Mehr als Verwahrung
Doch mit welchen Stellschrauben würde eine bessere Finanzmechanik arbeiten? Günter Krauß, Geschäftsführer des Instituts Iska, berät die Stadt München seit einigen Jahren. Sein jüngstes Gutachten wird der Stadtrat an diesem Dienstag diskutieren. Darin schlägt Krauß eine schlichte Formel vor, die das heutige System ersetzt. Mehr Geld gäbe es Kinder unter einem Jahr, für behinderte Kinder und solche mit besonderem, von Sozialbehörden festgestelltem Hilfebedarf. Mehr Geld gäbe es auch, wenn ein Kindergarten an einem Ort liegt, wo besonders viele Eltern geringe Einkommen und wenig Bildung haben. Mehr Geld gäbe es für elternfreundliche Ferienregelungen mit wenigen Schließungstagen sowie für innovative Konzepte.
Die beschriebene Kita mit 17 Migrantenkindern könnte nach der Münchner Förderformel deutlich höhere Zuschüsse erwarten: Wenn dieser Kindergarten in einem Stadtteil liegt, in dem viele arme Eltern wohnen, erhält er nach einer Beispielrechnung von Krauß für diese eine Kita-Gruppe weitere 40.000 Euro. Mit dieser enormen Summe wäre vieles möglich, was über Betreuung und Verwahrung hinausgeht: Vorlesen und basteln in kleinen Gruppen, anregende Ausflüge, intensive Betreuung einzelner Kinder wie auch die Einstellung von ausreichend qualifiziertem Personal. Wobei Krauß betont, dass dies nur eine Beispiel-Rechnung ist, weil letztlich der Stadtrat entscheiden muss: "Das Schöne an einer solchen Formel ist, dass man politisch transparent festlegen kann, was man für förderungswürdig hält und was nicht."
Die "Münchner Förderformel" wird am heutigen Dienstag noch nicht beschlossen. Ein Jahr lang wolle man mit den Betroffenen diskutieren, sagt Strobl. Denn die Bürgermeisterin ahnt, dass die Finanzrevolution nicht nur Begeisterung auslösen wird: Jede Institution fragt erst einmal, ob sie im neuen System schlechter gestellt ist als im alten. Der Zuspruch in künftig bevorzugten ärmeren Quartieren wird begrenzt bleiben - weil sich Eltern dort wenig dafür interessieren, weil ihnen die Zeit fehlt und oft auch die Ahnung, wie sie ihre Interessen durchsetzen. Die Kritik der Mittelschicht aber kann gewaltig werden: Wieso kriegt eine Kita im Hasenbergl so viel mehr Geld als der Waldkindergarten der Akademiker-Eltern im vornehmen Münchner Süden? "Auf diese Kritik bin ich vorbereitet", sagt Christine Strobl. "Wenn der Stadtrat das beschließt, muss man da durch."
Und wenn es ganz schlimm wird, muss wohl der Kämmerer helfen. Dann wird so viel Geld ins System gepumpt, dass die zürnende Mittelschicht zumindest nicht schlechter gestellt wird als zuvor. Auch das wäre sicherlich kein Nachteil: Noch immer gibt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich extrem wenig für frühkindliche Bildung aus - in Dänemark zum Beispiel ist der Betrag pro Kind viermal so hoch.