Debatte um Lehrer:Manager, Faule und Labile

Lesezeit: 2 min

Die Bildungsministerin will "Top-Mitarbeiter" aus der Wirtschaft in die Schulen schicken. Die Schulmisere sollen also Manager beheben, die Banken ruiniert haben.

T. Schultz

Wenn in Deutschland über Lehrer debattiert wird, geht es meistens schief. Viele Pädagogen fühlen sich sofort angegriffen und sind beleidigt, sobald jemand einen Hauch von Kritik äußert. Unter den Kritikern wiederum sind viele, die zwar über den angeblich lauen Lehrerjob spotten, sich selbst aber unter gar keinen Umständen auch nur eine Stunde Klassenzimmer antun würden.

Lehrer: In einem Anfall von Inkompetenz-kompensations-kompetenz hat Schavan wieder einmal in die Kulturhoheit der Bundesländer hineingefunkt. (Foto: Foto: ap)

In diese Konstellation platzt der Appell von Bildungsministerin Annette Schavan, Unternehmen sollten ihre "Top-Mitarbeiter" für ein paar Schulstunden freistellen: Sie könnten den Schülern "sinnvolle Impulse" geben. Die Ministerin reagiert auf eine Studie, derzufolge viele Lehrer früher nicht die besten Schüler waren und nur ein mäßiges Abitur geschafft haben. Die "Top-Mitarbeiter" aus der Wirtschaft sollen nun also zeigen, wie es geht. Man darf gespannt sein. Immerhin haben Manager und Finanzexperten mit ihren tollen Schulnoten gerade ihre Potenz darin erwiesen, Banken in den Ruin zu treiben. Nun hätten einige dieser Top-Leute ja tatsächlich Zeit, sich den Schulen zuzuwenden.

Didaktische Naturtalente sind selten

Schulen können durchaus davon profitieren, wenn sie sich öffnen für Vertreter aus der Berufswelt und für Seiteneinsteiger, die mehr gesehen haben als immer nur Hörsäle und Klassenzimmer. Doch zu glauben, der Lehrermangel oder die Qualitätsmängel in den Schulen ließen sich mit ein paar stundenweise freigestellten Physikern und Betriebswirten beheben, ist allzu vermessen. Pädagogische und didaktische Naturtalente sind selten, das Lehramt erfordert zu Recht ein eigenes Studium (das aber bisher leider meistens noch zu praxisfern ist).

Als Bundesministerin ist Annette Schavan weder für die Ausbildung noch für die Einstellung von Lehrern zuständig. Um es mit einem schönen Wortungetüm des Philosophen Odo Marquard zu sagen: In einem Anfall von Inkompetenzkompensationskompetenz hat Schavan wieder einmal in die Kulturhoheit der Bundesländer hineingefunkt.

Labil und wenig engagiert

Leider geben die Länder auch genügend Anlass, an ihrer Kompetenz zu zweifeln. Bei der Ausbildung von Lehrern ist es ihnen seit Jahren nicht gelungen, sich auf vergleichbare Studienmodelle zu verständigen. Und jetzt, da vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern Pädagogen händeringend gesucht werden, werben die Länder sich gegenseitig ihre Lehrer ab. Umso schwerer dürfte es ihnen fallen, die eigentlich nötigen Hürden bei der Zulassung zum Lehrerberuf zu errichten.

Die Idee, allein Einserabiturienten könnten später gute Lehrer sein, ist zwar albern. Aber wer sich für den Lehrberuf entscheidet, sollte dies auch nicht nur aus Verlegenheit tun, weil er in anderen Studiengängen keine Chance hat. In Finnland werden Lehramtsstudenten sehr sorgfältig in einem langen Verfahren ausgewählt. Wichtig ist vor allem, dass die Pädagogen eine stabile Persönlichkeit haben - und natürlich, so trivial das klingt, dass sie Kinder mögen (und nicht nur ihr Fach). Studien zeigen, dass bereits während des Studiums zu viele angehende Lehrer labil und wenig engagiert sind. In einem so wichtigen und zugleich so anstrengenden Beruf wie dem des Lehrers sind sie fehl am Platz.

Streber und Überflieger

Perfekt ist freilich niemand; und für Schüler wäre es auch nicht gerade motivierend, ausschließlich von ehemaligen Strebern und Überfliegern unterrichtet zu werden, die das Gefühl, mit einer schlechten Note nach Hause zu gehen, nie erleiden mussten.

Unvollkommen ist sicher auch oft, wie sich Politik und Medien des Themas bemächtigen. Anlass für Schavans Vorstoß und die Debatte um die Abiturnoten angehender Lehrer ist eine Studie, die sich auf Daten des Jahres 1997 stützt. Die Studie ist deshalb nicht wertlos, aber Journalisten sollten, anders als in der anschwellenden Debatte bisher geschehen, das Datum nennen. Über den Berufsstand des Journalisten denken sich Lehrer aber wahrscheinlich ohnehin das ihre.

© SZ vom 24.2.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: