Erste Job-Erfahrung:"Du hast einen tierisch grünen Daumen"

Lesezeit: 4 min

Onlineportale und eine neue App unterstützen Schüler dabei, Unternehmens-Praktika zu finden und den Arbeitsalltag zu erleben.

Von Christiane Bertelsmann

Egal, ob Hauptschule oder Gymnasium - Schülern dabei zu helfen, sich auf die Berufswahl vorzubereiten, zählt zu den zentralen Bildungsaufträgen aller Schulen. Praktika helfen dabei, schon mal erste Schritte Richtung Arbeitsleben zu machen. In einigen Bundesländern, etwa in Rheinland-Pfalz oder in Berlin, sammeln bereits Achtklässler erste Erfahrungen im echten Berufsleben. Auch Mittelschüler in Bayern müssen sich bereits in der achten Klasse einen Praktikumsplatz suchen. Nicht immer geht das reibungslos, wie Barbara Weber ( Name von der Redaktion geändert), seit 14 Jahren Lehrerin in München, beobachtet hat. "Die meisten Schüler kümmern sich zu spät", sagt die Pädagogin, "das Praktikum startet Ende November. Allerspätestens nach den Herbstferien müssen die Schüler einen Platz haben. Das klappt nicht immer." Einen Grund dafür sieht sie darin, dass nach ihren Beobachtungen Eltern ihre Töchter und Söhne weniger als früher bei der Suche unterstützen würden. Das Vermitteln eines Praktikums in der eigenen Firma betrachte sie nicht als Unterstützung. Denn ein Praktikum im elterlichen Betrieb sei nicht erwünscht. Schließlich sollten die Schüler ihre ersten Berufserfahrungen in einer für sie neuen Umgebung machen. "Aber die Eltern können gemeinsam mit Sohn oder Tochter überlegen, welche Berufsrichtung passen könnte, und wie man den entsprechenden Platz findet", sagt Weber.

Die Kinder sollen in einem neuen Umfeld, nicht im elterlichen Betrieb Erfahrungen sammeln

Helfen könnte auch ein Blick ins Internet. Zahlreiche Online-Portale bieten Schülerpraktika, häufig nach Städten oder Regionen geordnet. Das Portal Schülerpraktikum.de gehört zu den größten Anbietern. Attraktive Praktika lassen sich hier finden, etwa bei einem Reiterhof in Baden-Württemberg, im Bereich Website-Gestaltung in Hamburg, Praktika in der Kfz-Branche, an Universitäten, in Hotels, im Einzelhandel. Das Portal ist jung und wächst, bei seiner Gründung im August vergangenen Jahres gab es gerade mal 530 Praktikumsplätze, jetzt sind es mehr als 10 000. Freie Plätze gibt es genug. "Alle derartigen Organisationen haben Probleme, die Schulen direkt zu erreichen", sagt Christian Johann, Projektleiter von Schülerpraktikum.de. "Schulen sind in dieser Hinsicht so etwas wie eine Blackbox." Um die Schüler da abzuholen, wo sie häufig sind, entwickelt Johann mit seinem Team derzeit eine mit EU-Geldern finanzierte App. Im April soll sie fertig sein. Mit Hilfe der App können potenzielle Praktikanten herausfinden, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. "Zuerst macht man einen Test, der auf einfachen Ja-Nein-Fragen beruht. Das Testergebnis benennt die Interessen und Talente, etwa so: ,Du hast einen tierisch grünen Daumen.' Oder: ,Anderen zu helfen, ist dein Ding.' Passend zu diesem Profil bekommen die Schüler Vorschläge für entsprechende Praktikumsplätze in der Nähe", erklärt Christian Johann.

Ungefähr 50 Schüler pro Jahr können beim Kabelhersteller Leoni ein Praktikum machen - und lernen, wie man feilt, fräst und bohrt. (Foto: Leoni)

Ähnliche Wege geht die Internet-Praktikumsbörse sprungbrett-bayern.de. Das Portal besteht schon seit zehn Jahren und wirbt für sich auf Messen und eigenen Veranstaltungen, bei denen Schüler Unternehmen kennenlernen können. Auch in vorgedruckten Hausaufgabenheften schaltet der Praktikumsvermittler Anzeigen. "Die Vermittlung läuft vielfach über die Lehrer", sagt Dirk Schönland, Sprecher von sprungbrett-bayern.de. Die Lehrer hofft man über Newsletter zu erreichen - und über den Projektträger selbst: Schulewirtschaft Bayern im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft ist ein bayernweites Netzwerk aus circa 100 regionalen Arbeitskreisen, in denen sich Führungskräfte aus Unternehmen und auch Lehrer ehrenamtlich engagieren. Derzeit bietet das Portal etwa 30 000 Praktikumsplätze, alle in Bayern.

Unter ihnen ist der Kabelhersteller Leoni im mittelfränkischen Roth. Pro Jahr nimmt der Betrieb etwa 50 Praktikanten. In der betriebseigenen Lehrwerkstatt lernen die Schüler, wie man feilt, fräst, bohrt und Messungen macht. Angeleitet werden sie dabei von Azubis und von Ausbildern. Nach dem Praktikum ist das erste Werkstück fertig - ein kleiner Roboter. "Oft entsteht der in meinen Augen schiefe Eindruck, Praktikanten würden den Ablauf im Betrieb nur stören", sagt Wolfgang Lösch, Geschäftsführer bei Leoni Kabel GmbH. "Wir sehen das anders - auch unsere Azubis lernen eine Menge, indem sie die Schüler anleiten und betreuen." Ausbildungsleiter Martin Biller ergänzt: "Die Praktika sind ein super Instrument, um Azubis zu finden." Etwa die Hälfte der Praktikanten würden sich später im Haus um einen Ausbildungsplatz bewerben.

Auch, wenn es nicht immer so einfach ist, einen Platz zu finden - am Praktikum selbst führt kein Weg vorbei, meint auch die Münchner Lehrerin Barbara Weber. "Nur so merken die Schüler, wie es ist, zu arbeiten", sagt sie. Rechtzeitig aufstehen, den Weg zur Arbeit organisieren, pünktlich zum Arbeitsbeginn im Laden oder in der Werkstatt erscheinen - alles Kleinigkeiten, aber gerade für Azubis essenzielle Kleinigkeiten. Und manchmal kann ein Praktikum dabei helfen, herauszufinden, ob der angebliche Traumberuf wirklich der richtige ist. "Einige Praktikanten haben andere Vorstellungen von dem, was sie tatsächlich erwartet", sagt Tobias Walluga, Leiter eines dm-Drogeriemarkts in Freiburg. "Auch in einem Drogeriemarkt kann die Arbeit körperlich anstrengend sein, etwa wenn schwere Kartons mit Reinigungsmitteln angenommen und verräumt werden müssen."

Außerdem nähmen viele Praktikanten an, sie dürften auch an der Kasse arbeiten - das ist nur für über 18-Jährige möglich, denn erst dann sind junge Leute im juristischen Sinn geschäftsfähig. "Aber dafür lernen sie den Aufbau einer Filiale kennen, wir zeigen ihnen, was man bei der Annahme von Waren beachten muss, und sie dürfen Kunden beraten", sagt Tobias Walluga. "Eine ehemalige Praktikantin macht jetzt bei uns eine Ausbildung. Das freut uns natürlich." So ganz entschieden hatte sich die junge Frau nach dem ersten Praktikum nämlich noch nicht. Deshalb hatte sie noch ein Praktikum in einem anderen Betrieb nachgeschoben. "Da hat sie gemerkt, dass das keine Option für sie ist, und hat sich bei uns beworben", sagt Filialleiter Walluga.

Je nach Bundesland müssen Schüler der Klassen acht bis elf unabhängig von der Schulart ein bis zwei Berufspraktika absolvieren. Die Länge der Praktika differiert von Bundesland zu Bundesland. Sie dauern zwischen einer Woche und drei Wochen. Ein Betreuungslehrer hält während der Praktikumszeit Kontakt zum Schüler und zum Betrieb, den er auch mindestens einmal besucht. Die Schüler schreiben Praktikumsberichte, deren Bewertung je nach Schule in die Zeugnisnote einfließt. Praktikumsbörsen im Internet: www.meinpraktikum.de/schuelerpraktikum www.schuelerpraktikum.de www.sprungbrett-bayern.de

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: