Arbeitsrechtler :Anonym oder offen

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Manfred Schmid ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. (Foto: privat)

Manfred Schmid erklärt, wie Arbeitnehmer ihren Chef davon überzeugen können, dass ihre Mehrarbeit entlohnt oder mit Urlaubstagen verrechnet wird.

Interview von Ina Reinsch

Manfred Schmid ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Pinsent Masons in München. Er erklärt, was Arbeitnehmer tun können, um die Bezahlung ihrer Überstunden durchzusetzen - und warum der Chef nicht mit Sanktionen reagieren darf.

SZ: Was kann ein Arbeitnehmer tun, der mit seinem Verlangen auf Freizeitausgleich oder Ausbezahlung der Überstunden beim Chef auf taube Ohren stößt?

Manfred Schmid: In einem ersten Schritt sollte er in seinen Arbeitsvertrag schauen, ob es sogenannte Ausschlussfristen gibt. Häufig ist dort nämlich geregelt, dass er Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist, zum Beispiel drei Monate, geltend machen muss. Tut er das nicht, verfällt der Anspruch. In einem zweiten Schritt sollte er sich gedanklich auf eine Auseinandersetzung vorbereiten und die Überstunden genau dokumentieren. Gibt es in der Firma einen Betriebsrat, kann er sich an diesen wenden. Schaltet der Arbeitgeber trotzdem auf stur, sollte er einen Anwalt befragen. Der kann ihn zunächst fachlich dabei unterstützen, seine Forderung selbst mithilfe eines privaten Schreibens geltend zu machen. Hilft das nicht, wird ein Anwaltsschreiben folgen. Im letzten Schritt bleibt ihm aber nur die Klage vor dem Arbeitsgericht. Eine Frist dafür gibt es nicht. Der Anspruch auf Bezahlung von Überstunden verjährt aber innerhalb von drei Jahren.

Kann ein Arbeitnehmer den Betrieb anonym wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz anzeigen?

Ja, das kann er tun und zwar beim Gewerbeaufsichtsamt. Die Ämter gehen zwar mit anonymen Anzeigen kritisch um, da ihnen immer der Ruch des Denunziantentums anhaftet. Sie werden eine solche Anzeige aber prüfen. Eine namentliche Anzeige ist dagegen eher unratsam, weil der Name nach aller Erfahrung in den Akten auftaucht und der Arbeitgeber bei der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens Einblick in die Akten nehmen kann.

Muss arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten, wer seine Überstunden einklagt oder den Chef anzeigt?

Ein Arbeitnehmer, der eigene Rechte in zulässiger Weise geltend macht, darf nicht benachteiligt werden. Das sieht das sogenannte Maßregelungsverbot in § 612a des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor. Wer die Bezahlung von Überstunden einklagt, darf aus diesem Grund nicht abgemahnt oder gekündigt werden. Bei einer namentlichen Anzeige wird es allerdings kritisch. Da befindet man sich schnell in der sogenannten Whistleblower-Problematik, die rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist. Hier gilt derzeit, dass der Mitarbeiter zunächst nach innen alles versuchen muss, um den Missstand zu bekämpfen. Erst dann darf er sich an die Öffentlichkeit wenden.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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