Gleichbehandlungsgesetz:"Ethik ist ein Wettbewerbsvorteil"

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Etwa 1,73 Milliarden Euro soll die Umsetzung des Gleichbehandungsgesetzes die deutsche Wirtschaft kosten. Doch die Regelungen bringen den Unternehmen auch erhebliche Vorteile.

Roland Preuß

Seit Sommer 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. In der Wirtschaftspresse wird das Regelwerk gerne mit den Schlagworten "horrende Kosten" oder "neue Gefahren" für Firmen in Verbindung gebracht. Das Gesetz verbietet die Benachteiligung im Geschäfts- und Arbeitsleben wegen Herkunft, Behinderung, Alter, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung. Die Antidiskriminierungsstelle beim Bundesfamilienministerium hat nun eine Kommission zum AGG eingesetzt, die unter Leitung des Friedrichshafener Juraprofessors Wilms am Mittwochabend zum ersten Mal tagte.

Mit Kopftuch im Büro: Disrkiminierungen aufgrund der Religionszugehörigkeit sind verboten. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Wilms, das Gleichbehandlungsgesetz hat bisher einen schlechten Ruf. Wollen Sie diesen nun aufmöbeln?

Heinrich Wilms: Wir nehmen die Bedenken der Wirtschaft ernst und ihre Klagen über höheren Bürokratieaufwand. Diese Einwände wird die Kommission wissenschaftlich untersuchen. Zugleich wollen wir den Firmen aber auch klarmachen, dass sich ethisches Verhalten lohnt. Das kann man schon daran sehen, dass Unternehmen mit positiven Ethik-Bewertungen in Börsen-Indizes wie dem Dow Jones Sustainability Index besser abschneiden. Nehmen Sie das Thema Umweltschutz, hier richtet sich die Wirtschaft schon länger danach aus.

SZ: Bei den Unternehmen herrschen aber Klagen über zusätzliche Lasten wie Mitarbeiter-Schulungen vor. Was halten Sie von dem Gutachten von Arbeitgeberverbänden, das die Kosten des Gesetzes für die deutsche Wirtschaft auf 1,73 Milliarden Euro beziffert?

Wilms: Natürlich ist Gesetzgebung immer mit Kosten verbunden. Genau das wollen wir auch untersuchen. Dem Ergebnis möchte ich jetzt nicht vorgreifen. Wir werden aber Verbesserungsvorschläge machen, wenn wir Mängel an dem Gesetz feststellen.

SZ: Welchen konkreten Nutzen stellen Sie dem Aufwand ethischen Managements entgegen?

Wilms: Zum einen können ethische Richtlinien zur Befriedung im Unternehmen beitragen, weil Diskriminierung oft zu Streit im Betrieb führt. Und junge Bewerber fragen sich: Möchte ich in diesem Unternehmen unter diesen Bedingungen arbeiten? Zum anderen geht es um die Außenwirkung. In der Öffentlichkeit wird es immer mehr zum Thema, ob ein Unternehmen Männer und Frauen gleich behandelt oder ob das Management vielfältig besetzt ist. Wir müssen auch an das Bild im Ausland denken, mit dem wir ja stark verflochten sind. Die Wirtschaft soll erkennen, dass sie Vorteile hat, wenn Pluralität in Unternehmen gelebt wird.

SZ: Ein Exportunternehmen würde also leiden, wenn beispielsweise in Indien bekannt wird, dass es keine Inder einstellt?

Wilms: Ich möchte es lieber positiv wenden: Wenn das Unternehmen sagen kann, bei uns arbeiten Menschen aus vielen Nationen, dann trägt das zum Imagegewinn bei - auch im Ausland. Wenn das viele Unternehmen machen, trägt das zum Imagegewinn des Landes bei. Ethik im Unternehmen ist ein Wettbewerbsvorteil.

SZ: Also faires Wirtschaften als Verkaufsargument?

Wilms: Ein Unternehmen verkörpert auch Werte wie Umweltschutz. Heute gehört da Internationalisierung und Vielfalt der Kulturen dazu. Solch ein Unternehmen wird erheblich mehr Kunden gewinnen als andere. Nehmen Sie die mit dem Nobelpreis prämierte Vergabe von Kleinkrediten an Arme in Entwicklungsländern. Wenn dies eine deutsche Großbank gemacht hätte, welch positive Ausstrahlung hätte das gebracht - bei recht wenig Aufwand. Die deutsche Wirtschaft hat diese positive Ausstrahlung noch nicht erkannt. Doch selbst an den Börsen zahlt sich ein sauberer Ruf aus.

SZ: Weil auch Fonds mehr und mehr auf die Einhaltung von Ethik-Richtlinien dringen?

Wilms: Ja, den Trend zu ethischen Geldanlagen sehe ich ganz klar. In den USA machen das die Pensionsfonds schon länger und bewirken eine größere Börsennachfrage bei bestimmten Unternehmen.

SZ: Inwieweit haben Sie die Wirtschaftsverbände schon für Ihre Kommissionsarbeit gewinnen können?

Wilms: Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Martina Köppen, hat inzwischen mit Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft gesprochen. Wir reden miteinander, auch wenn sie nicht in dem Gremium vertreten sind. Die Kommission ist ja als Gremium von Wissenschaftlern angelegt - Juristen, Ökonomen und Philosophen. Bei Bedarf können wir weitere Experten hinzuziehen.

SZ: Wer soll kontrollieren, ob die weiße Weste einer Firma nicht Heuchelei ist?

Wilms: Wie beim Umweltschutz auch wird es Leute geben, die eine Fairness nur behaupten. Allerdings vertraue ich da auf den Markt, denn es wird Analysten geben, die das prüfen und darüber berichten. Allein daraus ergibt sich schon ein starker Anreiz.

© SZ vom 16.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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