Filmfestival auf Deutschlandtour:Auf Weltreise mit digitalen Nomaden

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Die Futurale gastiert mit Dokumentationen zur künftigen Arbeitswelt in verschiedenen Städten. Das Programm ergänzen Diskussionen zum Thema.

Von Joachim Göres

Wie wollen wir künftig arbeiten? Und wie können wir uns auf die Arbeitswelt der Zukunft vorbereiten? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Filmfestivals Futurale, auf dem sieben Dokumentarfilme in 25 deutschen Städten gezeigt wurden und werden - zu den nächsten Stationen gehören Bremen, Kassel, Düsseldorf und Nürnberg.

Tim Jonischkat porträtiert in "Digitale Nomaden - Deutschland zieht aus" Menschen, die an ihrem Notebook sitzen und Aufträge über das Internet bekommen und ausführen. Im Film wird zum Beispiel Conni gezeigt, eine Frau Ende zwanzig, die nach langen Reisen rund um die Welt nach Berlin zurückkommt und einen Job in einer Werbeagentur annimmt. "Nach zwei Monaten war mir klar, dass das nicht hinhaut, mit nur 22 Urlaubstagen im Jahr. Jeden Tag zur gleichen Zeit aufstehen und nach Hause gehen, da hab' ich mich eingesperrt gefühlt", sagt sie. Als sie das erste Mal etwas von digitalen Nomaden hört, die sich selbständig machen und Dienstleistungen wie das Schreiben von Texten für Online-Fortbildungsmedien anbieten, ist sie begeistert: "Das entspricht meiner Lebensphilosophie. Von überall arbeiten zu können, überall leben zu können."

Die Studie unterscheidet sieben verschiedene Grundeinstellungen zum Thema Arbeit

Im Film "Silicon Wadi" geht es um vier Unternehmensgründer aus Tel Aviv. Die Filmemacher Daniel Sivan und Yossi Bloch verfolgen über zwei Jahre junge Software-Experten, die von ihren Erfindungen - einer Spiele-App oder einem digitalen Notebook für Studenten - so überzeugt sind, dass sie sich auf die Suche nach Kapitalgebern machen, die sechsstellige Summen investieren wollen. Am Ende kommt alles ganz anders, als sie es sich am Anfang vorgestellt haben, doch fast alle sind zufrieden, dass sie das Risiko gewagt haben.

Schöne neue Arbeitswelt also? Im Gegenteil - die Filme zeigen meist auch die andere Seite. Nicht zufällig sind es junge Leute, die ohne Kinder und in wechselnden Beziehungen als digitale Nomaden leben. In "Silicon Wadi" haben die Protagonisten zwar feste Partner und manchmal auch Kinder, aber sie sind trotz abgeschlossenen Studiums mit Mitte dreißig finanziell noch von ihren Eltern abhängig. Und sie haben alle nur ihr Projekt im Kopf, das alle Gespräche dominiert und mitunter Beziehungen zerstört. Die Filme zeigen Modelle für eine gut ausgebildete Minderheit, die sich meist selbständig machen möchte. Welche Veränderungen auf Arbeitnehmer in der Industrie, im Handwerk oder im Dienstleistungsbereich zukommen, wird indes nur selten thematisiert.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), das die Futurale veranstaltet, hat parallel zu ihr eine Studie veröffentlicht, in der 1200 Deutsche zu ihren Vorstellungen von der Arbeit der Zukunft befragt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit die in den Filmen gezeigte Zukunft fürchtet. Die Studie brachte sieben unterschiedliche Grundeinstellungen zur Arbeit zutage. Mit Abstand die meisten Befragten werden der Gruppe "Sorgenfrei von der Arbeit leben können" zugeordnet: Für 30 Prozent ist Verlässlichkeit wichtig, sie sind an einer geregelten Arbeits- und Freizeit interessiert. In dieser Gruppe liegt das Monatsgehalt häufig zwischen 1100 und 1700 Euro, es finden sich hier viele Gewerkschaftsmitglieder. Zusammen mit der Gruppe "Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen" (13 Prozent) findet sie, dass die heutige Arbeitsbelastung schon viel zu hoch ist und künftig noch schlimmer werden dürfte. Auch die Gruppe "Mit Schutz der Solidargemeinschaft arbeiten" (neun Prozent) beklagt wachsenden Arbeitsdruck - in ihr befinden sich sehr viele Menschen im Alter von mehr als 60 Jahren.

Zahlreiche Menschen befürchten, dass Weiterbildung den Konkurrenzkampf anheizt

Von einer härter gewordenen Arbeitswelt spricht auch die Gruppe "Den Wohlstand hart erarbeiten" (15 Prozent), die aber die Chance sieht, dass jeder es zu etwas bringen kann, der sich anstrengt. Kritik an der beruflichen Gegenwart, Hoffnung auf die Zukunft - diese Einstellung prägt die Gruppe "Balance zwischen Arbeit und Leben" (14 Prozent), zu der auffallend viele Hochschulabsolventen gehören. Sie setzt darauf, dass mobile Arbeit künftig Beruf und Privatleben besser unter einen Hut bringen kann. Vorbehaltlos positiv schaut nur die Gruppe "Engagiert Höchstleistungen erzielen" (elf Prozent) in die künftige Arbeitswelt. Zu ihr gehören besonders viele Menschen, die monatlich mehr als 4000 Euro verdienen und noch keine fünf Jahre arbeiten.

Diese Gruppe ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung ständige Weiterbildung verlangt und freut sich über permanente Veränderungen. Auch in den Gruppen "Sich in der Arbeit selbst verwirklichen" (zehn Prozent), "Den Wohlstand hart erarbeiten" und "Balance zwischen Arbeit und Leben" gilt Weiterbildung als selbstverständlich, um für den Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Vorbehalte und Ängste dominieren dagegen bei diesem Thema in den drei erstgenannten Gruppen, die sich als Verlierer der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sehen. Sie befürchten, dass sie den Anforderungen nicht genügen könnten und sind überzeugt, dass Weiterbildung den Konkurrenzkampf anheizt.

Spannend ist die Futurale nicht zuletzt dadurch, dass die unterschiedlichen Einstellungen nach den Filmen in der Diskussion mit Experten wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles oder Start-up-Unternehmern aufeinanderstoßen können.

Information: Vom 15. bis 21. September zeigen das City 46 in Bremen und vom 22. bis 28. September die Bali Kinos in Kassel die Dokumentarfilme aus dem Programm der Futurale. Vom 6. bis 12. Oktober präsentiert das Kino Cineplex in Bayreuth, vom 6. bis 11. Oktober das Bambi in Düsseldorf die Filme. Vom 13. bis 19. Oktober zeigt das Braunschweiger Universum Filmtheater, vom 27. Oktober bis 2. November das Filmhaus in Nürnberg die Filme. Die Futurale endet im Bambi in Gütersloh, wo sie vom 3. bis 9. November gastiert . Alle Filme werden mit Untertiteln für Gehörlose gezeigt. Der Eintritt ist frei. Nähere Informationen unter www.arbeitenviernull.de

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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