Bundesweiter Schülerstreik:"Lehrer sind keine Gegner"

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Heute gehen Zehntausende Schüler auf die Straße, um für bessere Bildung zu demonstrieren. Aktivist David Redelberger über den ganz normalen Schulwahnsinn und die Ziele des Protests.

J. Bönisch

Die Schüler-Initiative "Bildungsblockaden einreißen" hat für Mittwoch zu einem bundesweiten Schülerstreik aufgerufen. Die Initiative rechnet mit 80.000 demonstrierenden Schülern in über 30 Städten. Der 19-jährige Gymnasiast David Redelberger vom Schülerbündnis in Kassel hat die Proteste mitorganisiert.

Bundesweiter Aufruf zum Schülerstreik: Die Jugendlichen demonstrieren gegen den Lehrermangel und das verkürzte Gymnasium. (Foto: Foto: schulaction.org)

sueddeutsche.de: Wofür gehen die Schüler auf die Straße?

David Redelberger: Wir wollen auf all das aufmerksam machen, was gerade schiefläuft im Bildungssystem: Wir lernen in zu großen Klassen in kaputten Schulgebäuden, haben zu wenig Lehrer, werden im verkürzten Gymnasium unter Druck gesetzt und müssen Büchergeld zahlen.

sueddeutsche.de: Haben Sie konkrete Verbesserungsvorschläge?

Redelberger: Ja. Wir fordern kostenlose Bildung vom Kindergarten bis zur Volkshochschule. Außerdem müssen die Klassen auf 20 Schüler begrenzt werden, sonst ist ein konzentriertes Lernen nicht möglich. Es sollten auch mehr Lehrer eingestellt werden und es wäre wünschenswert, wenn wir Schüler ein Mitbestimmungsrecht an den Lehrplänen hätten. Vor allem wollen wir eine Reform des achtjährigen Gymnasiums.

sueddeutsche.de: Wie soll diese Reform aussehen - fordern Sie nur eine Entschlackung der Lehrpläne oder gleich die komplette Rücknahme?

Redelberger: Am besten wäre natürlich die komplette Rücknahme. Das verkürzte Gymnasium wurde einfach eingeführt, ohne vorher die Lehrpläne anzupassen. Deswegen müssen wir in einer kürzeren Zeit mit einer Fülle von Stoff fertig werden, die kaum zu bewältigen ist. Der Stress ist deshalb wahnsinnig groß. Es ist mittlerweile völlig üblich, dass fast alle Kinder im fünften und sechsten Schuljahr Nachhilfeunterricht nehmen müssen. Das kann doch nicht sein. Unsere Freizeit geht verloren, wir haben keine Zeit mehr für Hobbys und fühlen uns ständig unter Druck gesetzt.

sueddeutsche.de: Glauben Sie, dass Ihr Protest Erfolg haben wird?

Redelberger: Die Studenten in Hessen haben es doch vorgemacht. Sie haben immer wieder gegen die Studiengebühren protestiert - so lange, bis sie tatsächlich zurückgenommen wurden. So etwas wollen wir auch schaffen. Wir setzen die Politik so lange unter Druck, bis sie handelt. Wenn nach unserem ersten Streik nichts passiert, werden wir mit Sicherheit weiterprotestieren. Im Dezember treffen sich die lokalen Schülerbündnisse noch einmal zu einer bundesweiten Konferenz. Dort werden wir unser weiteres Vorgehen planen.

sueddeutsche.de: Wie reagieren Eltern und Lehrer auf Ihre Proteste?

Redelberger: Wir betonen immer wieder, dass Lehrer nicht unsere Gegner sind. Sie sind häufig genauso unzufrieden wie wir mit der Situation: Sie hätten auch gern schönere Gebäude, besseres Unterrichtsmaterial und kleinere Klassen. Deswegen bekommen wir von ihrer Seite viel Unterstützung. Auch viele Eltern stehen hinter uns.

sueddeutsche.de: Eigentlich dürfen Schüler doch gar nicht streiken, oder?

Redelberger: Wir sind der Meinung, dass Meinungsfreiheit nicht erst um 16 Uhr anfängt. Deshalb gehen wir schon früher auf die Straße. Und damit die Schüler keinen Ärger bekommen, wenn sie nicht zum Unterricht gehen, veranstalten einige Schulen heute ihren Wandertag. Dann geht der Ausflug eben nicht in den Zoo, sondern in die Innenstadt zur Demo. So muss sich kein Jugendlicher Sorgen machen, dass er einen Verweis bekommt oder Unterricht verpasst.

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