Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz:Vom Nachteil zum Vorteil

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Als vor zwei Jahren das Gleichbehandlungsgesetz in Kraft trat, befürchteten Firmen große Probleme. Doch eine Studie zeigt: Sie profitieren sogar davon.

Roland Preuß

Die vor zwei Jahren eingeführten Diskriminierungsverbote sollen deutsche Unternehmen deutlich weniger belasten als allgemein behauptet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die an diesem Donnerstag in Berlin vorgestellt wird. Die Analyse, deren Zusammenfassung der Süddeutschen Zeitung vorliegt, argumentiert, dass durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im ersten Jahr lediglich direkte Kosten in Höhe von 26 Millionen Euro nachweisbar sind.

Schwangere: Auch werdende Mütter schützt das AGG vor Diskriminierung. (Foto: Foto: dpa)

Weitere Folgekosten seien ebenfalls gering und allenfalls eine Schätzung. Von Wirtschaftsverbänden wird hingegen stets die Zahl von mindestens 1,73 Milliarden Euro genannt, die auf eine Studie im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft vom vergangenen August zurückgeht. Die neue Untersuchung betont zudem die Vorteile, die Unternehmen durch einen Diskriminierungsschutz und eine vielfältige Belegschaft erwachsen würden.

Ausweitung des Diskriminierungsschutzes

Das AGG war vor fast zwei Jahren gegen den heftigen Widerstand von Wirtschaftsverbänden und Teilen der Union in Kraft getreten. Das Gesetz verbietet eine Ungleichbehandlung wegen Geschlecht, Rasse, Herkunft, Behinderung und weiterer Merkmale im Berufs- und Geschäftsleben. Das Gesetz setzte mehrere EU-Richtlinien um, Brüssel plant derzeit zudem eine Ausweitung des Diskriminierungsschutzes.

Die Analyse war von der Antidiskriminierungsstelle im Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben worden und wurde verfasst von dem Ökonomen Birger Priddat, Präsident der Uni Witten-Herdecke, und dem Friedrichshafener Juraprofessor Heinrich Wilms. Nach Einschätzung aus Kreisen der Antidiskriminierungsstelle bewegen sich die Gesamtkosten durch das AGG im ersten Jahr unter 100 Millionen Euro und dürften seitdem weiter sinken.

Gezielte Einstellung von Ausländern

Die Autoren bestreiten insbesondere die angeblichen Folgekosten von 1,73 Milliarden Euro. Diese Summe sei mit falschen Methoden ermittelt worden, sie sei "allenfalls eine Schätzung", der Nutzen des Diskriminierungsschutzes sei dagegen "nicht ermittelt" worden. Dieser sei jedoch deutlich erkennbar. Viele Unternehmen praktizierten längst Diskriminierungsschutz, um beispielsweise im internationalen Wettbewerb um Spitzenkräfte attraktiv zu bleiben. Das Gleiche gelte für die gezielte Einstellung von Ausländern; ihre Mitarbeit gilt beispielsweise beim Umgang mit ausländischen Kunden oder Geschäftspartnern als nützlich.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bekräftigte am Mittwoch dagegen seine Bedenken gegen das AGG. Dieses verursache in den Betrieben weiter "viel Verunsicherung und immensen Dokumentations- und Bürokratieaufwand", sagte die DIHK-Rechtsexpertin Hildegard Reppelmund der SZ.

Aufklärung statt Zwang

Der DIHK hält deshalb eine Milliardenbelastung nach wie vor für realistisch. Ein Diskriminierungsschutz solle durch Aufklärung statt durch Zwang erreicht werden. Reppelmund räumte jedoch auch positive Ergebnisse des AGG ein. "Immerhin hat es den Unternehmern einen Denkanstoß gegeben, dass Diskriminierung schlecht ist und Vielfalt gut sein kann."

Die langjährige Ausländerbeauftragte Berlins, Barbara John, bezeichnete das AGG als "großen Gewinn". Mittelfristig werde diese "soziale Verkehrsordnung" den Umgang der Menschen miteinander verändern, sagte John der Agentur epd in Berlin. Die 70-jährige CDU-Politikerin ist Vorsitzende des Beirats der Antidiskriminierungsstelle. Durch Gerichtsurteile seien zudem Unklarheiten des Gesetzes beseitigt worden.

© SZ vom 14.08.2008/gut - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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