Akkreditierungen:Qualitätskontrolle

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Gütesiegel sollten bei der Wahl des Studienfachs nicht das alleinige Entscheidungs-Kriterium sein.

Von Christine Demmer

Wer studieren will, wünscht sich ein Bachelor- oder Masterprogramm, das zu seinen Interessen passt und am Arbeitsmarkt Chancen verspricht. Die kritische Durchsicht von Webseiten und Broschüren verschlingt allerdings so manche Stunde. Da liegt die Versuchung nahe, die Schicksalswahl abzukürzen, zumal da viele Hochschulen beteuern, der Studieninteressent könne ganz beruhigt sein: Von neutraler Stelle sei der Studiengang auf Herz und Nieren überprüft und sogar mit einem Qualitätssiegel ausgezeichnet worden. Na dann, denkt man erleichtert, ist ja alles in Ordnung. Wenn Experten doch genau hingeschaut haben.

Die Prüfer, von denen man sich einen Fingerzeig erhofft, ob ein bestimmtes Studium in den Arbeitsmarkt, in die Perspektivlosigkeit oder gar in die Schuldenfalle führt, sitzen weder beim Bundeskriminalamt noch bei der Stiftung Warentest. Sondern in Tampa, Florida (AACSB), in London (AMBA) oder in Brüssel (EQUIS, EPAS). Sie sind auch keine Behörden, sondern privat geführte Agenturen. Beauftragt werden sie von den Hochschulen, die für diesen Prozess der Rang-Einordnung bis zu 15 000 Euro bezahlen müssen - egal, ob sie durchkommen oder durchfallen. Da Akkreditierungen immer nur für ein paar Jahre gelten, muss der ganze Prozess in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Das hält das Agenturgeschäft am Leben.

Viele Hochschulmanager scheuen den Aufwand und die Kosten für die Akkreditierung

AACSB, EQUIS und AMBA sind die drei größten der weltweit circa 480 Ermittlungsstellen für die Qualität von Hochschulen und Studienprogrammen. Hochschulen, die von allen drei Agenturen gutgeheißen wurden, schmücken sich mit der "Triple Crown". Doch das sind weltweit gerade mal knapp 70. Manche Akkreditierungsagenturen nehmen Studienprogramme in aller Welt unter die Lupe, andere nur die im eigenen Land.

In Deutschland gibt es zehn Agenturen. Sie beschränken sich auf den Binnenmarkt oder den deutschsprachigen Raum. Genug zu tun haben sie alle, denn jeder neue Bachelor- und Masterstudienhang muss beschrieben und begutachtet werden. Das hat der Wissenschaftsrat bei der Einführung des Bologna-Systems so beschlossen. Allerdings können sich die Hochschulen dabei viel Zeit lassen. Manche haben noch gar nicht damit begonnen.

Dabei stören die Ermittlungsteams weder den Lehrbetrieb noch nerven sie die Studierenden und das Personal mit lästigen Fragen. Am Schreibtisch geprüft wird nur die von der Hochschule eingereichte Programmbeschreibung, also die Ziele und der Aufbau des Studiums, meist gefolgt von einem kurzen Ortstermin. Sehr oft wird die Rang-Einstufung nur unter Auflagen erteilt, die bis zu einem Stichtag erfüllt werden müssen. Dass die Akkreditierung versagt wird, kommt so gut wie gar nicht vor. Denn wer ahnt, dass es nicht reichen wird, stellt vorsichtshalber erst gar keinen Antrag. Das kann, muss aber nicht die Ursache für eine fehlende Akkreditierung sein. Viele Hochschulmanager scheuen den Aufwand und die Kosten. Nicht wenige stellen die Akkreditierung in ihrer jetzigen Form generell in Frage.

Fachleute warnen denn auch vor überzogenen Erwartungen. "Die Akkreditierung steht nur für eine geprüfte Mindestqualität", erklärt Thomas Graf und warnt davor, die Entscheidung für ein Studienprogramm ausschließlich von einem Gütesiegel abhängig zu machen. Der Experte für Master-Studiengänge und Betreiber der Ratgeberseite Mim-compass.com hält prinzipiell Akkreditierungen für eine gute Sache. "Sie fordern gewisse Mindeststandards ein", erklärt der Münchner. "Diese Mindeststandards geben den Studieninteressenten die Sicherheit, dass es sich um überprüfte Schulen und Programme handelt." Aber diese Art der Bewertung sei eben nur eines von mehreren Entscheidungskriterien. "Wenn die gut vernetzte Hochschule um die Ecke ein fachlich passendes Masterprogramm anbietet, und der Studieninteressent eh in der Gegend bleiben will, dann ist das für ihn möglicherweise die erste Wahl. Und dagegen ist absolut nichts zu sagen."

Man kann sich also durchaus für eine Schule oder ein Programm ohne Akkreditierung entscheiden, aber dann sollte man einen guten Grund dafür haben. Wer in Deutschland studieren will, muss nicht unbedingt auf eine internationale Akkreditierung achten. "Aber wenn ich den Master im Ausland machen will, dann beweist mir die Akkreditierung, dass diese Schule in der oberen internationalen Liga mitspielt", sagt Graf. Wobei man genau hinsehen muss, ob die Schule nur Mitglied einer Akkreditierungsagentur ist oder tatsächlich von ihr akkreditiert wurde. Oder ob sie mit einer akkreditierten Schule kooperiert, aber selbst keine Qualitätsprüfung vorweisen kann. Im Hochschulmarketing fallen solche Feinheiten gerne mal unter den Tisch.

Und auf noch etwas sollte man achten. "Manche Staaten legen Wert auf ihre regionalen Qualitätssiegel und interessieren sich überhaupt nicht für internationale Akkreditierungen", sagt Studienberaterin Eva Niemann. Sie habe das einmal selbst mit einem Studierenden aus Katar erlebt. Der hatte in Dubai ein britisches MBA-Studium absolviert und durfte damit nicht im eigenen Land promovieren. "Die haben die Akkreditierung nicht anerkannt", empört sich Niemann. Daraus folgt ihr dringender Rat: Bevor man sich in ein ausländisches Programm einschreibt, solle man gründlich erkunden, ob der Abschluss in dem Land anerkannt werde, in dem man weiterstudieren oder arbeiten möchte.

© SZ vom 12.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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