Belastung im Job:Lampe schluckt Lärm

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Dem einen ist es im Großraumbüro zu laut, der anderen zu warm. In einem Labor in Kaiserslautern arbeiten Forscher daran, Geräusche und Temperaturen für jeden Mitarbeiter einzeln zu regeln.

Von Jasper Rothfels/dpa

Wer auf einem Stuhl im Büro von Sabine Hoffmann Platz nimmt, der verspürt unter Umständen bald ein frisches Gefühl am Gesäß. Das liegt an einer Kühlfunktion des Stuhls: Bei Knopfdruck pusten kleine Ventilatoren in Sitz und Rückenlehne durch Stoff und Kleidung Luft auf die Haut. Das werde vor allem von Männern geschätzt, die im Sommer, wenn sie verschwitzt seien, auf diese Weise "trockengelegt" würden, sagt die Professorin.

Die Wissenschaftlerin der Technischen Universität Kaiserslautern arbeitet mit Kollegen vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) daran, die Büroumgebung so zu verbessern, dass das Wohlbefinden steigt. In einem kürzlich am DFKI eröffneten Labor, dem "Living Lab smart office space", entwickeln sie Technikkonzepte "für das Büro von morgen" - im Selbstversuch. Das sei in dieser Form bundesweit einmalig, sagt Hoffmann, die nach eigenen Angaben die Idee zu diesem Labor hatte.

Aus Sicht der 44-Jährigen sollten Chefs durchaus darauf achten, dass es den Mitarbeitern am Arbeitsplatz nicht zu kalt, zu heiß oder zu laut ist. "Wenn es einem nicht behaglich ist, arbeitet man nicht gern und ist weniger produktiv", sagt die Professorin für Gebäudesysteme und Gebäudetechnik. Das Problem: "Es ist ganz schwierig, ein Raumklima hinzubekommen, in dem alle zufrieden sind." Denn das Temperaturempfinden unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Deshalb suchen die Experten nach individuellen Lösungen, die zudem energiesparend sein sollen.

Für mehr Kreativität und Leistungsfähigkeit sollen sich Kollegen im Büro künftig öfter zufällig begegnen - aber auch abkapseln können. Einblicke in die neue Bürowelt gab es im Januar in Frankfurt auf der Sonderschau "Büro der Zukunft". (Foto: Steelcase/Paperworld Messe Frankfurt/dpa)

Ein Beispiel ist der kühlende Bürostuhl. Ein Hersteller hatte die Sitzgelegenheit, die auch über eine Wärmefunktion verfügt, entwickelt. Hoffmanns Team machte eine Feldstudie dazu, die bei der Optimierung des Produkts half. "Die Ventilatoren waren am Anfang zu laut, der Sitzkomfort war nicht gut genug", sagt die Professorin. Inzwischen ist der Stuhl auf dem Markt. Günstig ist er nicht: Der Basispreis mit Heizung und Lüftung nur im Sitz liegt laut Firma bei 884 Euro, die erweiterte Variante kostet 987 Euro.

In einer weiteren Studie wird untersucht, wie eine Arbeitsplatzleuchte mit integrierter Soundfunktion im Großraumbüro ankommt. Das mannshohe Gerät kann über dem Schreibtisch ein monotones Lüftungsgeräusch produzieren, das wie ein "Rausch-Schleier" störende Stimmen von Kollegen im Büro überdecken soll. Die Dämpfung soll lokal erfolgen und nicht zentral über ein Lautsprechersystem - das störe die Menschen, sagt Hoffmann mit Verweis auf Versuche. "Die Leute wollen ihre Umgebungsbedingungen kontrollieren können."

Professorin Sabine Hoffmann von der Technischen Universität Kaiserslautern, unter einer Leuchte, deren Farbtemperatur sich verändern lässt. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Informatiker vom DFKI unterstützen Hoffmann und Kollegen, indem sie mit bestimmten Methoden untersuchen, wie Hitze und Lautstärke die Aufmerksamkeit von Testpersonen beeinflussen und ob Maßnahmen wie das beschriebene "Soundmasking" wirken. Sie beobachten zum Beispiel die Augenbewegung eines Probanden beim Lesen. Dieses Eyetracking zeige, ob die Menschen größere Probleme mit dem Textverständnis hätten oder ob es besser geworden sei, sagt der Leiter des DFKI-Kompetenzzentrums Virtuelles Büro der Zukunft, Heiko Maus. Die Anti-Lärm-Leuchte wird derzeit in der Praxis getestet. Die Resonanz ist unterschiedlich. Schlüsse könne man erst am Ende der Studie ziehen, sagt Hoffmann.

Bereits zu haben ist eine Innenraum-Leuchte, die ein Licht mit den physikalischen Eigenschaften von Tageslicht ausstrahlt. Es spreche Zellen im Auge an, die die Produktion eines Hormons mit anregender Wirkung förderten, sagt Sabine Hoffmann. Die Wissenschaftler wollen klären, ob die Wirkung messbar ist und ob sie sich steuern lässt. Schließlich sollen die Leuchten mit der Außenhülle des Gebäudes gekoppelt werden, das mit speziellen Glasscheiben ausgerüstet wird. Der Bund fördert das Projekt mit 2,3 Millionen Euro.

Hoffmann und Kollegen forschen nicht allein in diesem Bereich. Zu den Mitbewerbern gehören zum Beispiel das Fraunhofer Institut in Stuttgart und das Karlsruher Institut für Technologie. Und diese Forschungen betreffen viele. "Derzeit arbeiten mehr als 22 Millionen Menschen in Deutschland zumindest zeitweise an einem Büroarbeitsplatz", sagt Barbara Schwaibold, Sprecherin des Industrieverbands Büro und Arbeitswelt. Das sei etwa die Hälfte der Erwerbstätigen. Zugleich gebe es einen Trend zu größeren Büros. Nach einem Umzug klagten Beschäftigte oftmals über eine laute Umgebung und über zu hohe oder zu niedrige Temperaturen. Schwaibold: "Hier können individuelle Steuerungen Abhilfe leisten."

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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