Doppeljahrgang:Nicht schlechter vorbereitet

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Ob Abiturienten nach der Schule eine Auszeit einlegen, hängt nicht von der Länge der Gymnasialzeit ab. (Foto: WAT)

Die Befürchtungen haben sich nicht erfüllt: Der Start in Studium oder Berufsausbildung verläuft bei Absolventen von G8 und G9 ähnlich reibungslos.

Von Tanja Koch

Die Befürchtungen waren groß. Enormer Leistungsdruck, krasser Freizeitmangel, schlechte Zukunftsperspektiven - Kritiker sahen viele Nachteile im G-8-Modell, dem Abitur nach acht Jahren Gymnasium. Schwer haben sollten es besonders die Doppeljahrgänge, die je nach Bundesland zwischen 2007 und 2013 Abitur machen würden: Mit den ersten G-8- und den letzten G-9-Jahrgängen drängten plötzlich viel mehr Schüler auf Studien- und Ausbildungsplätze. Im Jahr 2013 sollte es laut Prognose etwa 18 Prozent mehr Abiturienten geben als 2009.

Tatsächlich stiegen die Zahlen sogar um 32 Prozent beziehungsweise 89 600 Schüler an. Die erwarteten Folgen: Strengere Zulassungsbeschränkungen an Universitäten und damit schlechtere Chancen für die Schulabgänger, ihr Wunschfach studieren zu können. Im Frühjahr 2013 schätzten laut einer Befragung fast 80 Prozent der Doppeljahrgangs-Schüler ihre Zukunftsaussichten schlechter oder viel schlechter ein.

In der vergangenen Woche hat das Kieler Leibniz-Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik im Auftrag der Mercator-Stiftung eine Erhebung zu den Unterschieden zwischen G-8- und G-9-Abiturienten vorgelegt. Die Meta-Studie belegt, dass G-8-Schüler nicht schlechter auf ein Studium vorbereitet sind als solche mit neun Jahren im Gymnasium.

Das bestätigt nun auch eine kleinere Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen: Dort haben Politikstudenten im Rahmen eines Lehrforschungsprojekts 68 Doppeljahrgangs-Abiturienten interviewt. Von Stress und schwierigen Zukunftsaussichten berichteten viel weniger Befragte, als es nach der Debatte zu vermuten wäre.

Etwa ein Viertel gab an, einen besonderen Leistungsdruck gespürt zu haben. Der Grund: Die eventuellen Folgen des Doppeljahrgangs lösten Sorgen und Ängste aus. Lehrer hätten das Thema ständig erwähnt und so zur Verunsicherung beigetragen. Jedoch haben sich die Ängste bis auf wenige Ausnahmen nicht bestätigt und die meisten Befragten sind heute mit ihrem bisherigen Weg nach dem Abitur zufrieden.

Allerdings berichtet ein Drittel der Befragten von Schwierigkeiten bei der Verwirklichung von persönlichen Wünschen - etwa aufgrund von strengeren Zulassungsbedingungen. "Es gab halt diese Welle des Doppeljahrgangs und an den Unis sind die N. c. hochgegangen", sagte ein Befragter. Jedoch fanden die Abiturienten Möglichkeiten, derartige Schwierigkeiten zu umgehen - etwa durch eine Ausbildung in einem ähnlichen Beruf oder Studienfach. So versucht eine der Befragten, ihren Wunschberuf Therapeutin über ein Pädagogik- statt über ein Psychologiestudium zu erreichen.

Auch für ein sogenanntes Gap Year, eine Zwischenstation nach dem Schulabschluss, hat sich ein Teil der Befragten entschieden. Ob Freiwilligendienst, Au-pair-Jahr oder Work-and-Travel-Aufenthalt - G-8- und G-9-Abiturienten haben sich ungefähr gleich oft für eine solche Zwischenstation entschieden. Das steht im Widerspruch zu der Annahme, dass die jüngeren Abiturienten ihr gewonnenes Jahr häufiger auf diese Art nutzen. Auch hängt es laut Befragung nicht von der Anzahl der Schuljahre ab, ob sich Abiturienten für ein Studium oder eine Berufsausbildung entscheiden.

Zwar steht es um die Zukunftsaussichten der G-8- und der G-9-Abiturienten ähnlich gut. Doch das verkürzte Schulmodell findet trotzdem nicht bei allen Anklang. Knapp drei Viertel der 68 Befragten halten den neunjährigen Bildungsgang für besser. Etwa die Hälfte der G-8-Absolventen würde sich im Nachhinein für den längeren Bildungsweg entscheiden - aus ganz verschiedenen Gründen. Überforderung zum Beispiel. Ein Befragter erklärt, dass bei einem Jahr länger auf dem Gymnasium mehr Zeit für den Lernstoff geblieben wäre. Im G-9-Modell habe es laut einem anderen Befragten bessere Stundenpläne gegeben.

Auch dass man als G-8-Schüler weniger Wissen ansammelt und beim Abschluss manchmal noch minderjährig ist, wird in den qualitativen Interviews bemängelt. Einer der Befragten erzählt: "Ich habe ja zum Beispiel im Außendienst angefangen und war einfach viel zu jung für die Ausbildung. Du wirst ja gar nicht ernst genommen."

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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