Arbeitsmarkt für Akademiker:Ausländer bleiben hier

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Während der Fachkräftemangel Milliarden kostete, tat die Politik ihr bestes, hochqualifizierte Ausländer nach ihrem Studium wieder los zu werden. Doch nun gibt es eine Trendwende - die Akademiker bleiben hier.

R. Preuß

Bis zum Herbst vergangenen Jahres war es so: Wer als Chinese oder Pole das Examen an einer deutschen Hochschule bestand, durfte ein Jahr bleiben, um eine Arbeit zu suchen. Doch selbst wer die Zusage des künftigen Chefs in der Tasche hatte, konnte noch nicht jubeln. Denn die Arbeitsagentur musste akribisch prüfen, ob sie für die Stelle nicht einen deutschen oder anderen EU-Bürger findet. Die eigene Bewerbung konnte also einem anderen Akademiker die umworbene Stelle bescheren.

Ausländische Studenten: Viele fassen nun in Deutschland Fuß. (Foto: Foto: dpa)

Cheng Mi hat diese Ochsentour erfolgreich überstanden und arbeitet heute als Software-Ingenieur in Stuttgart. "Aber ich kenne viele Leute, die das Land lieber verlassen haben'", sagt der chinesische Informatiker mit Blick auf die durchstandene Bürokratie-Marter. Und so blieben im Jahr 2006 gerade einmal etwa 2700 ausländische Absolventen zum Arbeiten im Land.

Eine Steigerung von 100 Prozent

Nun aber lässt sich eine Trendwende vermelden. Nachdem die große Koalition vergangenes Jahr im brandenburgischen Meseberg beschlossen hat, die Prüfung durch die Arbeitsagenturen abzuschaffen, bleiben immer mehr Akademiker. Laut Bundesinnenministerium stieg die Zahl dieser Absolventen vergangenes Jahr auf etwa 4400 und steht nach den ersten neun Monaten dieses Jahres bereits bei 4550. Ende des Jahres wird es voraussichtlich gut 6000 ausländische Jungakademiker mit neuen Aufenthaltserlaubnissen geben - eine Steigerung von mehr als 100 Prozent im Vergleich zu 2006. Meseberg trägt also Früchte.

Berlin verabschiedet sich damit von einer absurden Regelung: Während eine Studie des Wirtschaftsministeriums schon vergangenes Jahr feststellte, dass der Fachkräftemangel die Volkswirtschaft jedes Jahr 20 Milliarden Euro kosten dürfte, wiesen die Ausländerbehörden Tausenden ausländischen Absolventen deutscher Hochschulen die Tür - nachdem ihnen der Steuerzahler eine teure Ausbildung finanziert hatte. Immerhin, so hoffte man, würden die Fachkräfte dann in ihre - oft armen - Heimatländer zurückkehren und dort die Wirtschaft ankurbeln. Doch viele suchten ihr Glück in Nordamerika.

Dass nun viele hier Fuß fassen, sehen die Hochschulen als großen Fortschritt. Die Entwicklung sei "sehr erfreulich", sagt der Vizepräsident der Hochschulrektoren-Konferenz Dieter Lenzen. Der Professor hofft durch die besseren Aussichten auf einen Job nun auch mehr begabte Ausländer an deutsche Hochschulen locken zu können und damit eine unerfreuliche Entwicklung umzukehren.

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Praktikum nicht möglich

Seit 2003 sinkt die Zahl der ausländischen Studienanfänger. Bisher sah der Präsident der Freien Uni Berlin zu viele seiner Absolventen im Ausland wieder. Bei einem Treffen in Peking konnte sich Lenzen erst vergangene Woche über 100 Ehemalige freuen.

Die Zahl derjenigen, die bleiben, hält Lenzen für steigerungsfähig. Denn jedes Jahr verlassen gut 20.000 sogenannte Bildungsausländer mit Abschluss die Hochschulen - es bleibt also trotz Meseberg nur etwa ein Viertel. Ein Grund dürften noch bestehende Relikte des Ausländerrechts sein. So müssen sich die Studierenden ihre Praktika in der Regel vom Ausländeramt genehmigen lassen. "Faktisch wird ein Praktikum so fast unmöglich", sagt Johannes Glembek vom Bundesverband ausländischer Studierender. Für die, die es dann geschafft hätten, sagt der Informatiker Mi, sei vor allem Gleichbehandlung mit den deutschen Kollegen wichtig. Auch Chinesen wollten eine gute Bezahlung und die Möglichkeit, zum Chef aufzusteigen. Roland Preuß

© SZ vom 19.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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