Heiratsmarkt Hochschule:"Nutzt eure Chance!"

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Frühling, Semesteranfang - und Studenten gehen auf die Balz. Die Universität ist für Akademiker immer noch der beste Ort, einen Partner zu finden. Wer dort leer ausgeht, hat später schlechte Karten.

J. Bönisch

"Potsdamer Informatik-Studenten erhalten Nachhilfe im Flirten" - diese Schlagzeile sorgte zu Beginn des Jahres für Aufregung: Die Leser hatten sofort dickliche, blasse und langweilige Streber vor Augen, die weitgehend "paarungsunfähig" sind. Hat die Universität etwa ihre Eigenschaft als Partnerbörse verloren, so dass der Nachwuchs schon Beistand beim Anbandeln benötigt?

Flirtende Studenten: Die Uni ist der ideale Ort für die erfolgreiche Partnersuche. (Foto: Foto: dpa)

Selbstverständlich hat sich auch die Wissenschaft mit dem Thema "Studentisches Paarfindungsverhalten" auseinandergesetzt - und gibt Entwarnung: Der Heiratsmarkt Hochschule funktioniert nach wie vor hervorragend. Der Bamberger Soziologe Hans-Peter Blossfeld kam in seiner Studie "Who Marries Whom? Educational Systems as Marriage Markets in Modern Society" (zu Deutsch: Wer heiratet wen? Bildungssysteme als Heiratsmärkte der modernen Gesellschaft) zu der Erkenntnis, dass die Uni der ideale Ort für die erfolgreiche Partnersuche ist. Die Potsdamer Informatiker wollten wohl einfach nur etwas Abwechslung in ihren drögen Vorlesungsalltag bringen.

Glaubt man also der Wissenschaft, lassen sich zwischen Hörsaal, Mensa, Bibliothek und Uni-Party immer einfacher zarte Bande knüpfen: Junge Frauen und Männer bleiben länger im Bildungssystem, der Anteil der Studentinnen wächst seit Jahren, das Geschlechterverhältnis hat sich angeglichen. Zudem begegnen sich Studenten in einer Phase, in der sie sich von ihren Elternhäusern lösen und nach einem eigenen Leben suchen.

"Da hat es dann gefunkt"

Auch Juliane hat ihren Freund Thilo an der Uni kennengelernt, an ihre erste Begegnung kann sich noch gut erinnern. In einem Politik-Seminar an der Uni Passau zum Thema "Deutschland nach der Wahl" hielt er zunächst ein Referat über die CDU - danach folgte sie mit einem Vortrag über die SPD. "Am Ende des Seminars half er mir, den Beamer einzupacken und lud mich auf einen Kaffee ein. Da hat es dann gefunkt."

Seitdem bestreiten die beiden ihr Studium gemeinsam, diskutieren Themen, unterstützen sich bei Hausarbeiten und haben einen gemeinsamen Freundeskreis - ideale Voraussetzungen für eine funktionierende Partnerschaft, bestätigt Soziologe Blossfeld. "Das nennt man Homophilie-Neigung", erklärt der Wissenschaftler. "Wir orientieren uns bei der Partnerwahl am eigenen Milieu. Was hilft es, wenn der eine immer in die Oper rennt, während der andere ständig auf dem Fußballplatz steht? Je ähnlicher der Partner uns selbst ist, desto besser gefällt er uns."

Und desto besser funktioniert auch die Partnerschaft: Kann ein Paar auf vergleichbare Erfahrungen in der Vergangenheit zurückblicken und besitzt auch eine ähnliche Vorstellung von der Zukunft, erspart es sich viel Ärger - ein Grund dafür, warum Akademiker-Paare häufiger als der Durchschnitt Gefährten fürs Leben bleiben. "Sämtliche Interaktionen laufen reibungsloser", sagt Blossfeld. "Das Paar braucht vieles nicht ausdiskutieren, es existiert ein unausgesprochenes Grundverständnis."

Auf der nächsten Seite: Warum Akademikern andere Wege der Partnersuche so schwer fallen und eine Ärztin, die mit einem Krankenpfleger zusammen ist, die große Ausnahme bildet.

Wie koordiniert man zwei Karrieren?

Diesen Vorteil wissen auch Juliane und Thilo zu schätzen. "Wir wissen ziemlich genau, wie der andere aufgewachsen ist - einfach, weil es bei einem selbst so ähnlich war", erzählt Juliane. Beide stammen aus einer westdeutschen Kleinstadt, ein Elternteil ist jeweils Lehrer, Juliane sang im Chor und Thilo erhielt Cellounterricht. Es passt, darüber sind sich die beiden einig. Ihre einzige Sorge: Wie geht es nach dem Master weiter? Was tun, wenn Juliane einen Job in Hamburg findet, Thilo aber in München?

So wie Juliane und Thilo sind junge Akademiker seit einigen Jahren mit stetig wachsenden Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen konfrontiert. Zudem ist ein befristeter Vertrag mittlerweile für viele der Normalfall, feste Stellen direkt nach der Uni sind die Ausnahme. "Es wird zunehmend schwieriger, zwei Karrieren zu koordinieren", bestätigt Soziologe Blossfeld. Das führt seiner Meinung aber nicht dazu, dass Akademiker nun seltener heiraten. Sie tun es einfach nur später - und zwar mit den Partnern, die sie an der Uni gefunden haben.

Wo sind all die Single-Akademiker?

Wer bis dahin noch alleine ist, dessen Chancen steigen, dass er es auch bleibt, das zeigen weitere Forschungsergebnisse. So ist für Akademiker das Single-Bleiben besonders wahrscheinlich, sobald sie ihren Abschluss in der Tasche haben. "Sie sind bei der Suche nach dauerhaften Freundschaften und intimen Beziehungen sehr stark auf die Institutionen und Organisationen fixiert, in denen sie arbeiten oder lernen", sagt Jochen Hirschle von der Fernuniversität Hagen. "Andere Wege der Partnersuche fallen ihnen schwer." Das Ergebnis seiner Studien: Höher Gebildete, die nach Abschluss ihrer Ausbildung keinen Partner haben oder durch eine Trennung zum Single werden, haben geringere Chancen auf eine neue Bindung.

Ebenso gebildet, ebenso viel Geld

Das betrifft besonders Frauen: Während sich Männer bei der Partnersuche auch nach unten orientieren, suchen sie sich nahezu ausschließlich Lebensgefährten, die mindestens ebenso gebildet sind und ebenso viel verdienen, lieber jedoch noch mehr. So ist ein Arzt, der eine Krankenschwester heiratet, normal. Eine Ärztin, die mit einem Krankenpfleger zusammenlebt, bildet dagegen eine große Ausnahme. "Nach der Universität sind dann einfach nicht mehr genug Single-Akademiker für alle Single-Akademikerinnen da", erklärt Blossfeld.

Blossfelds Rat an alle Studenten lautet daher: "Nutzt eure Chance!" Denn nach der Uni fällt es wesentlich schwerer, jemanden zu finden. Dann gibt es einfach viel weniger andere Singles, die passen könnten.

Wie Studenten sich bei der Suche am geschicktesten anstellen sollten, weiß der Soziologe allerdings auch nicht. Dafür müssten sie dann doch den Flirt-Kurs an der Uni Potsdam besuchen.

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