Bildungsurlaub:Fortbildung auf Firmenkosten

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Extra-Urlaub für Gymnastikübungen? Das ist erlaubt, wenn der Kurs ein "Mindestmaß an greifbarem Vorteil" für den Arbeitgeber bietet. (Foto: dpa)

Spanisch, Yoga oder Politik: Für welche Programme Berufstätige die fünf freien Tage nutzen können.

Von Tobias Schormann, dpa

Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein: Berufstätige haben in den meisten Bundesländern das Recht auf Urlaub, um sich weiterzubilden. Und das bei vollem Lohn. Die Palette beim Bildungsurlaub ist breit: Rhetorik, Business-Englisch, aber auch Yoga oder politische Themen gehören zu den anerkannten Angeboten. Viele scheinen aber gar nichts von ihrem Recht zu wissen. Und andere trauen sich nicht, es in Anspruch zu nehmen - aus Angst vor Ärger mit dem Arbeitgeber. Denn der reagiert womöglich komisch, wenn jemand für eine Sprachreise freigestellt werden will. Dabei ist klar: Weiterbildung ist wichtig, um im Beruf am Ball zu bleiben. Und Arbeitnehmer müssen dafür nicht unbedingt ihren normalen Urlaub opfern. Was sie zum Bildungsurlaub wissen müssen:

Wer hat Anspruch darauf? Derzeit gibt es Regelungen zum Bildungsurlaub in 14 von 16 Bundesländern. Seit 1. Juli gehört Baden-Württemberg dazu, Thüringen hat ein Gesetz beschlossen, dass zum 1. Januar 2016 in Kraft treten soll. Nur Bayern und Sachsen sind außen vor. Teilweise gilt der Anspruch auf Bildungsurlaub auch für Azubis. Bedingung ist oft eine Mindestgröße des Betriebs und eine Mindestdauer des Beschäftigungsverhältnisses. In Baden-Württemberg beispielsweise müssen Beschäftigte mindestens seit zwölf Monaten im Betrieb sein, in Nordrhein-Westfalen sind es sechs Monate.

Wie viele freie Tage stehen einem zu? In der Regel sind es fünf Tage pro Jahr. In manchen Ländern wie Berlin lassen sich auch alle zwei Jahre zehn Tage am Stück nehmen. Im Saarland sind es sechs - allerdings gilt hier die Regel, dass Arbeitnehmer für die Hälfte des Bildungsurlaubs ihre Freizeit opfern müssen. Sie werden also höchstens drei Tage bezahlt freigestellt.

Welche Arten von Kursen gibt es? Bildungsurlaub dient nicht nur der beruflichen Bildung. Arbeitnehmer können die Zeit auch nutzen, um Spanisch zu lernen oder sich mit politischen Themen zu befassen, erklärt Christina Engel von der Stiftung Warentest. Sie hat einen Leitfaden zu Weiterbildungen geschrieben. Entscheidend ist aber immer die Anerkennung eines Kurses als Bildungsurlaub. Die Bedingungen dafür regelt jedes Land selbst, erläutert Marta Böning, Arbeitsrechtsexpertin vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Sind auch Sprachreisen erlaubt? Auch Sprachreisen kämen prinzipiell infrage, erklärt Engel. Hier müssen Berufstätige aber auf Details in den Landesgesetzen achten: Nordrhein-Westfalen schreibt beispielsweise vor, dass Kurse maximal 500 Kilometer von der Landesgrenze entfernt stattfinden dürfen.

Welche Fristen gibt es für den Antrag? Beschäftigte müssen den Bildungsurlaub rechtzeitig beim Arbeitgeber beantragen. In den meisten Ländern gilt eine Frist von sechs Wochen vor Beginn, in einigen Ländern sind es auch vier oder acht Wochen.

Kann der Chef Nein sagen? Ja. Zum einen aus dringenden betrieblichen Gründen, erklärt Gisbert Seidemann, Arbeitsrechtler aus Berlin. Hier gilt dasselbe wie beim normalen Urlaub: Haben im gewünschten Zeitraum schon zu viele Kollegen freie Tage angemeldet, darf der Chef den Bildungsurlaub ablehnen. "Das gilt auch, wenn bei einem Großauftrag die Hütte brennt." In diesem Fall muss der Chef den Bildungsurlaub aber zu einem anderen Zeitpunkt gewähren, erklärt DGB-Juristin Böning. Arbeitnehmer können dann verlangen, dass der Anspruch ins nächste Jahr übertragen wird.

Kann der Chef den gewünschten Kurs ablehnen? Unter Umständen schon. So könne der Chef infrage stellen, ob etwa ein Sprachkurs für eine Krankenschwester als Bildungsurlaub anzusehen ist, sagt Seidemann, der Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins ist. Es sei für den Arbeitgeber aber sehr schwer, damit durchzukommen, wenn der Kurs im jeweiligen Bundesland als Bildungsurlaub anerkannt ist. Mitunter versuche der Chef, darauf zu pochen, dass eine berufliche Weiterbildung einen Mindestnutzen für den Arbeitgeber haben muss. Das lässt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ableiten (Az.: 9AZR 381/98). Ganz so einfach ist die Sache aber nicht: Denn ein Schwerpunkt des Bildungsurlaubs liege auch auf politischer Bildung, die in erster Linie der Persönlichkeitsentwicklung des Arbeitnehmers dient. Ein Mindestnutzen für den Arbeitgeber sei daher in diesem Zusammenhang nicht notwendig, erklärt Seidemann. Bei beruflichen Weiterbildungen kommt es dagegen darauf an, dass der Arbeitgeber ein "Mindestmaß an greifbarem Vorteil" hat, ergänzt Böning. Allzu enge Grenzen darf er dabei aber nicht setzen: Will ein Bankangestellter etwa Französisch lernen, könne das durchaus einen Nutzen für den Arbeitgeber beinhalten. Ein Bäcker hätte hierbei eher schlechte Karten.

Wer trägt die Kosten? Der Arbeitnehmer. Er kann von seinem Arbeitgeber nur die Fortzahlung des Lohns verlangen. Berufstätige sollten sich aber informieren, ob etwa eine Bildungsprämie oder Förderprogramme der Bundesländer für sie infrage kommen.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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