Bloggende Manager:Kochtipps vom Chef

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Immer mehr Manager berichten im Netz von Geschäft und Alltag. Die Blogs ersetzen manche Pressemitteilung - und offenbaren Intimes aus der Welt der Bosse.

Linda Ross

Ein bisschen las es sich so, als wäre John Smith nur kurz aus dem Verhandlungsraum getreten, um die Menschen draußen zu informieren. Mit Magna sei man noch nicht einig geworden, schrieb der GM-Manager in seinem Blog zu den Opel-Verhandlungen. Und zum Schluss: "I'll keep you posted", also: "Ich halte Sie auf dem Laufenden."

Bloggender Manager: Aus Zeitmangel Ghostwriter für die Führungskräfte einzusetzen, ist keine gute Idee. (Foto: Foto: ddp)

Das klingt lockerer als der Text einer Pressemitteilung, auch wenn es in diesem Fall wohl kaum etwas anderes war. Und genau das ist es wohl, was Manager mit Internet-Blogs bezwecken. Die online geführten Journale, die von Berechtigten gelesen und meist kommentiert werden können, vermitteln Lesern das Gefühl, nah dran zu sein. Deshalb werden sie auch im Firmenalltag immer beliebter.

Menschliches und allzu Menschliches

Auch Menschliches wird dort gerne mitgeteilt. So hatte der deutsche Microsoft-Chef Achim Berg mal einen Radunfall, bei dem er sich kleine Blessuren zuzog. Und an diesem Alltagserlebnis wollte Berg seine Mitarbeiter teilhaben lassen. Auch beim Konkurrenten IBM richtet sich der deutsche Chef per Intranet an seine Belegschaft. "Blogs beschleunigen den Informationsaustausch und demokratisieren Arbeitsabläufe", beschreibt IBM-Deutschlandchef Martin Jetter die Vorzüge des Web-2.0-Mediums.

Gegen das Argument vieler Führungskräfte, es fehle an Zeit für solch neue Kommunikationsformen, wendet Jetter ein: "Blogs können bestehende Kommunikationsmittel ersetzen. Organisatorische Änderungen und Ähnliches werden beispielsweise nicht mehr über Rundmails verschickt - dann entsteht auch kein zusätzlicher Zeitaufwand."

"Ein Stück weit 'fühlbar' werden"

Ähnlich sieht das Dirk Kosche, der Deutschlandchef des Pharmakonzerns Novartis, der auch im Firmenintranet bloggt, derzeit vor allem zum Thema Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Schweinegrippe. "Mit meinen Blog-Einträgen kann ich für meine knapp 2000 Mitarbeiter ein Stück weit 'fühlbar' werden. Daher nehme ich mir die Zeit."

Vornehmlich an die Verbraucher wendet sich der Blog der Tiefkühlkostfirma Frosta. Die Idee für das öffentliche Internet-Tagebuch kam vor vier Jahren vom Chef selbst: Felix Ahlers, damals Ende 30, hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, was genau ein Blog überhaupt ist. Gehört hatte er davon in den Staaten.

Auf der nächsten Seite: Warum der Zugriff auf den Frosta-Blog mittlerweile drei- bis viermal höher ist als auf die Firmen-Homepage.

Probeverkostung neuer Beerensorten

Und der Grundgedanke eines spontanen und transparenten Mediums gefiel ihm. Denn Frosta hatte gerade sein neues Produktkonzept erarbeitet - Gerichte mit Reinheitsgebotsiegel ohne Aromazusätze und Geschmacksverstärker. Ahlers berichtet zum Beispiel von der Probeverkostung neuer Beerensorten oder gibt auch mal Tipps zur Zubereitung von Ratatouille. Solche "Chef"-Kochtipps wollen sich die Konsumenten nicht entgehen lassen: Der Zugriff auf den Frosta-Blog ist mittlerweile drei- bis viermal höher als auf die Firmen-Homepage.

Aus Zeitmangel Ghostwriter für die Führungskräfte einzusetzen, findet Mark Heising von der PR-Agentur Weber Shandwick nicht gut. Heising ist Account Director der vor einem Jahr gegründeten Abteilung Digital Communications bei Weber Shandwick, die Unternehmen zum Thema Web 2.0 berät und auch für ihren Kunden T-Mobile selbst in Blogs aktiv ist. "Es ist auffällig, wenn eine Führungsperson bloggt und zum selben Zeitpunkt auf einer Veranstaltung auftritt. Oder peinlich, wenn der CEO auf einen Interneteintrag angesprochen wird und nichts dazu sagen kann."

Große Vorbehalte

In Europa sind die Vorbehalte gegenüber neuen Kommunikationsmöglichkeiten größer als in den USA, wie eine Studie von Weber Shandwick zeigt. Spitzenkräfte halten oft noch an den traditionellen Medien fest, um an ihrer Reputation zu arbeiten. Fast zwei Drittel der Manager sind der Meinung,dass Berichte in Fernsehen, Radio und Zeitungen einen höheren Einfluss auf ihr Image haben als auf Websites, in Blogs oder sozialen Internet-Netzwerken.

Aber auch bei Technologiefirmen mit Sitz in den USA gibt es gewisse Grenzen: Weder bei IBM noch bei Microsoft kann man öffentlich online Beiträge der Deutschlandchefs lesen. "Da könnte ich nicht komplett selber schreiben und auch nicht frei aus dem Nähkästchen plaudern wie intern. Das wäre eher wie eine Pressemitteilung", gibt Achim Berg zu bedenken. Zudem würde ein Kommunikationskanal aufgebaut, den die Firmen nicht durchhalten könnten. Kunden wären verärgert, wenn sie keine Antwort erhalten würden.

© SZ vom 8.8.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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