Führungsspitzen:Peinlichkeiten der Alphatiere

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Wie kommt der Durchschnitts-Chef eigentlich zu Schweißflecken? Die Missgunst wispert: höchstens beim Golfen. Es gibt indessen noch andere Möglichkeiten.

Hermann Unterstöger

Kürzlich versandte eine Agentur die Meldung "Chef mit Schweißflecken?" Bei näherer Prüfung handelte es sich um den Werbetext für ein schweißhemmendes Kosmetikum mit "einzigartiger Beautyformel". Trotzdem riss allein die Überschrift den ganzen Horizont berufsbedingten Schwitzens auf, ein übrigens keineswegs peinliches Panorama, da in seiner Mitte in leuchtenden Lettern geschrieben steht, was seit Adam und Eva respektive seit Schiller als Kern aller Arbeitsethik gilt: "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen" und "Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß".

Schweißfleck: Die Chefs müssten am meisten schwitzen, weil sie nicht nur zoologisch zu den Primaten gehören, sondern sich auch im übertragenen Sinn gern als Primaten bezeichnen lassen. (Foto: Foto: iStock)

Letzteres ist aus dem Lied von der Glocke, und da dieses Gedicht heute möglicherweise nicht mehr jeder kennt, sei daran erinnert, dass die Schweißstirnen beim Glockengießen entstehen, einem anerkannt heißen Job. Der Schweiß war also immer eine Sache der Werktätigen, ihr Privileg, wenn man so will, und der Volksmund tat mit Sprüchen wie "Maurerschweiß steht hoch im Preis" das seine dazu, um den Stolz auf diese Sorte Schweiß am Leben zu erhalten.

Andererseits ist, wie das Lexikon lehrt, die Fähigkeit zu schwitzen allen Primaten gegeben, den Halbaffen, Affen und Menschen. So gesehen, müssten die Chefs am meisten schwitzen, weil sie nicht nur zoologisch zu den Primaten gehören, sondern sich auch im übertragenen Sinn gern als Primaten bezeichnen lassen, als Herren- oder Alphatiere. Gerade sie können jedoch das Schwitzen am wenigsten ausleben. Der erwähnten Meldung zufolge ist nämlich der Schweißgeruch eine "echte Kontakt- und Spaßbremse", und wer wollte leugnen, dass zumindest das Knüpfen von Kontakten zu ihren Hauptaufgaben gehört?

Transpiration einer Spaßbremse

Was den Spaß anlangt, so sind die Signale aus den höheren Etagen diffus. Zwar behaupten die meisten Chefs, dass ihr an sich mörderischer Job auch mächtig viel Spaß mache und dass sie, wäre dies nicht so, längst "weg vom Fenster" wären. Ebenso oft kann man von ihnen aber auch hören, dass ihre Arbeit alles andere als "vergnügungssteuerpflichtig" sei, und wenn sie das sagen, folgt nicht selten der halb vorwurfsvolle, halb verzweifelte Satz: "Ich bin doch nicht euer Clown!" Zugegebenermaßen spielt bei diesen Formen von Spaß oder Nichtspaß die Transpiration keine Rolle, jedenfalls nicht die einer Spaßbremse. Dafür müsste man auf die halbdienstliche Ebene der Betriebsfeiern hinuntersteigen, bei denen manche Chefs sich berufen fühlen, den Spaßmacher zu geben. Seltsamerweise geraten bei solchen Gelegenheiten eher die Untergebenen als die Chefs ins Schwitzen, und es dauert oft ziemlich lang, bis die Spaßbremse so "greift" wie es im Interesse des Betriebsfriedens wünschenswert ist.

Wie kommt der Durchschnitts-Chef eigentlich zu Schweißflecken. Die Missgunst wispert: höchstens beim Golfen. Es gibt indessen noch andere Möglichkeiten. Eine davon ist aus der Frühzeit des Bayerischen Fernsehens überliefert. Damals sollte das Pontifikalamt aus einem Dom übertragen werden, und zu diesem Zweck musste lange eingeleuchtet werden. Zeugen zufolge saß der Bischof, ein alter Herr, mit Engelsgeduld im heißen Licht der riesigen Lampen, und diese Zeugen hörten dann auch, wie sich ein Mitarbeiter endlich erbarmte. "Macht's doch amoi de Lampn aus", rief er, "da Exzellenz schwitzt ja scho wiar a Sau!" Kerniger ist selten ein Chef belobigt worden.

© SZ vom 11.2.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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