Flexibilität gefordert:"Es beginnt um die dreißig"

Lesezeit: 2 min

Auch Schauspieler müssen sich weitere berufliche Standbeine suchen.

Interview von Christine Demmer

In den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begann Jutta Wiegmann, Germanistin, Politologin und promovierte Philosophin, bundesweit Weiterbildungslehrgänge für professionelle Schauspieler und später auch für Film- und Fernsehschaffende zu entwickeln. 1997 gründete sie das ISFF Institut für Schauspiel, Film- und Fernsehberufe in Berlin, das heute zur Volkshochschule Berlin-Mitte gehört. Wiegmann beschreibt die Möglichkeiten, die Schauspieler haben, wenn Auftritte nicht genug Geld zum Leben einspielen.

SZ: Was hat sich grundlegend geändert?

Jutta Wiegmann: Vor 25 Jahren hatten viele Schauspieler noch eine Festanstellung. Heute sind sie überwiegend zeitlich befristet tätig. Neben Talent sind etliche Facetten des Berufs gefragt, viel Flexibilität und die Bereitschaft, ständig dazuzulernen.

Von welchem Zeitpunkt an sollten Schauspieler ernsthaft daran denken, Fähigkeiten zu erwerben, die ihnen im Zweifelsfall aus dem Schauspiel-Beruf heraushelfen?

Nachdem sie nach dem Studium ihre ersten beruflichen Erfahrungen gesammelt haben. Denn die Konkurrenz, wie man so schön sagt, schläft nicht, und der Arbeitsmarkt ist hart umkämpft.

Heißt das doppelte Belastung - tagsüber lernen und abends auf die Bühne?

Zwischen den Engagements melden sich viele Schauspieler arbeitslos. Was läge da näher, als diese Zeit für eine berufliche Weiterbildung zu nutzen? Schauspieler können es sich heute in der Regel nicht leisten, nur auf der Bühne stehen zu wollen. Heute müssen sie multifunktional gebildet sein. Man darf sich nicht nur auf das Segment Theater fokussieren. Neben der Bühne, dem Film, dem Fernsehen gibt es noch das Mikrofonsprechen, unter anderem für Nachrichten, Hörspiel und Hörbuch. Auch das Synchronsprechen ist eine wichtige Einnahmequelle. Viele Schauspieler übernehmen die deutsche Stimme von ausländischen Akteuren. Insofern sind sie oft selbständige Unternehmer. Es ist ein Segen, dass zertifizierte Lehrgänge in den Bereichen Filmschauspiel, Synchron- und Mikrofonsprechen sowie Theater von der Arbeitsagentur gefördert werden.

Von welchem Alter an wird es für Schauspieler auf der Bühne und vor der Kamera wirklich kritisch?

Es beginnt um die dreißig herum, wenn man dann nicht schon ein Star geworden ist. Um mithalten zu können, muss man viel aufbieten.

Welche Weiterbildungen werden am stärksten nachgefragt?

Castingtrainings auf nationaler und internationaler Ebene sowie das Camera Actors Studio, ein umfassendes Kamera-Training für Schauspieler, das sich an Schauspieler richtet, die sich auch dem Film und Fernsehen zuwenden wollen. Im Fokus der Schauspielschulen steht ja meist die Ausbildung für den Theaterbereich, Film und Fernsehen ist nicht immer integraler Bestandteil. Und dann das Synchron-Mikrofon-Sprechen, das ein weiteres wichtiges Standbein für Schauspieler ist.

Nachdem man sich entschieden hat, Bühne und Set komplett zu verlassen: In welche berufliche Richtung kann es gehen?

Das kann man nicht pauschal beantworten. Es hängt von der Vorbildung, den Neigungen und den individuellen Interessen ab. Manche nehmen ein zweites Studium auf oder entscheiden sich für eine Umschulung. In jedem Fall ist es eine schwere Entscheidung, weil Schauspieler sehr an ihrem Beruf hängen. Aber nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit ist es völlig richtig, ans Umsatteln zu denken.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: