Beruf DJ:Profis am Plattenteller

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Florian Keller ist Diskjockey. Er hat Karriere gemacht und wird von Clubs in London und Moskau gebucht - doch Leuten mit ausgeprägtem Sicherheitsdenken kann er den Beruf nicht empfehlen.

J. Fischer

Florian Kellers Arbeitsnächte fangen meist schon am späten Nachmittag an. Bevor er das Taxi zum Club nimmt und die DJ-Kanzel besteigt, hat er schon mehrere Stunden gearbeitet: Routineaufgaben wie Platten sortieren und hören, den Plattenkoffer entsprechend des Anlasses neu bestücken, Flyer einpacken, am Computer eine letzte Massen-SMS für den heutigen Abend verschicken, prüfen, wer alles auf die Gästeliste möchte. Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei die Arbeit, die Florian in die Beschaffung seiner Platten investiert. Sein Ruf als Diskjockey - und damit sein Wert auf dem Arbeitsmarkt - nährt sich auch vom Mythos seiner Raritäten.

Früher ist er oft wochenlang nach Amerika gefahren, um sich dort durch Lagerhäuser, Flohmärkte und Heilsarmeeläden zu wühlen. Heute hat sich der Schwerpunkt seiner Suche ins Internet verlagert: Um an begehrte Platten zu kommen, durchforstet er regelmäßig Verkaufsseiten wie Ebay und engagiert sich in spezialisierten Netzforen.

Glamouröse Stunden auf der DJ-Kanzel

Traumberuf Diskjockey: Florian legt Musik auf, die ihm gefällt, geht tage- und nächtelang seiner Sammelleidenschaft nach - und wird dafür auch noch bezahlt. Und doch sind die paar glamourösen Stunden auf der DJ-Kanzel nur ein kleiner Teil seines Arbeitsalltags. "Insgesamt komme ich", sagt er, "bei zwei Arbeitsnächten auf eine 40-Stunden-Woche."

Da sind die Anreisewege zu Gigs, die mal wenige Autostunden, mal einen Flugtag entfernt liegen. Das Entwerfen von Postern und Flugblättern sowie die Pflege einer eigenen Website. Und nicht zuletzt das ständige Checken von Internet-Radiosendungen, Podcasts und Platten, um den musikalischen Wissensvorsprung auszubauen, die Exklusivität der eigenen DJ-Sets zu sichern.

Heute gehört der 41-jährige Münchner zu denen, die es geschafft haben: Er wird von Clubs in London, Barcelona, Beirut und Moskau gebucht. Und doch hat er meist nur am Wochenende bezahlte Arbeit und gibt - wie die meisten anderen DJs auch - bis zur Hälfte des verdienten Geldes wieder für Platten aus.

Liebe zur Musik

Keine Frage: Es ist schwer, die Leidenschaft zum Lebensunterhalt zu machen. Das Medienbild des DJ-Berufs täuscht: Die Handvoll Diskjockeys, die wie Popstars verehrt werden und entsprechende Gagen verlangen können, sind eine kleine Minderheit. "Jeder DJ, der noch keinen Chart-Hit hatte", sagt Florian Keller, "sollte sich damit anfreunden, in erster Linie Dienstleister zu sein." Er selbst wollte sich mit dem Plattenauflegen ursprünglich nur sein Studium als Industriedesigner finanzieren. Dann merkte er, wie viel Spaß ihm der Job machte - und dass er davon, wenn auch eher schlecht als recht, leben konnte.

Welche besonderen Qualitäten er dafür mitbrachte? "Die Liebe zur Musik", sagt er. Da DJ keine offiziell geregelte Berufsbezeichnung ist, bleiben die entsprechenden Qualifikationen oft im Nebulösen, können DJ-Akademien viel Geld für eine Ausbildung verlangen, die vom sauberen Mixen bis zur Harmonieschulung reicht.

Auf der nächsten Seite: Feste Arbeitsverträge sind in der Branche eine Seltenheit: Läuft es mal einen oder mehrere Abende mies, steht der DJ im Handumdrehen auf der Straße.

Im Handumdrehen auf der Straße

Florian Keller ist in jeder Hinsicht Autodidakt, und er bezweifelt, dass man den Beruf lehren kann. "Natürlich kann man sich in einem Kurs den Umgang mit Mischpult, Plattenspielern und moderner computergesteuerter DJ-Technik erklären lassen. Doch das ist in ein, zwei Stunden erledigt - und macht aus einem Plattendreher noch keinen guten DJ." Wichtiger sei es, erfahrenen Kollegen bei der Arbeit zuzuschauen. Vor allem aber profitiere man auf der DJ-Kanzel durch learning by doing: Nicht nur, um die Eins im Takt zu finden, sondern auch, um sich für Stimmungen des Publikums zu öffnen, eine gewisse langfristige Dramaturgie zu entwerfen und, wie er sagt, "die eigene Leidenschaft ansprechend zu verpacken".

Den Nachteil, kaum gegen Krankheitsausfälle oder Berufsunfähigkeit versichert zu sein, nimmt Florian Keller für diese Leidenschaft in Kauf. Feste Arbeitsverträge sind in der Branche eine Seltenheit: Läuft es mal einen oder mehrere Abende mies, steht der DJ im Handumdrehen auf der Straße. Um das Risiko zu mindern, hat er in den ersten Jahren seiner Karriere regelmäßig auf Hochzeiten und Firmenfeiern aufgelegt, "gut bezahlte Gigs, bei denen der eigene Musikgeschmack allerdings nichts gilt". Hier müsse man sich vom Künstlergedanken verabschieden und einfach den Gesetzen des massenkompatiblen Pop folgen.

Dennoch glaubt er, dass gerade diese Tätigkeit Diskjockeys am meisten lehre, ihr musikalisches Gefühl und ihre Kommunikationsfähigkeit schule. Entsprechend würdigt er die Kollegen, die ihren Beruf als rein funktionale Dienstleistung ausüben und sich mitsamt Anlage für Feuerwehrfeste wie Familienfeiern anbieten: "Das ist die Basis unseres Berufs: unserem Publikum gute Laune zu machen. Schließlich zählt es am Ende nicht, wie viele Raritäten du im Koffer hast, sondern wie viele Menschen du mit deiner Musik zum Tanzen bringst."

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