Deutschlands bester Hauptschullehrer:"Wenn Werder gewinnt, geb' ich immer einen aus"

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Preisträger Reinhard Kostur über die Zunahme von Gewalt an Schulen, den Ärger über gestrichene Stunden und seine kleinen Tricks zur Auflockerung des Unterrichts.

Andreas Schubert

Reinhard Kostur, 62, ist der beste Hauptschullehrer Deutschlands. Seit 1980 unterrichtet er an der Hauptschule Schiffdorf in Niedersachsen. Jetzt hat er den von der Hertie-Stiftung, der Bosch-Stiftung und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ausgelobten, mit 5000 Euro dotierten Lehrerpreis für vorbildliches pädagogisches Engagement erhalten. Das Preisgeld soll in ein Schulprojekt fließen.

Seit 32 Jahren im Lehrerberuf: Reinhard Kostur (Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Herr Kostur, wann ist man ein guter Lehrer?

Reinhard Kostur: Meine Ausbilder haben mir immer gesagt, entweder man kann's oder man kann's nicht, also von Geburt an. Aber im Ernst: Ein guter Lehrer ist einer, der sich seiner Sache sicher ist, der seinen Beruf mag und das auch zeigt. Und der Freude hat am Umgang mit Kindern. Selbstverständlich sollte er auch sein Handwerkszeug verstehen und sich mit neuen Methoden beschäftigen. Die sollte man aber nur übernehmen, wenn sie auch wirklich zu einem passen.

sueddeutsche.de: Und was zeichnet den besten Lehrer aus?

Kostur: Humor, Gelassenheit und ein gewisses Maß an Lebenserfahrung. Ich habe selbst drei Kinder, so habe ich die Schule stets auch aus Elternsicht wahrgenommen. Ich kann viele Eltern gut verstehen.

sueddeutsche.de: Wann, zum Beispiel?

Kostur: Wenn mir meine Kinder gesagt haben, dass der Unterricht unmotiviert abläuft und sie nur aus Büchern abschreiben, bin ich zu dem Lehrer hin und hab ihm Vorschläge gemacht, was er vielleicht anders machen könnte. Als Lehrer kommt man sich da ein bisschen dumm vor, weil man denkt: eigentlich müsste es der Kollege ja selbst besser wissen.

sueddeutsche.de: Bedeutet die Auszeichnung "Bester Lehrer" etwas für Sie?

Kostur: Darauf bin ich durchaus stolz. Es ist eine Anerkennung für meine Arbeit und auch für die Schule. Wenn ich heute auf der Straße ehemaligen Schülern begegne, werde ich oft angesprochen. Einer zeigt mir seine Kinder, ein anderer sein neues Auto. Das ist ein Kompliment. Ich selbst habe früher immer einen großen Bogen um viele meiner Lehrer gemacht.

sueddeutsche.de: Sie unterrichten seit 32 Jahren. Fällt es nach einer gewissen Zeit nicht schwer, sich immer wieder zu motivieren?

Kostur: Mir nicht. Ich gehe nach wie vor gerne in den Unterricht. Da ich auch Ausbildungslehrer bin, kann ich den jungen Referendaren auch einiges beibringen. Zum Beispiel sage ich denen: Bleibt doch öfter mal gelassen.

sueddeutsche.de: Ihre Schüler attestieren Ihnen Humor. Wie äußert sich der im Unterricht?

Kostur: An Weihnachten habe ich manchmal eine Krawatte an, die auf Knopfdruck ein Weihnachtslied spielt. Das lockert auf und kommt immer gut an. Jeder Lehrer sollte sich so ein Merkmal zulegen. Außerdem bin ich Werder-Fan. Wenn Werder gewinnt, geb' ich immer einen aus.

sueddeutsche.de: Ach ja? Und wenn Bremen dieses Jahr Deutscher Meister wird?

Kostur: Dann gibt es in der Schule auf jeden Fall ein gemeinsames Frühstück.

sueddeutsche.de: Klingt, als sei Ihre Schule eine große Familie. Was hat sich denn in den 32 Jahren ihres Lehrerdaseins an der Hauptschule verändert.

Kostur: Weil wir eine ländliche Schule sind, trifft einiges, was andernorts in Schulen verbreitet ist, bei uns so nicht zu. Viele Eltern beschäftigen sich nicht mehr mit schulischen Dingen. Sie gehen nicht zum Elternabend und sie überlassen immer mehr Aufgaben der Schule, indem sie sich einfach aus der Erziehung ausklinken. Auch Gewalt und raue Umgangsformen haben deutlich zugenommen.

sueddeutsche.de: Woran liegt das?

Kostur: Hauptschüler bekommen doch häufig gesagt: "Ihr seid nichts wert". Da macht sich natürlich der Frust breit. Auch die Anerkennung der Eltern fehlt oft.

sueddeutsche.de: Der Hauptschule haftet oft das schlechte Image der "Restschule" an. Ärgert sie das?

Kostur: Es ärgert mich sogar sehr. Wir haben mit Stundenkürzungen zu kämpfen, auf der anderen Seite wird, etwa von der Wirtschaft, mehr Wissen von den Schülern erwartet. Oft heißt es auch, die Hauptschüler werden immer dicker. Gleichzeitig werden ihnen Sportstunden gestrichen. Als Beratungslehrer hatte ich früher fünf Stunden zur Verfügung, heute nur noch drei. Damit kann ich den großen Beratungsbedarf nicht decken.

sueddeutsche.de: Was passiert eigentlich mit den 5000 Euro Preisgeld?

Kostur: Es gab im Kollegenkreis schon einige Vorschläge. Ich will aber auf jeden Fall die Schüler in die Planungen mit einbeziehen. Wir sollten eine größere Sache anschieben. Das könnte zum Beispiel ein Nichtraucher- oder Drogenprojekt sein.

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