Der Erziehungswissenschaftler Kolja Briedis, 43, ist beim Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in Hannover für das Forschungsvorhaben "Karrieren Promovierter" verantwortlich. Es läuft noch bis Ende August und untersucht die berufliche Laufbahn des Promovierten-Jahrgangs 2014. Erste Ergebnisse hat Briedis jüngst in der Ausgabe 4/18 der Zeitschrift Forschung & Lehre vorgestellt. Der Diplom-Pädagoge beschreibt, was Doktoranden antreibt, und mit welchen Hindernissen sie zu kämpfen haben.
SZ: W as sind die größten Hürden auf dem Weg zum Doktortitel?
Kolja Briedis: Insbesondere die Frage der Finanzierung kann zu großen Problemen führen. Je nach Universität und Lehrstuhl müssen Doktoranden häufig Finanzierungslücken schließen - etwa, indem sie alternative Beschäftigungen zur Überbrückung sowie Stipendien suchen. Hier gibt es je nach Studienfach deutliche Unterschiede. In den Mint-Fächern sind die Chancen auf eine volle Anstellung aufgrund des größeren Angebots an Promotionsstellen größer als in den Geisteswissenschaften. Es gibt aber auch fachliche Herausforderungen, die zu Stolpersteinen werden können und Zweifel an dem ganzen Vorhaben aufkommen lassen. Wissenschaftliche Arbeit ist immer auch ein Projekt mit Ungewissheit, auch und gerade mit Blick auf das Gelingen.
Wie viele geben auf?
Dazu haben wir keine amtlichen Zahlen, da gerade erst eine Promovierenden-Statistik aufgebaut wird. Wir haben allerdings in einer Erhebung in der Vergangenheit Promovierende befragt, ob sie ernsthaft darüber nachdenken abzubrechen. Das bejahten circa vierzig Prozent von ihnen. Der tatsächliche Anteil dürfte - auch aufgrund von Hinweisen, die wir aus anderen Studien haben - aber deutlich darunter liegen. In unseren Absolventenstudien sind wir auf Quoten von etwa einem Sechstel gekommen.
Macht sich der höchste akademische Grad auf dem Gehaltszettel be merkbar?
Finanziell lohnt sich der Titel sehr häufig. Wenngleich es bestimmte Fachrichtungen, besonders in den Geisteswissenschaften, gibt, wo der finanzielle Ertrag nicht besonders hoch ist. Die Erwartung der Betroffenen ist aber auch nicht unbedingt, hinterher mehr Geld zu verdienen. Wer promoviert, tut das meist nicht aus finanziellen Motiven. Viele erhoffen sich im Nachhinein aber dann doch einen Gehaltszugewinn.
Was ist dann die ausschlaggebende Motivation für das Projekt Promotion?
Die Leute haben einfach Lust zu forschen. Sie wollen sich inhaltlich mit spezifischen Fragestellungen auseinandersetzen und bestimmtes Wissen vertiefen. An bessere Chancen auf Führungspositionen und Ähnliches denken sie bei ihrer Entscheidung weit weniger.
Trotzdem entscheidet sich die Mehrheit der Promovierten - laut Ihrer Studie - gegen die Karriere an einer Hochschule.
Das ist richtig. Diese Lust zu forschen, heißt ja nicht unbedingt, zwingend in der Wissenschaft bleiben zu wollen, sondern oftmals auch, sich noch einmal thematisch zu fokussieren. Und umso besser vorbereitet starten sie etwa in eine Tätigkeit in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Pharma- oder Automobilindustrie. Tatsächlich merken viele während der mehrjährigen Promotionsphase, dass eine dauerhafte wissenschaftliche Karriere schwieriger wird als in ihrer Vorstellung. Ein Drittel aller, die eine Promotion aufnehmen und eine wissenschaftliche Karriere anstreben, orientiert sich im Prozess um.
In welchen Bereichen außerhalb der Universitäten ist der Titel Voraussetzung für den Karriereweg?
Überall, wo in den großen Industrieunternehmen Forschung und Entwicklung betrieben wird, spielt der Doktortitel eine wichtige Rolle. Insbesondere dann, wenn man in der Karriere weiter vorankommen will. Eine Abteilungs- oder Laborleitung wird in der Regel niemandem angetragen, der nicht promoviert ist. Dafür muss man Forschungserfahrung und normalerweise auch den Doktortitel haben. Ein begünstigender Faktor ist die Promotion auch für Positionen mit hoher Außenwirkung. Gerade in der Medizin- oder Pharmabranche wird es gern gesehen, wenn sich die Vertreter im Kontakt mit den Chefärzten der Klinken gewissermaßen auf Augenhöhe bewegen.
Welche Maßnahmen können den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern und die Promotion attraktiver machen?
Die derzeitige Förderpolitik liegt in vielen Fällen deutlich neben der Realität, denn üblicherweise erfolgt eine Finanzierung sowohl über ein Stipendium als auch über eine Anstellung für drei Jahre. Die durchschnittliche Promotionszeit liegt in Deutschland jedoch bei circa viereinhalb Jahren. Statt der bestehenden Regelung hätte ein Drei-plus-eins-Modell" mehr Sinn, bei dem nach dreijähriger Förderung die Option auf ein weiteres Jahr besteht. Dieses sollte nicht von vornherein die Tür zur Verlängerung öffnen, sondern die Möglichkeit einer Ausdehnung bei Problemen im Forschungsprozess bieten. Das würde Druck bei den Wissenschaftlern rausnehmen und viel Unsicherheit beseitigen.