Im Vorfeld des Nationalen Bildungsgipfels, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Herbst einlädt, wächst der Druck auf die Bundesländer, die hohen Schulabbrecherquoten zu senken. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Bundespolitiker bemängeln, dass sich trotz wiederholter Versprechen der zuständigen Landesregierungen die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss bisher nur wenig verringerte. Länderchefs und Kultusminister reagieren auf die Vorwürfe gereizt und pochen auf die Länderhoheit in Bildungsfragen. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) äußerte Bedenken gegen den geplanten Bildungsgipfel.
"Die derzeit erkennbaren Versuche der Bundesseite, diesen Anlass kompetenz- und absprachewidrig zu einer umfassenden bildungspolitischen Positionierung zu nutzen, stoßen auf meinen entschiedenen Widerstand", sagte Beckstein der Süddeutschen Zeitung. Auch die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) weist die jüngsten Vorschläge aus Berlin scharf zurück: "Alles Blödsinn", sagte die saarländische Kultusministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Es sei nicht zielführend, die Länder vor dem Bildungsgipfel "an den Pranger zu stellen". Vielmehr müssten sich Bund und Länder gemeinsam bemühen, bestehende Förderangebote und Projekte der Bundesagentur für Arbeit und der Länder stärker zu vernetzen.
Ein Budget für neue Ideen
Unmut in den Ländern weckt vor allem der Plan von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD), Schulabbrechern einen Rechtsanspruch einzuräumen, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Einzelne Betreuer der Bundesagentur sollen ein Vermittlungsbudget erhalten, mit dem sie unbürokratisch Hilfen zuteilen können. Die Bundesagentur soll zudem ein Budget für Experimente bekommen, um neue Ideen zu testen. Allerdings sollen Jugendlichen nur dann Angebote unterbreitet werden, wenn eine erfolgreiche Teilnahme an der Maßnahme erwartet werden kann, heißt es in dem Gesetzentwurf, der der SZ vorliegt. Fast 80.000 Jugendliche verlassen die Schule in Deutschland derzeit jährlich ohne Abschluss. Bezogen auf die Gesamtzahl der Absolventen liegt die Quote der Schulabbrecher bei 7,9 Prozent. 1996 waren es 8,7 Prozent.
Scholz will die Bundesagentur stärker heranziehen, um Schulabbrechern den Schulabschluss nachträglich zu finanzieren. Damit würden die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung die Kosten tragen. Seine Parteikollegin Ulla Burchardt, Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, geht aber noch einen Schritt weiter. Sie verlangt, dass die Länder Ausgleichzahlungen an den Bund leisten, um für Folgekosten schlechter Schulpolitik aufzukommen. Die Reparatur von Defiziten aus der Schulzeit kostet Deutschland jedes Jahr 3,3 Milliarden Euro. Mehr als 500 Millionen Euro werden dabei für das Nachholen des Hauptschulabschlusses oder der Herstellung von Ausbildungsreife durch Ausbügeln schulischer Mängel gezahlt. Die Länder müssten laut Burchardt viel entschiedener gegen einen vorzeitigen Schulabbruch junger Menschen vorgehen.