Gesundheitswissenschaftler. Zusammen machen sie 83 Prozent der Studierenden an privaten Hochschulen aus. Das wäre nicht so, wenn die Absolventen keine guten Arbeitsmarktchancen hätten.

Die Gesundheitsfächer freuen sich über rege Nachfrage. Arzt kann man aber nur an wenigen Hochschulen werden. Was treibt die Menschen in Scharen zu Health Care oder Pflegemanagement?

Wie auch bei angehenden Psychologen ist ein wichtiger Grund hierfür der strenge Numerus clausus. Wer für diese Fächer nicht an einer staatlichen Hochschule zugelassen wird, weicht eben auf die Privaten aus. Darüber hinaus wird in Pflegeberufen zunehmend akademisches Wissen gebraucht. Der demografische Wandel forciert das Thema Gesundheit, und medizinische Berufsbilder sind im Umbruch. Die Hochschulen reagieren darauf. Gerade die Privaten sind dabei stark vorgeprescht. Sie suchen und finden meist auch ihre Nische. Wo etwas fehlt, springen die Privaten hinein.

Mehr als vier von fünf privaten Hochschulen sind Fachhochschulen. Was macht das Studium dort besonders?

Die privaten Fachhochschulen haben sich gut auf die anfangs beschriebenen atypischen Studierendengruppen wie zum Beispiel Berufstätige eingestellt. Das Studium findet häufig in Kooperation mit den Arbeitgebern statt und orientiert sich stark an der Praxis. Das wollen die Studierenden, die neben dem Studium arbeiten, und das schätzen auch die Betriebe. Wenn Leute neben ihrem Beruf eine Masterarbeit schreiben, liegt es nahe, dass diese etwas mit dem Job zu tun hat. Für die Fachhochschulen ist die Praxisnähe das entscheidende Profilmerkmal.

Im Fernhochschulmarkt gab es jahrzehntelang nur die Fernuniversität Hagen und sonst nichts. Hier haben die privaten Hochschulen erst für einen Markt gesorgt, oder?

Zu Recht sogar, denn bei dieser Studienform gibt es eine wachsende Nachfrage. Nicht alle können vor Ort im Hörsaal sein. Viele haben nur abends oder am Wochenende Zeit zum Lernen. Gerade die atypischen Gruppen verlangen nach zeitlicher und räumlicher Flexibilisierung des Studiums. Es ist ja meist nicht ihre einzige Beschäftigung. Es gibt aber auch staatliche Hochschulen, die sich stark auf das Fernstudium spezialisieren.

Ist das Teilzeitstudium, während dessen Studierende im Beruf bleiben können, deshalb solch ein Renner?

Das Teilzeitstudium richtet sich ebenfalls an den Bedürfnissen der Zielgruppen aus. Die Fernhochschulen haben Wohnort und Lernort räumlich entkoppelt. Wenn die Möglichkeit des Teilzeitstudiums geboten wird, wird auch die Studiendauer flexibel. Hier haben die Privaten einen großen Vorteil. Denn für die staatlichen Hochschulen ist ein Teilzeitstudium ein streng geregelter Ausnahmefall. Für die Privaten gilt diese Gesetzeslage nicht. Hier können sie also offensiv nach vorne gehen und sagen: Wenn Ihr das wollt, bitte schön, bei uns geht das.

Wie lautet das Erfolgsgeheimnis der privaten Hochschulen?

Fünf Faktoren stecken hinter dem Erfolg. Die erfolgreichen privaten Hochschulen orientieren sich am Markt, an der beruflichen Praxis, am Bedarf des Arbeitsmarktes, an den Bedürfnissen der Studierenden sowie an deren Ziel, beruflich weiterzukommen. Am Ende hängt es aber immer vom Einzelfall ab: Es gibt auch private Hochschulen, die von all dem nichts vorweisen können, und staatliche, die das genauso gut können.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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