Beruf mit Zukunft:Mit Zahlen jonglieren

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Aktuare sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Sie müssen fit in Statistik sein, aber auch etwas von Marketing verstehen. Für Mathematiker, die sich weiterentwickeln wollen, gibt es passende Fortbildungen.

Von  Christine Demmer

Auf den Cent ausrechnen, mit wie viel Geld Menschen im Alter rechnen können, wer kann das schon. Melissa Ruby zum Beispiel kann es. Die promovierte Mathematikerin arbeitet als Aktuarin bei einem Risikolebensversicherer in Saarbrücken. Sie berechnet die bilanziellen Verpflichtungen gegenüber den Versicherungsnehmern und plant die künftige Geschäftsentwicklung. "Das nennt man aktuarielle Steuerung", sagt Ruby und addiert noch eine generelle Tätigkeitsbeschreibung dazu. "Wir Aktuare unterstützen die Geschäftsleitung mit Projektionsrechnungen des vorhandenen Bestands an Versicherungen sowie des Bestands an Kunden."

Der Weiterbildungsberuf verlangt einen Hochschulabschluss und ist ähnlich anspruchsvoll wie der des Wirtschaftsprüfers. "90 Prozent unserer Mitglieder haben Mathematik oder Wirtschaftsmathematik studiert", erläutert Wilhelm Schneemeier, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) in Köln. Etwa ein Jahr nach dem Berufseinstieg, meist bei einer Versicherung, beginnen sie mit der berufsbegleitenden Weiterbildung. "Wenn man als Mathematiker beruflich vorankommen will, braucht man diese finanzmathematische Weiterbildung", sagt Melissa Ruby. Sie nützt nicht nur fachlich: "Über die Kollegen in den Seminaren kann man sich ein Netzwerk aufbauen, und die Kontakte bleiben ein Leben lang."

Die Berufsbezeichnung "Aktuar" ist nicht geschützt. Sachkenntnis und eine bestandene Abschlussprüfung bezeugt hingegen der Titel "Aktuar DAV". Die von der Aktuarvereinigung organisierte Weiterbildung dauert etwa drei Jahre und umfasst vor allem das Studium zu Hause. Dazu kommen Seminare und Repetitorien. "Für die Prüfung müssen bis zu zwölf Klausuren geschrieben und bestanden werden", betont Schneemeier. Man dürfe nicht denken, das sei mit links zu schaffen. Im Grundstudium geht es um statistische Methoden und Risikotheorie, Modellierung, Versicherungswirtschaftslehre und Rechnungslegung. Danach spezialisieren sich die Prüflinge auf Lebensversicherung, Altersvorsorge oder Schaden- und Unfallversicherung. In der Regel bezahlen die Arbeitgeber die Weiterbildung. Sie kostet je nach Seminarbesuch zwischen 10 000 und 12 000 Euro.

Die Fachleute befassen sich mit mannigfaltigen Themen. Dazu gehört auch der Vertrieb

Aktuare sind in der Versicherungswirtschaft, in Banken und Bausparkassen sowie bei Behörden angestellt. Mit Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik berechnen diese Fachleute die Lebenserwartung und Risiken, kalkulieren Prämien, ermitteln die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden und die Rendite von Kapitalanlagen. "55 Prozent der angestellten Aktuare arbeiten bei Erstversicherungen, 18 Prozent bei Beratungsunternehmen, 13 Prozent bei Rückversicherungen; sie sind in allen Hierarchieebenen vertreten", erklärt Schneemeier. "Aktuare können auch selbständig tätig sein. Viele beraten große Unternehmen, die oft eigene Pensionskassen haben, bei der betrieblichen Altersversorgung. Andere rechnen im Auftrag von Versicherten aus, auf welche Weise sie das Beste aus ihrem Geld machen können.

Ellen Ludwig leitet die Geschäfte eines Marktanalysten in Hamburg. Die 48-jährige Geschäftsführerin hat in Salzburg Mathematik studiert. Als sie nach dem Studium bei einer Versicherung anfing, hieß das noch Mathematikabteilung. Seit 1994, als das Personenversicherungswesen dereguliert wurde, müssen alle Assekuranzen einen "Verantwortlichen Aktuar" nachweisen. "Als die Weiterbildung angeboten wurde, kam mein Chef zu mir und meinte: ,Melden Sie sich gleich an'", erzählt Ludwig. Das tat sie, denn sie fand die Idee großartig: "Als Mathematiker hat man mit der Zusatzqualifikation Aktuar bessere Entwicklungschancen."

Schiebt man in dem Beruf den ganzen Tag Zahlen hin und her? "Überhaupt nicht", betont Ludwig. "Wir haben es mit vielfältigen Themen zu tun, mit Versicherungsbedingungen, mit Marketing, Marktforschung und Vertrieb. Wenn man ein Produkt entwickelt, das zwar toll kalkuliert ist, sich aber nicht verkaufen lässt, dann nützt das keinem", erläutert sie.

Die Nachfrage nach Aktuaren ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Und das wird laut Schneemeier so bleiben. Zu Beginn dieses Jahres trat Solvency II in Kraft, das neue europäische Aufsichtssystem für Versicherungen. Damit wurden unter anderem die Versicherungsmathematische Funktion und die Risikomanagementfunktion eingeführt, wodurch eine Menge neuer Aufgaben auf Aktuare zukommen. "Früher war das eine Männerdomäne", sagt Schneemeier, "heute übersteigt der Frauenanteil unter den Studien- und Berufsanfängern deutlich den der Männer. Knapp 60 Prozent der Aktuare und Prüflinge unter 25 Jahren sind weiblich." Ellen Ludwig findet das ganz normal: "Den Mädchen wird nur oft eingeredet, dass sie keinen Zahlensinn hätten."

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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