Bauprojekte an Universitäten:Zwischen Gips und Grips

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Dank Konjunkturpaket wird an deutschen Unis eifrig geplant und gebaut -doch Geld für Beton ist keine Investition in die Köpfe. Die Qualität der Bildung bleibt so bitter wie gehabt.

Johann Osel

Er lerne zwar gerade Keyboardspielen, aber keine Sorge: "Es ist nicht laut, weil ich einen guten Kopfhörer habe." Ansonsten sei der Masterstudent aus Thailand "ruhig, sauber und Nichtraucher", heißt es in der Suchanzeige für ein WG-Zimmer. So wie knapp 280 weitere Duisburger Studenten läuft der Mietvertrag des 24-Jährigen im Wohnheim Kammerstraße im Oktober aus. Dann wird das Gebäude dichtgemacht und saniert. "Dringend nötig" sei das für die in die Jahre gekommene Anlage, sagt Petra Karst vom dortigen Studentenwerk, das derzeit versucht, möglichst viele Bewohner auf andere Häuser umzuverteilen. Nur habe es bisher eben "das finanzielle Problem" gegeben. Bisher. Konjunkturpaket sei dank, wird der knapp 30 Jahre alte Klotz nun mit 7,9 Millionen Euro auf Vordermann gebracht, energetisch gedämmt und saniert vom Dach bis zu den Fenstern. In den kommenden Wochen sollen die Handwerker anrücken.

Die Bundesregierung investiert mit dem zweiten Konjunkturpaket 6,5 Milliarden Euro für Bildungsinfrastruktur, an den Hochschulen fließt das Geld in Neubauten, energetische Sanierung, IT-Infrastruktur oder die Anschaffung von Großgeräten. Wie viel tatsächlich im universitären Bildungsbereich landet, entscheiden die Länder in Eigenregie, sie müssen auch ein Viertel der Kosten selber tragen. Die Mittel müssen laut Bund bis Ende 2010 abgerufen werden, begonnene Maßnahmen dürfen bis 2011 beendet werden - Ziel ist ja die kurzfristige Konjunkturbelebung.

Große Pläne in den Schubladen

Jedoch nicht überall können gleich die Bauarbeiter loslegen, Bauprojekte und Genehmigungsverfahren bleiben auch in Konjunkturpaketszeiten bürokratische Akte. So liegen in allen Ländern zwar große Pläne in den Schubladen. Ein Bericht des Bundesrechnungshofs stellte aber vor kurzem fest, dass die Länder die Gelder aus dem Konjunkturpaket bisher schlecht abgerufen haben - bis jetzt nur zu einem Bruchteil. Man habe daher Zweifel, ob der für das Jahr 2009 vorgesehene Konjunkturimpuls überhaupt eintrete, heißt es.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hingegen warnt davor, die Effekte des Konjunkturpakets kleinzureden. Dass die Gelder noch nicht überall abgerufen seien, liege auch daran, dass Projekte erst nach Abschluss bezahlt würden.

Warten auf neue Hörsäle

Transparenz über die Umsetzung an den Unis und Fachhochschulen herzustellen, ist ein schwieriges Unterfangen: Zwischen Planung, Mittelbewilligung, Auftragsvergabe, Baufreigabe und Baubeginn stecken derzeit noch viele Projekte fest. Dass aber durch das Paket tatsächlich schon einiges in Bewegung gekommen ist, wird vielerorts sichtbar: An der Uni Koblenz-Landau zum Beispiel sollen insgesamt fast 18 Millionen Euro verbaut werden, unter anderem in einem Neubau für den Fachbereich Chemie. "Die Bagger sind noch nicht da", sagt ein Sprecher der Uni, ansonsten laufe die Bauplanung aber "auf Hochtouren". 2011 soll - so sei es schließlich die Vorgabe der Bundesregierung - das Projekt spätestens abgeschlossen sein.

Andere Universitäten warten auf neue Hörsäle, Bibliotheken und Labore, Sanierungen von ganzen Campus-Anlagen, Verwaltungsgebäuden, Mensen und Wohnheimen; Heizungen und Rohre werden ausgetauscht, Dächer, Fenster, Fassaden erneuert und gedämmt; Sportplätze und elektronische Schließanlagen werden angeschafft, EDV-Räume optimiert, Operationssäle eingerichtet und Dolmetscherkabinen aufgezogen.

Freude über den Geldsegen

In Bayern ist das Wissenschaftsministerium mit 283 Millionen Euro für die Hälfte der Konjunkturpaketmittel zuständig, unter anderem soll es 16 große Baumaßnahmen an Unis und Fachhochschulen im ganzen Freistaat geben; für acht liegt laut einer Sprecherin des Ministeriums bereits die Baufreigabe vor. An der Uni Bamberg und der FH Augsburg erfolgen in diesen Tagen die Spatenstiche für neue Institutsgebäude, auch an der Münchner Universität wurde mit Vorbereitungen für den Anbau eines Hörsaaltraktes begonnen; Anfang 2010 sollen dort die Arbeiten losgehen.

Quer durch die Republik herrscht Freude über den Geldsegen - Kritiker führen unterdessen immer wieder auf, dass die Sanierungen oft zwingend notwendig sind und man diese schon längst aus den laufenden Haushalten hätte finanzieren müssen; und dass Aufwendungen für Beton nicht automatisch Investitionen in die Köpfe sind. In einer aktuellen Bestandsaufnahme des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) heißt es: "Investitionen in die Verbesserung der Gebäudestruktur im Bildungsbereich erscheinen zwar grundsätzlich sinnvoll. Allerdings haben sie keinen Einfluss auf die Qualität des Bildungssystems." Somit gingen davon auch "keine langfristigen Wachstumseffekte" aus, sie stellen deshalb "keine Zukunftsinvestitionen" dar.

Chronisch unterfinanziert

Auf gut Deutsch: Eine hoffnungslos überfüllte Lehrveranstaltung bleibt hoffnungslos überfüllt, auch wenn sie unter einem Dach abgehalten wird, durch das es nicht durchregnet. Und von Neubauten alleine wird niemand klüger, wenn es keine Stellen für zusätzliche oder bessere Lehrangebote gibt. Zudem, so die Studie, sei es "inakzeptabel, dass es erst einer außerplanmäßigen Investitionsentscheidung während einer konjunkturellen Notlage bedarf, um teilweise essentielle Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen". 70 Prozent der Zusatzmittel im Bildungsbereich dienen laut DIW nur der Bestandserhaltung. "Geld für Gips statt Geld für Grips", nennt das DIW-Präsident Klaus Zimmermann.

An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zum Beispiel kann man sich über das Konjunkturpaket nicht so recht freuen. Die Hochschule ist nach eigenen Angaben derzeit im Umfang von 88 Stellen chronisch unterfinanziert, lokale Medien beschwören bereits ihren finanziellen Exitus herauf. Pharmaziestudenten müssten Reagenzgläser anteilig selbst bezahlen, sagt Ute Larsen vom MLU-Studierendenrat, die Betreuungsquoten seien katastrophal. Weitere Sparmaßnahmen drohen der Universität durch den Doppelhaushalt 2010/11 der Landesregierung; und wahrscheinlich soll ihr auch noch die Investitionszulage in Höhe von 1,7 Millionen Euro gestrichen werden, eine besondere staatliche Subvention für förderbedürftige Regionen in Ostdeutschland. Dafür stünden ja die Gelder aus dem Konjunkturpaket bereit, argumentiert ein Vertreter der Landesregierung.

Verantwortung für Bildung übernehmen

Alltägliche Laborausstattung oder Schränke werden dann mit dem Paket bestritten, sagt Larsen. Diese Zweckentfremdung führe den eigentlichen Gedanken des Pakets ad absurdum. Die Stimmung an der Universität sei "dementsprechend aufgeheizt". Die Bundespolitik solle nicht nur zur Wahl damit werben, sondern wieder Verantwortung für Bildung übernehmen, sagt Larsen. Es gehe auch darum, "dass der schwarze Peter nicht ständig zwischen Uni, Land und Bund hin- und hergeschoben werden kann".

Während für das Konjunkturpaket Geld ausgegeben wird, steht etwa die Fortsetzung der großen Programme für die Forschung und mehr Studienplätze ("Hochschulpakt 2020") unter einem Haushaltsvorbehalt. Die neue Bundesregierung muss entscheiden, welche Richtung sie hier einschlagen will. Und einschlagen kann - nach dem Kassensturz.

© SZ vom 28.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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