Führungsspitzen:Lass die Angestellten meckern

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Die Deutschen sind unzufrieden bei der Arbeit, sagen Studien. Die Chefs wissen das - und geben noch mehr Umfragen in Auftrag. Hauptsache, die Beschäftigten haben das Gefühl, es interessiert sich jemand für ihre Probleme. Aber ändert das etwas am Arbeitsalltag?

Alexandra Borchardt

Gegen ein bisschen Unzufriedenheit ist überhaupt nichts einzuwenden. Hätte sich Johannes Guttenberg dereinst nicht über die viele Schreiberei geärgert, er hätte wohl nie den Buchdruck erfunden. Hätte sich Melitta Bentz mit Krümeln im Kaffee arrangiert, wäre ihr nie die Idee mit der Filtertüte gekommen. Und es mag tatsächlich der Ärger über lose Nägel in der Wand gewesen sein, der Artur Fischer zur Entwicklung des Dübels getrieben hat. Dass die Deutschen ein Volk mit Hang zum Jammern sind, dürfte mancher Erfinderkarriere Schwung verliehen haben.

Die Deutschen sind unzfrieden im Job - und die Chefs wissen das. (Foto: iStockphoto.com)

So betrachtet könnten sich die Chefs deutscher Unternehmen eigentlich freuen: Attestiert ihnen doch eine Umfrage nach der anderen, wie unzufrieden viele Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz sind. Da ist zum Beispiel die Universität Duisburg Essen. Deren Wissenschaftlern zufolge hat die Arbeitszufriedenheit in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen. Auf einer Skala von null bis zehn betrug der Wert für die deutschen Beschäftigten 2009 gerade noch 6,8; ein Vierteljahrhundert früher hatte es noch für 7,6 gereicht.

Europaweit seien nur noch Beschäftigte in der Slowakei, der Ukraine, Bulgarien und Russland unglücklicher mit ihren Jobs, so die Uni. Bei der Deutschen Bahn gaben kürzlich in einer internen Umfrage sogar 70 Prozent aller Mitarbeiter an, mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden zu sein. Selbst den Fahrgästen dürfte es bessergehen.

Alles halb so ernst, sagt so manch ein Chef dazu. Denn wie er weiß, gilt für viele dieser Erhebungen das Prinzip: Wer viel fragt, bekommt viel Antwort. So zaubert fast jeder frisch berufene Personalleiter aus seinem Handwerkskasten die Mitarbeiterumfrage hervor, weil sie ihre Wirkung niemals verfehlt. Bislang ist noch jedem Beschäftigten etwas eingefallen, was er dringend verbessert haben möchte, erkundigt sich endlich mal jemand nach seinem eigenen Befinden.

Und der Personaler freut sich, wenn er ein, zwei Jahre später ein um 0,2 Prozentpünktchen gestiegenes Wohlbefinden vorlegen kann. Ähnliches treibt die Beratungsfirmen, die in Umfragen regelmäßig Abgründiges zur Mitarbeiterbefindlichkeit zutage fördern. Schließlich sind nur dort dicke Aufträge zu holen, wo Zahlen ein betriebliches Drama belegen.

Das heißt nicht, dass Chefs die Klagen ignorieren sollten. Statt Fragebögen zu wälzen, wäre es jedoch effektiver, würden Führungskräfte einfach mehr mit ihren Leuten reden. Und das tun sie zu selten. Nach einer Erhebung der Personalberatung Rochus Mummert hat jeder dritte Beschäftigte in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr mit seinem Vorgesetzten über berufliche Perspektiven gesprochen. Bei jedem zweiten liege das letzte Personalgespräch mehr als zwölf Monate zurück. Dies werde als fehlende Wertschätzung wahrgenommen, urteilen die Berater.

Dabei müssten sie wissen, warum Führungskräfte solche Zwiegespräche meiden: Sie haben oft nichts zu sagen. Hofft der direkt Unterstellte auf den Aufstieg, hofft er vergebens - schließlich ist der Chef selbst schon der Chef. Will sich der Leistungsstarke verändern, kommt auch das ungelegen; er wird dringend auf seinem Job gebraucht. Hat der nur Halbstarke Wünsche, müsste der Chef ihm offenbaren, dass er kaum dort genügt, wo er ist - in Sachen Wertschätzung kein echter Schub. Also wird geschwiegen. Soll der neue Personaler lieber mit seiner Umfrage kommen.

© SZ vom 22.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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