Freiwilligendienst:Sprungbrett in den Job

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Von Bildungsarbeit bis hin zu Ozeanforschung: Mit dem freiwilligen ökologischen Jahr kann man frühzeitig die Weichen für eine grüne Karriere stellen.

Von Theresa Tröndle

Während zwölf Jahren Schulbank und zahlreichen Klausuren und Referaten wächst bei vielen Abiturienten der Wunsch nach etwas Praktischem. Noch dazu wissen einige schon während der letzten Abschlussprüfungen fürs Abi genau, was sie beruflich wollen - einen Job im Dienst des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Für sie sind das freiwillige ökologische Jahr (FÖJ) und das freiwillige soziale Jahr in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit (FJN) eine Option, weil man sich auf diese Weise in Ruhe umschauen und schon früh die Weichen für eine entsprechende berufliche Laufbahn stellen kann.

Anna Lina Schneider aus Kiel jobbte nach dem Abi erst mal und bewarb sich dann für ein FÖJ. "Ich wusste zu der Zeit, dass ich etwas Soziales und Ökologisches studieren möchte, hatte aber keine Vorstellung, welche Möglichkeiten es gibt", erzählt die 21-Jährige. Seit August 2019 ist sie in der Bildungsarbeit im Verein Grünes Haus in Eckernförde in Schleswig-Holstein tätig, wo die junge Frau Kinder und Jugendliche betreut: Sie stellt mit ihnen Bienenwachstücher her, bemalt Stoffbeutel oder organisiert Stadtrallyes zum Thema Nachhaltigkeit.

Schneider ist eine von jährlich circa 3000 jungen Menschen in Deutschland, die sich für ein FÖJ entscheiden. Angebote dafür gibt es inzwischen in allen Bundesländern. Der Dachverband Förderverein Ökologische Freiwilligendienste (FÖF) koordiniert die 52 Träger. Die Tätigkeiten beim FÖJ sind vielseitig. "Das 'Ö' steht nicht für Ökologie im engeren Sinne, sondern ist viel weiter gefasst", sagt Dirk Hennig, Vorsitzender des Dachverbands FÖF. In Umweltlaboren können die Freiwilligen an der Seite von Wissenschaftlern mitarbeiten. Sie untersuchen Gewässer oder helfen bei der Erforschung von resistenten Arten im Weinbau, um Weinreben chemiefrei zu kultivieren. Bei der Landeszentrale für Umweltaufklärung in Rheinland-Pfalz touren die FÖJler mit einem Kochbus durchs Land und kooperieren dabei zum Beispiel mit Kindergärten oder Schulen. Sie besorgen Lebensmittel aus ökologischem Anbau und bereiten daraus klimafreundliche Gerichte zu.

Auch für junge Erwachsene, die sich für Medien und Kommunikation interessieren, werden FÖJ-Stellen angeboten. Zum Beispiel beim Offenen Kanal in Ludwigshafen, wo Freiwillige selbst ökologische Sendungen produzieren können. Weitere Tätigkeiten gibt es im Bereich Naturschutz und Biotoppflege, nachhaltige Entwicklung und im technischen Umweltschutz. Egal, welches Spezialgebiet man wählt, die Kontakte, die die Teilnehmer knüpfen, öffnen häufig die Türen für einen festen Job.

Jeder Freiwillige erledigt eigenständig Routineaufgaben - in einem Zoo ist das etwa die Pflege der Tiere. Zudem unterstützt er die Arbeit der Einsatzstelle und setzt ein eigenes wissenschaftliches Projekt um. "Im vergangenen Jahr hat eine Freiwillige auf einem ökologischen Bauernhof eine Wildblumenwiese gesät und einen Bienenkasten aufgebaut", sagt Hennig.

Die Idee zu einem FÖJ entstand 1986, als Bilder des Waldsterbens und der Reaktorunfall von Tschernobyl die Gesellschaft schockierten. Das FÖJ ist dem freiwilligen sozialen Jahr (FSJ) gleichgestellt, das es in vielen Formen gibt. Eine davon ist das FJN, das erstmals im Jahr 2011 angeboten wurde - in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Sachsen und Berlin. Nach und nach folgten weitere Bundesländer mit entsprechenden Möglichkeiten.

Sowohl das FÖJ als auch das FJN sind über das Jugendfreiwilligendienstegesetz (JFDG) geregelt. Ob man sich mit Abitur, Haupt- oder Realschulabschluss bewirbt, ist egal. Wichtig ist, dass man zwischen 16 und 26 Jahren alt ist. Das Taschengeld variiert, im Durchschnitt sind es knapp 200 Euro. Dazu kommen verschiedene Zusatzleistungen wie ein Miet- oder Verpflegungszuschuss. Insgesamt erhalten die Freiwilligen rund 400 Euro pro Monat. Die Zahlung des Kindergeldes läuft dabei weiter. Regulär dauert der Dienst zwölf Monate. In Ausnahmefällen ist aber auch eine Verkürzung auf sechs Monate oder eine Verlängerung auf bis zu 24 Monate möglich. 2019 trat ein Gesetz in Kraft, nach dem FSJ, FÖJ und der Bundesfreiwilligendienst auch in Teilzeit absolviert werden können. Das sei aber als Ausnahme gedacht, sagt Hennig. "Für Menschen mit Behinderung, einer schwierigen Familiensituation oder einer psychischen Erkrankung."

Franka Freytag entschied sich nach ihrem Abitur für ein FJN am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), das sie vor Kurzem abschloss. Der 19-Jährigen war schon vor dem Abi klar, dass sie ein Fach im Mint-Bereich studieren möchte, wusste aber nicht genau welches. Vom FJN erfuhr sie in der zehnten Klasse auf einer Berufsorientierungsveranstaltung. Freytag arbeitete in der Sektion Chemie. "Ich habe dort geholfen, wo ich gebraucht wurde, dadurch bekam ich Einblicke in alle Bereiche", sagt sie. Ihre Aufgaben reichten vom Aufräumen des Labors bis zur Untersuchung von Proben: "Ich habe Chlorophyll-Proben aus dem Südchinesischen Meer analysiert. Aus den Daten können Wissenschaftler schließen, wie die Algen auf Umweltfaktoren reagieren."

Insgesamt fünf Wochen Seminare sind sowohl für das FJN als auch das FÖJ vorgesehen. Zu ihnen gehören auch Exkursionen. Die Teilnehmer können Institutionen, die sie gerne besuchen möchten, vorschlagen oder Themenimpulse geben. "Eine Freiwillige hat zum Beispiel mal einen Nachmittag zum Thema Fairer Handel anhand von Schokolade gestaltet", sagt Kai Ramin, der die Einsatzstellen in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg und Hamburg koordiniert. Auch beim FÖJ sind die Seminare praktisch orientiert - etwa in Form eines Planspiels mit der Frage, wie die Energieversorgung der Zukunft in Europa aussehen könnte.

Wer sich für ein FJN entscheidet, steht vor einer breiten Auswahl. Am Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel unterstützen die Freiwilligen die Wissenschaftler bei der Forschung zum Methanvorkommen in der Ostsee. Ab und zu gibt es dort sogar die Möglichkeit, auf einem Forschungsschiff mitzufahren. Auch auf Helgoland arbeiten die Freiwilligen nahe am Wasser. Zu den Aufgaben in der Forschungseinrichtung, die zum Alfred-Wegener-Institut - Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung - gehört, zählen: Strandwanderungen und -reinigung mit Schulgruppen und die Mitarbeit in der Zentralwerkstatt. "Die Stelle auf Helgoland setzt sich aus handwerklichen und pädagogischen Tätigkeiten zusammen, eine beliebte Kombination", sagt Ramin.

Schneider wusste bereits nach der Hälfte ihres FÖJ, das in diesem Monat endet, sicher, dass sie in der Bildungsarbeit tätig werden möchte. Ihre Beschäftigung mit fairem Handel, klimabewusster Ernährung und der Produktion von Kleidung, hat sich auf ihren Alltag ausgewirkt: "Mittlerweile trage ich nur noch Secondhand-Kleidung, ich bin Vegetarierin geworden, lebe plastikfrei und kaufe nur noch regional ein", sagt sie.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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