Führungsspitzen:Sitzen für den Status

Lesezeit: 2 min

In den meisten Firmen gilt: Wer länger in Konferenzen hockt, gilt als wichtig.

Nicola Holzapfel

Es gibt im Arbeitsalltag keinen erlösenderen Satz als: "Die Besprechung fällt aus." Würden es die deutschen Bürokonventionen erlauben, dann würde, wer ihn zu hören bekommt, spontan "Super!" ausrufen. Das Gefühl, das ein abgesagte Konfernz auslöst, ist nur dem aus der Schulzeit zu vergleichen, wenn unverhofft die Latein-Prüfung ausfiel oder es tatsächlich das ersehnte Hitzefrei gab. Zwar dürfen Manager wie Mitarbeiter nicht wie die Schüler in einem solchen Fall jubelnd aus dem Firmentor hinausrennen, sondern müssen sich wohl oder übel wieder auf ihren Schreibtischstuhl zurückziehen. Aber alles ist besser, als wieder in einer Besprechung zu sitzen.

Männer im Meeting: Die Sitzungen dauern deutlich länger als nötig, und dabei kommt zugleich deutlich weniger heraus als erhofft. (Foto: Foto: iSockphoto)

Das Schlimme an Meetings ist ihre Häufigkeit. Sie finden ständig in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Räumen statt. Je höher die Hierarchie, desto stärker bestimmen sie den Arbeitsalltag. In manchen Positionen gehen 90 Prozent der Arbeitszeit damit drauf, mit anderen Menschen um runde, graue Tische zu sitzen. Die anderen zehn Prozent - oder 50 und mehr Prozent, wenn man die Überstunden dazuzählt - bleibt dann Zeit, das Treffen nach- oder weitere Besprechungen vorzubereiten - und für die eigentlichen Aufgaben wohl da wenig Zeit.

Das Gute an Konferenzen ist ihre Außenwirkung. Ihnen hängt der Nimbus an, die Teilnehmer seien irgendwie wichtig. Das Meeting ist geradezu ein Statussymbol. Wer in der Besprechung sitzt, entscheidet oder wird offenbar zumindest gebraucht, um Entscheidungen fällen zu können. Die anderen, die draußen bleiben, müssen ausführen. Und doch ist das Arbeitsleben dieser "Sitzologen" alles andere als beneidenswert. Denn schlimm ist nicht nur die Häufigkeit, in der Meetings in gewissen Kreisen stattfinden. Schlimm sind auch die meisten Besprechungen an sich.

Dröge Powerpoint-Präsentationen

Das beginnt mit der räumlichen Situation. Ein Besprechungszimmer mit Tisch und Stühlen und eine verschlossene Tür. Eingesperrt. Die Teilnehmer überkommt ein Gefühl wie in einem vollen Fahrstuhl oder auf einem Langstreckenflug. Sie können nicht einfach aussteigen, wann es ihnen beliebt. Stattdessen sind sie den Plänen - soweit vorhanden - des Konferenz-Leiters ausgesetzt und verstricken sich in komplizierten zwischenmenschlichen Machtwerken, bei denen es häufiger darum geht, etwas zu sagen, was gut wirkt, oder Recht zu behalten, zu verbergen, was man nicht weiß, oder zu vermeiden, eine Aufgabe aufgebrummt zu bekommen, als darum, etwas voranzubringen. Unterbrochen werden diese Fassadenspielchen nur von drögen Powerpoint-Präsentationen, die immerhin die Möglichkeit bieten, mal auf die Wand zu schauen, statt in die Gesichter der Anwesenden.

Dieses seltsame Gebaren der Beteiligten führt leider zu einer beklagenswerten Ineffizienz: Die Sitzungen dauern deutlich länger als nötig, und dabei kommt zugleich deutlich weniger heraus als erhofft. Weil das allseits bekannt ist, gibt es hin und wieder Versuche, dem Besprechungsgau vorzubeugen. Experimentierfreudige Besprechungsleiter fordern dann zu auflockernden Übungen auf wie assoziatives Kärtchen ausfüllen oder gemeinsam "Tschaka" rufen. Das führt immerhin dazu, dass sich die Teilnehmer nun nicht mehr nur wie im Fahrstuhl fühlen, sondern mehr wie im Kasperltheater und nur noch auf die befreienden Worte warten: "Das war es dann für heute". Ein nachgeschobenes "bis zum nächsten Mal" überhören sie am liebsten. Es könnte ja sein, dass das Treffen auch mal ausfällt.

© SZ vom 5.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: