Fachhochschulen:Die Praxis im Blick

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Praktikum im Labor für Akustik und Dynamik der HM: In dem Versuch, der zum Masterstudiengang Ingenieurakustik gehört, geht es darum, wie Probanden Geräusche bewerten, was für die Soundgestaltung wichtig ist. An der Entwicklung des Studiengangs wirkte BMW maßgeblich mit. (Foto: Charel Bidoli)

Kooperationen zwischen Firmen und Fachhochschulen sind kein Muss, doch sie gewinnen an Bedeutung.

Von Bianca Bär

Eine neue Herausforderung, bessere Karriereperspektiven, ein Joballtag, in dem Langeweile kein Thema ist: Oft sind es diese Gründe, die Berufstätige dazu bewegen, ein berufsbegleitendes Studium aufzunehmen. Steht der Entschluss fest, stehen sie vor der Frage, welche Art von Bildungsinstitution eine Weiterbildung nach ihren Vorstellungen anbietet und ihnen dabei auch die nötige Praxisnähe garantiert. "Im Hinblick auf berufsbegleitendes Studium haben Fachhochschulen ganz klar die Nase vorn", stellt Sigrun Nickel fest. Sie forscht am Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zu Trends im berufsbegleitenden und dualen Studium. "Derzeit werden an deutschen Fachhochschulen zwölf Prozent der Bachelorstudiengänge und sogar 22 Prozent der Masterstudiengänge berufsbegleitend angeboten." An Universitäten seien solche Studienmodelle dagegen weit weniger verbreitet. Nur 3,2 Prozent der Masterstudiengänge kann man dort berufsbegleitend absolvieren. "Nicht einmal ein Prozent der Bachelorstudiengänge sind an Universitäten berufsbegleitend organisiert", führt die Wissenschaftlerin aus.

Dies habe vor allem mit dem ohnehin engeren Kontakt von Fachhochschulen zur Arbeitswelt sowie ihrer stärkeren Anwendungsorientierung zu tun, erklärt Nickel. "Das Alleinstellungsmerkmal von Fachhochschulen besteht seit jeher explizit in berufsvorbereitenden Studienformaten. Diese können - so zeigt es auch die aktuelle Entwicklung - unmittelbar zu berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten um- und ausgebaut werden", ergänzt Patrick Heiser von der Fernuniversität Hagen. Er beteiligt sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Qualitätsinitiative "Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die unter anderem auf die Weiterentwicklung berufsbegleitender Studiengänge abzielt. "Universitäten hingegen fokussieren stärker auf grundständige Studienangebote und binden größere Teile ihrer Kapazitäten im Bereich Forschung", fährt Heiser fort.

Berufsbegleitende Studiengänge beinhalten Nickel zufolge jedoch, im Gegensatz zum dualen Studium, nicht zwangsläufig eine Kooperation zwischen Unternehmen und Fachhochschule. "Charakteristisch für berufsbegleitende Studiengänge ist zunächst die Tatsache, dass das Studium neben der Berufstätigkeit oft auf eigene Initiative und mitunter auch ohne Kenntnis des Arbeitgebers absolviert wird. Die Studieninhalte müssen deswegen nicht unbedingt einen direkten Bezug zur Arbeit haben", sagt Nickel. Durch die Arbeit mit Fallbeispielen aus der Praxis oder mit Planspielen, die sich am Berufsleben orientieren, können die Studenten laut Nickel auf das dort erworbene Wissen zurückgreifen.

Der enge Praxisbezug zeigt sich beispielsweise im berufsbegleitendem Studium nach dem "Heilbronner Modell" - ein vom Bund-Länder-Wettbewerb "Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen" gefördertes Konzept der Hochschule Heilbronn. Innovativ am "Heilbronner Modell", das in verschiedenen berufsbegleitenden technischen und betriebswirtschaftlichen Bachelor- und Masterformaten der Hochschule angewendet wird, sind vor allem die On-the-Job-Projekte: "Fast die Hälfte der zum Abschluss geforderten Credits werden durch Projekte in den Unternehmen erbracht, in denen die Studenten beschäftigt sind", erläutert der Weiterbildungsbeauftragte der Hochschule Heilbronn, Michael Ruf. "Am Ende eines jeden Semesters präsentieren die Studierenden ihre Projekte und ermöglichen neue Sichtweisen auf praktische Probleme", fährt er fort.

Auch weniger aufwendige Fortbildungen sind gefragt. Zu ihnen gehören Zertifikatskurse

Doch es gibt auch Studiengänge, die Unternehmen von Anfang an mitgestalten. So wirkte etwa die BMW Group maßgeblich an der Entwicklung des berufsbegleitenden Masterstudiengangs "Ingenieurakustik" mit, den die Hochschule München in Kooperation mit der Hochschule Mittweida anbietet. "Im Rahmen unserer Partnerschaft mit der BMW Group haben wir gemeinsame Forschungsprojekte aufgesetzt und zu den Themen Akustik und Schwingungen ein Fortbildungsprogramm für Ingenieure und Techniker von BMW aufgebaut", berichtet Ulrich Rascher, wissenschaftlicher Leiter des Weiterbildungszentrums (WBZ) der Hochschule München (HM). Zudem kooperiert die HM für den Masterstudiengang Psychotherapie mit dem Institut für Psychotherapie am Münchener KBO-Isar-Amper-Klinikum. "Während das Institut für Psychotherapie den praktischen Teil der insgesamt dreijährigen Ausbildung für Psychologische Psychotherapeuten übernimmt, bietet die Hochschule den Weiterbildungsmaster ,Psychotherapie' an, der als theoretischer Teil der Ausbildung anerkannt wird", erläutert Rascher. Dies sorge für eine optimale Abstimmung von Theorie und Praxis.

Um den Bezug zur Praxis nicht zu verlieren, ist es unerlässlich, bei der Entwicklung berufsbegleitender Weiterbildungsangebote auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts zu reagieren. Das Weiterbildungszentrum der Hochschule München führe daher regelmäßig Konkurrenzbetrachtungen und Bedarfsanalysen durch und hole Gutachten ein, informiert Rascher. "Zunächst versuchen wir, künftige Themen zu definieren. Im Anschluss überprüfen wir, mit welchem Weiterbildungsformat wir welche Zielgruppe erreichen können", erklärt er. Dabei seien nicht nur berufsbegleitende Bachelor- und Masterstudiengänge relevant, sondern auch kleinteiligere Weiterbildungsangebote, beispielsweise Zertifikatskurse.

Gerade an derartigen, auf einen kürzeren Zeitraum ausgerichteten Zusatzqualifikationen bestehe Rascher zufolge hoher Bedarf. "Dies liegt sicher auch daran, dass etwa Ingenieure weniger Wert auf akademische Titel legen beziehungsweise ein zusätzliches Studium für sie nicht unbedingt eine Voraussetzung für eine mögliche Beförderung ist. Sie wollen aber am aktuellen Stand der Wissenschaft und angewandten Forschung teilhaben", stellt der Leiter des Weiterbildungszentrums fest. An der Hochschule München sei daher beispielsweise der einsemestrige Zertifikatskurs "Technischer Redakteur/in" so konzipiert worden, dass er neben dem Beruf studiert werden könne: in einer Kombination aus E-Learning-Kurs und Präsenzphasen in Blöcken von jeweils vier Tagen.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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