Arbeit:Ein Jahr statt ein Tag: «Girls'Day» wird ausgebaut

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Stuttgart (dpa) - Der "Girls'Day" ist mittlerweile deutschlandweit bekannt. Einige Bundesländer haben ihn nun allerdings ausgebaut - und lassen Mädchen ein Jahr lang Technik-Luft schnuppern.

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Stuttgart (dpa) - Der „Girls'Day“ ist mittlerweile deutschlandweit bekannt. Einige Bundesländer haben ihn nun allerdings ausgebaut - und lassen Mädchen ein Jahr lang Technik-Luft schnuppern.

Die Finger mit den rosa lackierten Nägeln fassen noch zögerlich an die viereckige Platte. Vorsichtig feilt das Mädchen die Kanten ab. Irgendwann soll aus ihrer Arbeit ein schöner Schmetterling werden: Dajana Buzejka werkelt an einem Flugsimulator, der einen Kunstschmetterling mit Hilfe von Licht scheinbar fliegen lassen soll. Die Kombination von Technik und „Mädchenkram“ ist nicht zufällig: Die 15-Jährige nimmt an der sogenannten „Girls'Day Akademie“ teil. Statt nur einen einzigen Tag wie beim Vorreiter „Girls'Day“ (27. März) schnuppern Mädchen hier ein Jahr lang in vermeintliche Männerberufe.

„Ich habe versucht, etwas zu finden, was eine junge Dame eher anspricht“, erklärt Pedro Carlos Hoffman Guimeraes den fliegenden Schmetterling. Er ist Ausbildungsleiter bei der schwäbischen Söhnergruppe, die unter anderem Kunststoffteile für die Autoindustrie baut und sich an der Akademie beteiligt. Für Mädchen war Söhner bisher kein Wunscharbeitgeber: Von gut 20 Lehrlingen aus dem technischen Bereich sind 2014 lediglich zwei weiblich.

Um mehr Mädchen für technische Berufe zu begeistern, hat das Land Baden-Württemberg die „Girls'Day Akademie“ ins Leben gerufen. Ein Jahr lang schnuppern Schülerinnen von Klasse 7 bis 10 dabei Werkstattluft. Neben Terminen in Unternehmen gibt es Arbeitsgruppen in der Schule zu Themen wie Energie oder Mechanik.

Die Finanzierung läuft über die Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberverbände, Ministerien oder Unternehmen. Und das Modell findet mittlerweile bundesweit Anklang: Nach Berlin ist im Schuljahr 2013 Bayern nachgezogen, Hannover und Hamburg sollen bald folgen.

„Was hat man denn für eine Vorstellung von einer Werkstatt?“, fragt Hoffmann Guimeraes. „Es ist laut, es ist dreckig und es qualmt.“ Das schrecke vor allem junge Frauen ab. Mit der Realität habe das aber nicht mehr viel zu tun: „Wir haben sogar Pflanzen.“

Tatsächlich lassen Berufe wie Feinwerkmechaniker oder Mechatroniker hierzulande kaum Mädchenherzen höherschlagen. In den Top 10 der begehrtesten Ausbildungsplätze rangieren noch immer Berufe wie Bürokauffrau oder Verkäuferin ganz oben.

Auch die 15-jährige Dajana wollte ursprünglich „irgendwo im Büro“ arbeiten. Vom Fräsen und Bohren ist sie aber noch nicht abgeschreckt. „Es macht schon Spaß“, sagt die Realschülerin. „Ich dachte immer, dass ich in Mathe nicht so gut bin. Aber ich bin es doch.“ Die vielen männlichen Kollegen würden sie nicht stören, betont sie. Nur dass während der Arbeit ein Unfall passieren könne, sorge sie ein wenig.

Solche Ängste soll die Akademie den Mädchen nehmen, erklärt Marina Eres, die in der bundesweiten Servicestelle für das Projekt verantwortlich ist. 500 Mädchen durchlaufen ihr zufolge allein in Baden-Württemberg jährlich die „Girls'Day Akademie“. Interessierte können sich über ihre Schule anmelden, sofern diese teilnimmt. „Je mehr ich einen Beruf präsentiere, desto größer wird das Bewusstsein dafür“, glaubt Eres.

Kaum zu glauben: Noch immer findet fast jeder dritte Mann, dass es nicht mehr Frauen in klassischen Männerberufen geben sollte. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hervor. Die meisten Frauen sahen das zwar anders. Allerdings gaben bei der Umfrage vor allem Schüler an, mehr Frauen in Männerberufen seien nicht nötig.

Christoph Ernst ist Personalleiter bei der Söhnergruppe und glaubt, dass durch die Akademie mehr hängen bleibt, als beim bloßen „Girls'Day“. Dass die Mädchen in seinem Unternehmen ausgerechnet einen Schmetterling bauen, hält er dabei nicht für problematisch. „Auch ein Schmetterling braucht Technik“, betont er. „Es geht darum, hier Akzente zu setzen. Ich glaube schon, dass das wirkt.“

Und die langen Fingernägel? „Die gehen irgendwann kaputt“, sagt Ausbildungsleiter Hoffmann Guimeraes. „Damit müssen sie klarkommen.“

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