Berufsbild:Hochsaison im November

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Friedhofsgärtner Thomas Götz und seine Mitarbeiter machen im Herbst die Gräber winterfest. (Foto: Katharina Trutzl/epd)

Bei Friedhofsgärtnern herrscht akuter Fachkräftemangel - wie in der gesamten Gartenbau-Branche. Wer sein Handwerk versteht, muss sich nicht vor Arbeitslosigkeit fürchten.

Die Luft ist feucht, das Laub raschelt unter den Füßen. Es riecht nach Moos und Pilzen, der Wind weht Wassertropfen von den Bäumen, durch den Morgennebel blinzelt die Sonne. "Ich bin gern auf dem Friedhof", sagt Thomas Götz mit kräftiger Stimme und fränkischem Einschlag. Mit den Händen gräbt er eine Furche in das Grab vor sich, setzt routiniert kleine buschige Pflanzen dicht an dicht. Saftiges Grün am Rand, mittig einige Farbtupfer aus Heidekraut, davor ein Bett aus kleingezupfter Blautanne. "Fertig", sagt der 37-Jährige, steht auf, kniet sich einige Meter weiter wieder hin und beginnt mit dem nächsten Grab.

Der Herbst ist für Friedhofsgärtner wie den Würzburger Götz und seine Mitarbeiter Hochsaison. Ungefähr tausend Gräber pflegt das Familienunternehmen. "Aktuell ist Pflanzzeit. Wir richten die Gräber schön her für die Totengedenktage im November und machen alles winterfest", erklärt der Chef. Er ist seit 20 Jahren Friedhofsgärtner und liebt die Arbeit immer noch. "Das ist ein sehr kreativer Beruf, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht so erwartet", sagt Götz. Den Kunden sei Individualität heute wichtig. Mehrere Gräber gleich oder auch nur nach einem Standardmodell ähnlich zu bepflanzen, sei undenkbar.

Götz ist viel draußen in der Natur, das mag er. "Im Büro sitzen und Rechnungen schreiben, das ist nicht so meins. Dafür habe ich eine Schreibkraft." Gerade der Chef, sagt er, müsse kräftig mit anpacken, auch bei eher mäßigem Wetter und eisigen Temperaturen. "Es gibt doch gute Jacken und lange Unterhosen", findet er. Der 37-Jährige lacht viel und oft: "Auf Friedhöfen wird schließlich schon genug geweint."

Die Liebe zu seinem Beruf ist groß. Aber damit ist Götz zumindest unter jungen Leuten ziemlich alleine. In ganz Bayern haben im vergangenen Jahr nur sechs Auszubildende ihre Gesellenprüfung als Friedhofsgärtner gemacht. "Wir sind nicht gerade ein Modeberuf, die Arbeit ist körperlich anstrengend, und zudem verdient man als Friedhofsgärtner nicht gerade die Welt", räumt Götz ein.

Der Zentralverband Gartenbau wirbt mit der Website Ruhebewahrer.de und einem Filmspot eigens für die Ausbildung zum Friedhofsgärtner. Sorgen um einen Job müssten sich die Absolventen nicht machen, sagt eine Sprecherin der Gesellschaft deutscher Friedhofsgärtner: "Wie in der gesamten Gartenbau-Branche herrscht auch bei den Friedhofsgärtnern akuter Fachkräftemangel. Wer sein Handwerk versteht und gerne arbeitet, muss nicht arbeitslos sein."

Thomas Götz ist oft auf fachfremde Kräfte oder Hilfsarbeiter angewiesen: "Viele halten die Arbeit nur ein paar Tage durch, dann kommen sie nicht mehr. Ganz schlimm ist es mit Praktikanten aus der Schule." Für ihn selbst kam nie ein anderer Beruf infrage: "Ich bin auf dem Friedhof aufgewachsen." Nach der Schule hat er immer schon mitgeholfen. Er führt den Familienbetrieb in dritter Generation. Als seine Eltern vor 17 Jahren starben, wurde er Chef.

Auch wenn die klassische Erdbestattung mit Grab in der Gunst der Deutschen sinkt, Friedwälder oder anonyme Bestattungsarten im Trend liegen: "Die meisten Menschen brauchen einen individuellen Ort für ihre Trauer", glaubt Götz. "Den bieten viele alternative Bestattungsformen nicht." Trends und Moden gibt es auch bei der Gestaltung der Erdgräber: "Noch vor 20 Jahren waren hohe Blühstauden auf Gräbern der Renner." Doch weil es immer länger warm bleibe im Jahr, seien die Pflanzen zu den Feiertagen im November oft schon verblüht. Heute würden Gräber lieber niedrig bepflanzt, auf Friedhöfen größerer Städte oft mit verschiedenfarbiger Besenheide, während im ländlichen Raum Stiefmütterchen sehr gefragt seien.

Wer sein Grab wie bepflanzt haben will, das hat Götz übrigens alles im Kopf: "Auf meine Zettel schau ich nie." Friedhöfe, findet der Gärtner, sollten nicht nur als Ort der Trauer und des Abschied gesehen werden, sondern als "Ort der Lebenden", die sich dort zur gemeinsamen Erinnerung treffen. "Es gibt Friedhöfe, die sind mehr Park als Grabstätte", sagt er, "da finden kulturelle Veranstaltungen statt. Das wünsche ich mir mehr."

© SZ vom 26.11.2016 / epd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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