Berufswahl:Girls' Week statt Girls' Day

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Heute besuchen Schülerinnen Unternehmen und Hochschulen, um technische Berufe kennenzulernen. Warum Deutschland noch viel mehr Mädchentage braucht.

Nicola Holzapfel

Die Berufswahl zählt mit zu den schwierigsten und weitreichendsten Entscheidungen im Leben. Leider steht sie bei vielen jungen Menschen unter dem Vorzeichen der Ahnungslosigkeit. Der Durchschnitts-Schüler weiß herzlich wenig darüber, was die Berufswelt ihm bieten kann - und, vice versa, was er selbst zu bieten hat.

Eine Frau an einer Fräsmaschine - in deutschen Unternehmen eine Seltenheit. Das Foto zeigt eine Schülerin am Girls' Day 2006. (Foto: Foto: dpa)

Hier setzt der Girls' Day an, den das Bundesbildungsministerium in Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und Gewerkschaften anbietet. Einmal im Jahr sollen Mädchen die Möglichkeit haben, neue Berufsfelder kennen zu lernen. Ziel ist vor allem, ihnen technische Berufe näher zu bringen.

Die Aktion gibt es bereits im sechsten Jahr. Der Girls' Day scheint ein Erfolgsmodell zu sein. Alle finden ihn gut. Die Schülerinnen, die einen Tag Praxisluft schnuppern können. Die Unternehmen, die sich dem Nachwuchs präsentieren können. Selbst einstige Kritiker, die anfangs vehement gegen die Ungleichbehandlung der Jungen wetterten, sind verstummt - inzwischen gibt es die Aktion "Neue Wege für Jungs" als Antwort auf den Mädchentag.

Dass der tatsächliche Erfolg des Girls' Day schwer messbar ist, tritt dabei in den Hintergrund. Zwar melden beteiligte Unternehmen, dass sich Girls'-Day-Besucherinnen für Praktika oder Ausbildungen bei ihnen bewerben, insgesamt steigt der Frauenanteil in technischen Berufen aber nicht. Im Gegenteil: Sowohl bei den Ingenieur-Studiengängen als auch bei informationstechnischen Ausbildungen ist der Frauenanteil in den vergangenen Jahren sogar zurückgegangen.

In den Ingenieurwissenschaften sind nur 20 Prozent der Studenten weiblich. In der Informatik sind es 17 Prozent. Unter den angehenden Fachinformatikern, einem Ausbildungsberuf, sind nur sieben Prozent Frauen. Bei den IT-System-Elektronikern sind es nicht einmal vier Prozent. In Elektrik- und Metallberufen ist der Frauenanteil noch niedriger.

Was junge Frauen stattdessen interessiert, belegt Jahr für Jahr das Ranking der beliebtesten Ausbildungsberufe. Die Top Ten bestimmen Berufe, die wenig Gehalt und kaum Aufstiegsmöglichkeiten bieten: Arzthelferin, Friseurin, Verkäuferin.

Das zeigt, wie nötig der Girls' Day ist. Es geht natürlich nicht darum, einer jungen Frau, die gerne Friseurin werden will, ihren Traumberuf auszureden. Es bringt auch nichts, junge Leute in technische Ausbildungen und Studiengänge zu schleusen, obwohl sie damit nichts anfangen können.

Aber es ist unverzichtbar, sie mehr über ihre Berufswahl zu informieren. Wer Arzthelferin werden will, muss wissen, dass er sich damit für ein mickriges Gehalt entscheidet. Wer gerne mit Menschen arbeitet und mit dem Computer umgehen kann, sollte wissen, dass man dafür nicht zwangsläufig Bürokauffrau werden muss. Wie wäre es mit IT-Projektleiterin?

Natürlich gilt das ebenso für die Jungen. Auch sie brauchen mehr Unterstützung bei der Berufswahl. Der Versuch, sie für schlechter bezahlte Frauenberufe zu interessieren, wie er im Rahmen der Aktion "Neue Wege für Jungs" teilweise unternommen wird, ist sicher nicht der richtige Weg.

Mädchen wie Jungen brauchen mehr Informationen und mehr Praxisluft, um sich vernünftig für einen Beruf und eine Ausbildung entscheiden zu können. Sie brauchen auch mehr Unterstützung, um sich über ihre eigenen Fähigkeiten klar zu werden. Hier könnten sich die Unternehmen ruhig stärker engagieren. Diese Form der Nachwuchsförderung würden ihnen sicher mehr bringen als die ewige Litanei über den drohenden Fachkräftemangel. Und den jungen Leute würde es Perspektiven eröffnen. Ein jährlicher Girls' Day allein reicht dafür nicht aus.

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