Berufsbild des Internisten:Generalisten fürs Spezielle

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Internisten haben traditionell die Einheit des menschlichen Organismus im Blick. Doch mit dem technischen Fortschritt stieg in den vergangenen Jahrzehnten auch das Ansehen der Experten. Was ein Internist können sollte.

Nina von Hardenberg

Eine Praxis wie die von Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach dürfte es in Deutschland eigentlich gar nicht mehr geben. Der Internist röntgt, spiegelt Mägen und betreut Diabetiker. "Zu mir kommen Patienten mit Krebserkrankungen genauso wie mit Schilddrüsenstörungen", sagt der Weiterbildungsexperte der hessischen Landesärztekammer.

Hatzbach ist ein Generalist. Auf dem Land bei Marburg, wo er seine Praxis betreibt, schätzen die Patienten sein vielfältiges Wissen. Spezialpraxen sind dort eher selten.

Ärztevertreter hielten Internisten ohne Spezialisierung wie Hatzbach dagegen zuletzt für überflüssig. Auf dem Ärztetag 2002 wurde dieses Berufsbild kurzerhand abgeschafft - zu Unrecht, wie die Ärzteschaft jetzt erkennt.

Es geht um die Frage, ob ein Arzt mehr Spezialist oder Generalist sein sollte. Internisten haben traditionell die Einheit des menschlichen Organismus im Blick. Doch mit dem technischen Fortschritt stieg in den vergangenen Jahrzehnten auch das Ansehen der Experten.

Falsche Novelle

Immer mehr Internisten spezialisierten sich auf Fachgebiete wie die Kardiologie - ein Trend, den die Bundesärztekammer schließlich festschrieb. Mit der Weiterbildungsnovelle 2002 schaffte sie den Internisten als Generalisten ab. Junge Ärzte, die sich im Fachgebiet innere Medizin weiterbilden wollen, müssen sich seitdem für ein Spezialgebiet entscheiden.

Als Alternative bleibt ihnen sonst nur die Weiterbildung zum Hausarzt. Eine Fehlentscheidung, wie sich nun herausstellt: Nicht nur bemängelt die EU, dass es in Deutschland keine einfachen Internisten mehr gibt; auch fehlen hierzulande inzwischen die Generalisten.

Kleine Krankenhäuser, die sich mehrere Spezialisten nicht leisten können, trauern den Allroundern ebenso nach wie Patienten in dünn besiedelten, ländlichen Regionen. Der Grund ist offensichtlich: Den neu geschaffenen Allgemeinärzten, die in fünf Jahren auf den Praxisalltag vorbereitet werden, fehlt das Wissen, das der Internist alter Prägung hatte.

Gefahr der Unterversorgung

Dieser sogenannte "Facharzt für Innere Medizin" durchlief eine sechsjährige Ausbildung auf verschiedenen Krankenhausstationen. Er lernte Magen- und Darmspiegelungen ebenso wie Kreislauftests am Herzen - Untersuchungen, welche die meisten Hausärzte nicht selbst durchführen.

Politisch ist die Trennung zwischen Generalist und Spezialist gewollt. Die Gesundheitspolitik möchte den Hausarzt als erste Anlaufstelle für Patienten etablieren. Er soll die Masse auffangen und nur schwierige Fälle an teure Spezialisten überweisen.

Doch der Plan kann in ländlichen Gebieten zu Unterversorgung führen, fürchtet Knoblauch. "Krankenhäuser, die eine Grundversorgung anbieten, brauchen breit ausgebildete Internisten", sagt er.

© SZ vom 15.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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