Empörung über Schulstudie:Piraten-Test in der Kritik

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Im jährlichen Leistungstest für Drittklässler rankt sich alles um Piraten. Der Grundschulverband hält das angesichts der realen Piraterie für politisch inkorrekt und ist empört.

Tanjev Schultz

Seit vor Somalia die Piraten wüten, haben manche Eltern die Unbefangenheit verloren, mit der sie früher auf Kindergeburtstagen Augenklappen und Plastiksäbel verteilten. Am Dienstag beherrschten Piraten jedoch den Unterricht in der dritten Klasse aller Grundschulen - wenn auch nur in Gestalt eines Textheftes mit Aufgaben, die sich um Piraten rankten. Der Grundschulverband ist empört: Die reale Piraterie sei auch Kindern bekannt; das Thema als "schnurrig-romantisches Thema" zu behandeln, sei "politisch höchst bedenklich".

Lernstandserhebung in Mathe: Manche Lehrer bereiten die Schüler gezielt vor. (Foto: Foto: dpa)

In einer Aufgabe mussten die Schüler einen Einladungstext verfassen: Sie sollten die Eltern zu einem "Piratenfest" einladen. In der anderen Aufgabe mussten sie Fragen zu einem Text beantworten, in dem ein Großvater dem Enkel eine Lügengeschichte auftischt - über sich als Pirat. Es handelte sich um den neuerdings in allen Bundesländern durchgeführten Test "Vera".

Weinende Kinder

Der Name steht für Vergleichsarbeiten, Vera soll Aufschluss über den Leistungsstand geben. Die Aufgaben entwerfen Fachleute in Kooperation mit den Kultusministerien, federführend war ein Team der Universität Landau. Nach den Piraten-Texten werden die Drittklässler am Donnerstag noch einen Vera-Test in Mathematik schreiben. Dem Grundschulverband behagt das grundsätzlich nicht: "Die massive Testerei ist ein Irrweg", sagt Verbandschef Horst Bartnitzky. Die Tests seien viel zu schlicht, und die Schulen erhielten anschließend auch keine Hilfe.

Während Pisa auf Stichproben beruht, die alle drei Jahre gezogen werden, gibt es Vera jedes Jahr und flächendeckend. Die Pisa-Aufgaben sind geheim, bei Vera zirkulieren sie schon Tage vorher, manche Lehrer bereiten die Schüler gezielt vor. Der Test sei für viele Kinder zu schwer, sagt Maresi Lassek, Leiterin einer Grundschule in Bremen. "Viele weinen, weil sie überfordert sind."

Die Kultusminister verstehen Vera als Orientierungshilfe, Lehrer sollen die Fähigkeiten der Kinder einordnen können. Und es gibt durchaus Befürworter unter den Lehrern. Klaus Wenzel, Chef des bayerischen Lehrerverbandes, lobt den Test, weil er "kompetenzorientiert" sei, es gehe nicht um stures Pauken. Die Kritik am Piraten-Text hält er für kleinlich. Aber auch Wenzel warnt vor Missbrauch, die Tests dürften nicht in Noten eingehen. In den meisten Ländern heißt es offiziell, Vera sei für das Zeugnis irrelevant. In Nordrhein-Westfalen etwa kann Vera aber genutzt werden, wenn ein Schüler zwischen zwei Noten steht.

© SZ vom 13.5.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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