Englisch in fünf Tagen:Radeln wie die Einheimischen

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Crashkurs in Cambridge: Wer nur fünf Tage Zeit hat, muss eben besonders schnell lernen - und pausenlos reden.

Jutta Pilgram

Erster Tag

In jeder anderen Umgebung würde einem die Überschwänglichkeit von Anna und Charlie furchtbar auf die Nerven gehen. Doch hier, im Empfangsraum der Oise-Sprachschule, ist es wohltuend, dass die beiden Lehrerinnen strahlen, als hätten sie sich riesig auf diesen Moment gefreut. ,,It is to increase your self-confidence'', sagt Charlie.

Selbstvertrauen können die fünf Neuankömmlinge tatsächlich gerade gut gebrauchen. Sie fühlen sich unbehaglich, sie stottern und stammeln und sind schon jetzt erschöpft von der Aussicht, in den nächsten Tagen ausschließlich Englisch sprechen zu müssen.

Am Vorabend stand jeder von ihnen mit seinem Koffer vor einer Haustür in Cambridge, hat bei wildfremden Leuten geklingelt und ist mitten hineingeplatzt in ein englisches Familienleben. Das gehört zum Konzept der Oise-Sprachschulen: Egal ob Berufsanfänger oder Top-Manager - man wohnt bei einer Gastfamilie.

Jetzt sitzen sie in einem winzigen Klassenzimmer, und Anna verteilt strahlend die Fragebögen für den Einstufungstest. Innerhalb einer Stunde sind alle Schüler einsortiert, haben ihren persönlichen Stundenplan in Empfang genommen, außerdem einen Termin beim Fahrradverleih und eine Liste mit abendlichen Aktivitäten: Pub Night, Museum, Cinema, Happy Hour.

Obwohl alle Neulinge einen ,,Business English Intensivkurs'' belegt haben, sieht jeder Stundenplan anders aus: Der eine will ausschließlich Einzelunterricht, der andere in eine Vierergruppe, einer wünscht sich Finance-Vokabular, ein anderer möchte lernen, auf Englisch Roboter zu verkaufen. Trotzdem gelingt es den Lehrern, für jeden den passenden Plan zu basteln. Sie haben Übung darin, immer wieder eine Fünf-Tages-Portion aus den unendlichen Variationen von Grammatik und Vokabular abzumessen und den Schülern aufzutischen. Dazu gehören Gespür und Phantasie, aber auch Mut zur Lücke.

Zweiter Tag

Mike stürmt ins Klassenzimmer und schimpft. Er hält ein imaginäres Telefon am Ohr und beschwert sich bei der Hotelrezeption, dass seine Zimmerbuchung falsch registriert wurde. Mike ist Lehrer, und die verblüfften Schüler müssen augenblicklich in die Rolle der Rezeptionisten schlüpfen und die verzwickte Situation per Telefon lösen. Um welches Datum ging es? Einzelzimmer oder Doppelzimmer? Welcher Kollege hat die falsche Mail geschickt? Dürfen wir Sie an ihn weiterleiten? Uff.

Wer fünf Stunden am Tag gebucht hat und annahm, dass er nachmittags gemütlich durch Cambridge spazieren könne, ist überrascht. Der Unterricht beginnt um kurz nach acht und endet um fünf oder sechs Uhr. Die Workshops sind so über den ganzen Tag verteilt, dass man zwischendurch gerade mal Hausaufgaben erledigen und Präsentationen vorbereiten kann.

Und die sind ständig fällig. Mal muss man den Film vom Cinema-Abend besprechen, mal die britische Küche verteidigen, mal vor fiktiven Geschäftspartnern ein neues Produkt vorstellen.

Und dann sind da noch die Angebote außerhalb des Stundenplans: Jeder Morgen beginnt mit einer ,,News Review''. Anna hat die Nachrichten aufgezeichnet oder aktuelle Zeitungsartikel ausgeschnitten. Jeder Schüler wählt eine Nachricht und stellt sie den anderen vor.

Oder man lernt im ,,Self-Access Centre'', wie der Empfangsraum heißt. Dort gibt es Spielfilme auf DVD, Bücher, Magazine und Internetzugang. Besonders empfohlen wird die E-Learning-Seite der BBC ( www.bbc.co.uk/learningenglish).

Dritter Tag

Tiefpunkt der Woche. Der harte Kern der Truppe hat sich vorgenommen, jeden Abend einen anderen Pub und ein anderes britisches Bier zu testen. Heute hängen alle in den Seilen.

Die Lehrer kennen das und verteilen Kreuzworträtsel und Cartoons. Oder sie bringen die Schüler mit Wortschatzübungen zum Reden: Was ist das Gegenteil von ,,fresh'', ,,calm'', ,,stiff'', ,,strong''?

Oder sie fordern zwei Schüler auf, gemeinsam ein Haus einzurichten. Einer bekommt den Grundriss, der andere eine Liste mit Möbeln. Wo kommt das Sofa hin? Wie soll die Küche aussehen? Und was ist mit dem Katzenklo? Oder man sitzt sich gegenüber, hat eine Zeichnung vor sich und muss im Gespräch zehn Unterschiede auf den Bildern finden.

Keiner macht schlapp, alle sind bei der Sache. Denn diese Woche muss sich lohnen. Fünf Tage kosten ungefähr 1000 Euro, inklusive Unterkunft und Halbpension, aber ohne Fahrt. Darum sind hier alle so diszipliniert, keiner fällt in seine Muttersprache zurück.

Aber wird das Training auch zu Hause im Job helfen? Der Ingenieur aus der Bretagne findet eine Woche zu kurz. Der Wirtschaftsprüfer aus Versailles ist froh, dass er länger bleiben kann. Der Iraker, der Südkoreaner und die Spanierin haben mehrere Monate gebucht. Und der Fernsehreporter aus der Schweiz spricht schon fast perfekt. Eine Woche ist ideal, um verschüttete Kenntnisse auszugraben, meint er.

Vierter Tag

Mike war 25 Jahre lang Finanzdirektor in einem europäischen Konzern, er hat bei Tolkien in Oxford studiert, spricht fließend Französisch, ist ein begnadeter Schauspieler und unterhält seine Schüler mit etymologischen Exkursen und interkulturellen Beobachtungen. Er erzählt, dass Deutsche für britischen Geschmack viel zu oft ,,important'' sagen und dauernd ,,really'' und ,,actually'' verwechseln.

Alle Lehrer sind phantastisch - auch weil sie so interessant sind. Vielleicht sind ihre Biografien für den durchschnittlichen Manager erschreckend bunt, aber gerade das macht den Unterricht so spannend. Claire hat als Personalmanagerin und als Model gearbeitet, in Südafrika gelebt und Indien durchquert, sie hat ein Faible für Geschichte und für Bayreuth.

Eigentlich möchte man nach Schulschluss noch weitererzählen. Doch die Gastfamilie wartet schon mit dem letzten Abendessen. Auch hier fällt das Reden leichter, die Anspannung lässt nach, die Schüler empfinden sich nicht mehr als Eindringling, manche freunden sich mit ihren Gastgebern an. Das sind nicht immer typische Kleinfamilien, sondern häufig auch ältere Ehepaare oder Alleinstehende, die Lust haben, einen Sprachschüler zu bekochen und in Gespräche zu verwickeln.

Fünfter Tag

Heute radelt man schon so waghalsig durch die Regent Street wie die Einheimischen, bestellt routiniert seinen Kaffee im Pub und formuliert unaufhörlich englische Sätze im Kopf. Fünf Tage - aber von Cambridge hat man noch fast nichts gesehen. Claire beschließt kurzerhand, aus dem Einzeltraining eine ,,walking lesson'' zu machen. Nur zehn Minuten von der Schule entfernt liegt das verwunschene Emmanuel College, bis zum King's College und zur Mathematical Bridge sind es nur ein paar Straßen weiter. Nach diesen Eindrücken fällt der Abschied überschwänglich aus. Und auf einmal erscheint die Begeisterung überhaupt nicht mehr übertrieben.

Kontakt: Oise, www.oise.de. Vermittler in Deutschland sind die Carl-Duisberg-Centren (CDC), Hansaring 49-51, 50670 Köln, Tel. 0221-1626266, www.cdc.de

© SZ vom 4.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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