Der Blick durch die künstlichen Augen eines Fahrassistenten wirkt zunächst einmal gar nicht technisch, sondern vielmehr bunt. Was die Software als Hindernis identifiziert, wird gelb markiert. Vorbeifahrende Autos und die Straße erscheinen dagegen grün. Was das System während der Fahrt sieht und wie es seine Umwelt wahrnimmt, zeigt die aktuelle Ausstellung des Ars Electronica Center in Linz. Im österreichischen Museum der Zukunft, das seine Türen voraussichtlich Anfang Februar wieder für Besucher öffnet, kann man "künstlicher Intelligenz beim Denken zuschauen", wie es auf der Webseite heißt. "Lernende Maschinen sind schon lange keine Science-Fiction mehr", sagt Gerfried Stocker, Geschäftsführer des Museums. Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist in einer Vielzahl technischer, gesellschaftlicher und kultureller Prozesse verankert. "Wie wollen wir als Gesellschaft in die digitale Zukunft gehen?", fragt Stocker.
Mögliche Antworten kommen aus der Forschung - dem wichtigsten Motor der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Stolze 60 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen für KI listet die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte Plattform Lernende Systeme in Deutschland auf. Zudem erweitern auch immer mehr Hochschulen die Lehrangebote ihrer Fakultäten für Informatik oder rufen neue Institute ins Leben, die auf KI fokussieren. Rund 80 Studiengänge mit Bezug zu künstlicher Intelligenz sind laut dem Internetportal Hochschulkompass hierzulande bereits entstanden - und jedes Semester kommen neue Programme hinzu. So lernen KI-Interessierte unter anderem an der Berliner Beuth Hochschule für Technik, humanoide Roboter zu programmieren, bekommen an der Universität Marburg eine Grundausbildung in "Data Science" und können sich an der Technischen Universität München (TUM) für den Masterstudiengang "Robotics, Cognition, Intelligence" einschreiben, der Programmierung mit Elementen der Elektrotechnik und Mechatronik kombiniert. Mit der Gründung der Munich School of Robotics and Machine Intelligence vor zwei Jahren hat die TUM außerdem ein Forschungszentrum geschaffen, in dem Fragen zur Gesundheitstechnologie und zur Mobilität der Zukunft verhandelt werden.
"Auf dem Arbeitsmarkt steigt der Bedarf an KI-Experten, die das komplexe Thema während des Studiums nicht nur gestreift haben, sondern umfassendes Know-how mitbringen", sagt Patrick Glauner, Professor für künstliche Intelligenz an der Hochschule Deggendorf. Seit einem Jahr unterrichtet er Studierende des KI-Bachelors, der im vergangenen Wintersemester anlief. Ziel des Studiengangs sei es, Studierenden "Werkzeuge an die Hand zu geben, um künstliche Intelligenz nachhaltig verstehen und entwickeln zu können", sagt Glauner. Fächer wie Mathematik, Statistik und Programmierung bilden daher die inhaltlichen Grundlagen, auf denen Module wie Robotik, Maschinelles Lernen und Mensch-Maschine-Interaktion aufbauen. Das spezialisierte Angebot ist beliebt: Während sich im ersten Durchgang vor einem Jahr knapp 40 Studierende einschrieben, sind es im aktuellen Wintersemester bereits 90. Gleichzeitig wurde auch das Lehrpersonal im Bereich KI aufgestockt. Glauner ist einer von vier neuen KI-Professoren an der Hochschule Deggendorf. Zehn weitere sollen dort in diesem Jahr folgen. Ein wichtiger Schritt in der Nachwuchsförderung, mit dem die Bundesregierung ihrem 2018 in der "Strategie Künstliche Intelligenz" definierten Ziel näherkommt. Demnach soll in Deutschland eine "breite Verankerung der KI an Hochschulen abgesichert werden". Drei Milliarden Euro will der Bund bis 2025 für die Umsetzung der nationalen KI-Strategie zur Verfügung stellen. Mindestens 100 zusätzliche Professuren im Bereich KI sollen dadurch bundesweit entstehen.
Stark gewachsen ist auch die International Max Planck Research School for Intelligent Systems (IMPRS-IS). Dabei handelt es sich um eine der jüngsten und mit derzeit 160 Doktoranden bereits eine der größten von insgesamt 65 Graduiertenschulen der Max-Planck-Gesellschaft. Das vor drei Jahren entstandene Doktorandenprogramm ist Teil der akademischen Einheit des Cyber Valley, einer Kooperation der Universitäten Stuttgart und Tübingen mit dem Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme und verschiedenen Partnern aus der Industrie wie Bosch und Daimler. Das vom Land Baden-Württemberg geförderte Projekt ist eigenen Angaben zufolge "Europas größtes Forschungskonsortium im Bereich der künstlichen Intelligenz". Nachwuchswissenschaftler können sich dort vernetzen, um unter anderem Projekte in den Bereichen Computer Vision, einer Kombination aus Informatik und den Ingenieurswissenschaften, sowie Computational Neuroscience, einer Disziplin an der Grenze von Biologie, Physik und Informatik, voranzubringen, berichtet Leila Masri, Koordinatorin der IMPRS-IS. Der interdisziplinäre Ansatz kommt gut an: Knapp 1000 Bewerbungen aus 55 Ländern sind in der aktuellen Rekrutierungsrunde eingegangen, ein Drittel der Kandidaten ist weiblich. "Die Zahl der Bewerber ist von Jahr zu Jahr gestiegen", sagt Masri. Dennoch: "Der Anteil von Frauen im Bereich KI ist leider noch immer gering." Durch die Erweiterung der Informatik-Fachbereiche mit Spezialisierungen wie Computerlinguistik oder Medizininformatik können Universitäten zwar mehr Frauen für das Thema künstliche Intelligenz begeistern, der Grundstein für das Interesse an intelligenten Systemen müsse allerdings schon in der Schule gelegt werden, so Masri.
Die Forschung im Bereich intelligenter Systeme, wie sie an Hochschulen, Instituten und Wissenschaftszentren vorangetrieben wird, sei speziell auch "für die europäische Wettbewerbsfähigkeit von Bedeutung", merkt Stocker an. Denn KI-Kompetenz ist in den unterschiedlichsten Branchen von Vorteil. Jobangebote bekommen die Absolventen sowohl von Chipherstellern und Maschinenbauunternehmen als auch von Banken, Start-ups und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Ziel dieser Unternehmen ist es, menschliche Entscheidungsprozesse an digitale, intelligente Systeme zu übertragen.
Von Robotik über autonomes Fahren bis hin zur Sprach- und Bilderkennung: Die Spezialisierung innerhalb eines Studiums der künstlichen Intelligenz spielt eine immer größere Rolle. Auch an der Hochschule Deggendorf: Mit einem englischsprachigen Master in Data Science baut sie ihr Lehrangebot neuerdings weiter aus. Aufgrund der fortschreitenden Automatisierung werde jeder technische Studiengang das Thema künstliche Intelligenz künftig zumindest im Ansatz abdecken müssen, so Patrick Glauner. "Die Geschwindigkeit, mit der KI in alle Lebensbereiche eindringt, ist enorm", sagt der KI-Professor. "Dabei kratzen wir bisher nur an der Oberfläche des Möglichen."