Experte für Hochschulthemen:"Es droht kein Massenansturm"

Derzeit liegt der Anteil beruflich Qualifizierter, die eine Hochschule besuchen, bei ungefähr drei Prozent aller Studenten. Einen erheblichen Anstieg dürfte es wegen zahlreicher Hürden für diese Gruppe nicht geben.

Interview von Christine Demmer

Professor Andrä Wolter lehrt Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Hochschulforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht zum Thema beruflich qualifizierte Studenten.

Warum studieren immer mehr Menschen ohne Abitur?

Andrä Wolter: Neu ist seit dem Jahr 2009, dass die beruflichen Fortbildungsabschlüsse dem Abitur gleichgestellt sind. Die Öffnung der Hochschulen wäre allerdings folgenlos geblieben, wenn es kein erkennbares Interesse in Teilen der Bevölkerung gegeben hätte: Man will beruflich vorankommen oder seine ursprüngliche Berufswahl korrigieren.

Werden beruflich Qualifizierte Abiturienten aus den Hörsäl en verdrängen?

Es droht kein Massenansturm. Für diejenigen, die aus dem Beruf kommen, ist dieser Weg hürdenreich, nicht zu vergessen das Risiko des Scheiterns. Über eine solche Entscheidung wird gründlich nachgedacht. Die Hochschulen reservieren drei bis zehn Prozent ihrer Studienplätze für nicht traditionell Studierende. Derzeit reicht das. Für 2013 haben wir einen Anteil von 3,2 Prozent an allen Studienanfängern ermittelt. Drei Prozent der Plätze zu reservieren, könnte sich irgendwann als zu eng erweisen, aber bis zehn Prozent ist es noch weit.

Müssen sich Form und der Stil der Lehre verändern, wenn nicht mehr nur Gymnasiasten in den Bänken sitzen?

Beides muss sich ändern. Für Berufserfahrene sind flexible Formate wie das Teilzeitstudium und das Fernstudium attraktiv. Man muss die Anrechnung gleichwertiger beruflich erworbener Kompetenzen verstärken. Jemand, der seit sechs Jahren im Beruf steht, weiß vieles, was der Abiturient erst lernen muss. Auf der anderen Seite lernen ältere Studierende anders als 18- und 19-Jährige. Wenn die nebeneinander im Hörsaal sitzen, ist das eine Herausforderung.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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