Führungsspitzen:Elternabend - dagegen sind Meetings Wellness

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Einschlaf-Monologe und Power-Point-Karaoke: Schreckliche Meetings bringen Arbeitnehmer regelmäßig an ihre Grenzen. Die schlimmsten Konferenzen finden aber in der Schule statt.

Nicola Holzapfel

Ein Vorteil des Älterwerdens ist, dass sich manches relativiert. Schreckliche Meetings, zum Beispiel. Sitzt man in einem solchen, ist eine bewährte Methode, die einen davor bewahrt, seine Fluchtgedanken in die Tat umzusetzen: sich an noch viel schrecklichere Veranstaltungen zu erinnern. Was wurde da nicht alles schon geboten - Power-Point-Karaoke, Einschlaf-Monologe und wundersame Inszenierungen, bei denen aus freundlichen Kollegen wütende Rumpelstilzchen wurden.

Zeit für den Auftritt: Wer seine Karriere strategisch vorantreibt, muss oftmals in eine Rolle schlüpfen. (Foto: iStockphoto)

Die schlimmsten Sitzungen finden, wie Mitarbeiter mit Kindern wissen, aber sowieso nicht im Büro, sondern in der Schule statt. Dort heißen sie Elternabende und sie erfüllen alle Voraussetzungen für unangenehme Stunden: unterschiedliche Interessen, emotionale Verstrickungen sowie Teilnehmer, die in psychologischer Gesprächsführung geschult sind ("Also, ich glaube, das tut uns allen nicht gut, wenn wir jetzt weiter darüber reden"). Dagegen ist selbst ein nerviges Büromeeting auf einmal ganz erträglich.

Leider gibt es noch einen ganzen Haufen anderer Unannehmlichkeiten im Büroalltag. Dazu zählen manche Chefs, aber auch die Pflicht, Verwaltungsformulare ausfüllen, Abschlussberichte schreiben oder telefonisch Absagen überbringen zu müssen. Weil sich daran nun mal nichts ändern lässt, entwickeln die meisten Kollegen im Lauf der Jahre Strategien, um damit zurecht zu kommen. Wer es sich leisten kann, delegiert, die andern schieben auf. Mit etwas Durchhaltevermögen lösen sich manche Dinge durchs Aussitzen von allein.

Diese Aufschieberitis, auch Prokrastinieren genannt, ist so verbreitet, dass es sogar Selbsttests im Internet dazu gibt. Trifft etwa die Aussage zu: "Ich muss mich oft furchtbar beeilen, um Dinge rechtzeitig fertigzubekommen" oder eher: "Ich erledige meine Aufgaben regelmäßig jeden Tag"? Wer Pech hat, erhält am Ende allerdings die Diagnose einer "depressiven Verstimmung".

Das dürfte jedoch die Ausnahme sein. Weiß doch jeder, wie glücklich der Job macht - und gesund ist er auch noch, wie erst kürzlich amerikanische Forscher herausgefunden haben. Geübte Prokrastinierer sind der beste Beweis dafür: An Tagen, an denen sie nicht das tun, was sie eigentlich tun sollten, sind sie gelöst und fröhlich. Erst wenn der Termindruck steigt, werden sie nervös, was sich jedoch nicht auf ihre Laune niederschlägt, sondern sich in seltsamen Übersprungshandlungen bemerkbar macht:

Sie fangen dann an, ihre Ablage zu sortieren oder den Bildschirm zu putzen. Erst in der allerletzten Minute fügen sie sich in ihr Schicksal und erledigen, was sie schon lange hätten erledigen sollen.

Und dann gibt es Kollegen, die genau das Gegenteil tun: Haben sie etwas vor sich, was ihnen eigentlich verhasst ist, so stürzen sie sich geradezu auf die Aufgabe. Mit einem unglaublichen Perfektionismus, der fast schon ans Masochistische grenzt, wollen sie der Sache Herr werden. Das Schlimmste, was ihnen dabei passieren kann, ist, auf einen Prokrastinierer angewiesen zu sein.

Schon besser ist die Kombination Aufschieber und Gschaftlhuber. Während der Aufschieber noch gar nicht über die anstehende Aufgabe nachdenkt, so fern scheint sie ihm, hat der Gschaftlhuber schon alles erledigt. Dem Perfektionisten ist er deswegen ein Rätsel. Dabei hat er doch das Zeug zum Vorbild: Fängt man so wie er einfach an, zum Beispiel, den Artikel zu schreiben, ist auf einmal die letzte Zeile schon geschafft.

© SZ vom 18.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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