Akkreditierungsrat:Bürokratische Blähungen

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Kultusminister und Hochschulen wollen das Bachelor-Studium verbessern - eine Schlüsselrolle spielt der umstrittene Akkreditierungsrat. Nicht alle schätzen seine Arbeit.

Tanjev Schultz

Studenten sollen nicht mehr von Prüfung zu Prüfung hetzen müssen. Nach den Protesten der vergangenen Wochen beteuern Kultusminister und Hochschulrektoren deshalb, die neuen Bachelor-Studiengänge würden noch einmal überarbeitet. Die Zahl der Prüfungen möchten sie auf ein erträgliches Maß reduzieren. Die Weichen dafür will an diesem Dienstag ein umstrittenes Gremium stellen, das bei der Studienreform eine Schlüsselrolle spielt: der Akkreditierungsrat. Er formuliert die Regeln, nach denen in Deutschland Bachelor- und Masterstudiengänge kontrolliert und genehmigt (akkreditiert) werden. Zu den Kriterien soll künftig gehören, dass jedes Studienmodul nur noch mit einer Prüfung abgeschlossen wird.

Der Bachelor soll "studierbar" werden. Der Akkreditierungsrat will Studiengänge, die tatsächlich leistbar sind. (Foto: Foto: dpa)

Zeichen gegen die Prüfungsflut

Das Studium ist neuerdings in "Module" unterteilt, in thematisch zusammenhängende Lehrveranstaltungen. Bisher müssen Studenten oft zu jeder einzelnen Veranstaltung in einem Modul eine eigene Prüfung ablegen. Das soll künftig vermieden werden. Rheinland-Pfalz will das sogar im landeseigenen Hochschulgesetz klarstellen - als "deutliches Zeichen gegen die bundesweit kritisierte Prüfungsflut", wie Wissenschaftsministerin Doris Ahnen (SPD) und die Präsidenten der Hochschulen des Landes erklären.

Vom Prinzip des studienbegleitenden Prüfens wollen aber weder die Minister noch der Akkreditierungsrat abrücken. "Es steht außer Frage, dass es für jedes Modul eine Prüfung geben muss", sagt der Geschäftsführer des Rates, Achim Hopbach. Die "Studierbarkeit" möchte er zu einem eigenen Punkt im Kriterienkatalog erheben. Das bedeutet: Bachelor-Programme sollen so gestaltet sein, dass das Studium tatsächlich leistbar ist. Derzeit sind sie oft stofflich überfrachtet, und es gibt nur wenige Wahlmöglichkeiten. All das soll nun besser werden.

Kritiker fragen sich, weshalb die Kontrolle bisher versagt hat und die "Studierbarkeit" nun extra betont werden muss. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, spricht von einem "Scherbenhaufen" und einem "Akkreditierungswahn". Das System sei "ineffizient, teuer und rechtlich fragwürdig", sagt Kempen, dessen Verband vor allem Professoren angehören. Viele Professoren sind am Akkreditierungssystem allerdings selbst beteiligt. Im Rat sitzen außer Vertretern der Länder und der Sozialpartner auch Professoren und sogar Studenten. Vom Rat zertifizierte "Akkreditierungsagenturen" überprüfen die einzelnen Studiengänge, wobei wiederum Professoren als Gutachter tätig sind.

In Deutschland besonder bürokratisch

Der Rat mit Sitz in Bonn wurde von den Kultusministern als Stiftung des öffentlichen Rechts eingerichtet. Bundesweit gibt es außerdem zehn Agenturen, sie akkreditieren die einzelnen Studiengänge. Dafür werden unter anderem Ziele und Organisation des Angebots überprüft und mit den Vorgaben der Kultusminister verglichen. Der Vorsitzende des Rates, der Romanist Reinhold Grimm von der Uni Jena, hat vor kurzem eingeräumt, dass die Studienreform in Deutschland "besonders bürokratisch und kleinteilig gestaltet wurde".

Grimm verspricht sich Besserung unter anderem von einer "Systemakkreditierung". Dabei wird nicht mehr jeder einzelne Studiengang geprüft, stattdessen müssen die Hochschulen ein Konzept zur Qualitätssicherung vorlegen. Sie dürfen ihre Angebote dann selbst kontrollieren. Dem Hochschulverband geht das nicht weit genug. "Eine staatliche oder halbstaatliche Lizenzierung ist schlichtweg überflüssig", sagt Verbandschef Kempen.

"Grundlegende Revision" notwendig

Sogar aus dem Kreis der Akkreditierungsagenturen kommt Kritik am bisherigen System. Rainer Künzel, Leiter der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur in Hannover, hält eine "grundlegende Revision" für notwendig. Das "Dominanzverhalten" des Rates und die Konkurrenz der Agenturen verhinderten eine "offene Kommunikation über Probleme".

Zu den folgenschwersten Fehlern bei der Umsetzung der Studienreform zähle "die vielfach völlig verfehlte Modularisierung", sagt der frühere Präsident der Uni Osnabrück. Die Module seien oft "höchst spezielle Stoffkataloge" und trügen "so sehr die Handschrift eines einzelnen Lehrenden, dass die Mobilität behindert wird". Soll heißen: Jeder Professor baut sich seinen eigenen kleinen Studiengang, ein Wechsel der Uni wird für die Studenten immer schwieriger.

Hohe Gebühren, bescheidene Ergebnisse

Bisher sind die Ergebnisse des Akkreditierungssystems offenbar bescheiden. Billig aber ist es nicht. Die Agenturen verlangen hohe Gebühren. In Thüringen nannte der Landesrechnungshof das Verfahren "bürokratisch aufgebläht". In seinem Jahresbericht 2008 rechnete er vor, dass allein in Thüringen die Hochschulen für Akkreditierungen bis zum Jahre 2009 mehr als acht Millionen Euro bezahlen müssten. Der Nutzen bleibe dabei weit hinter dem Aufwand zurück.

© SZ vom 08.12.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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