Absolventen-Netzwerke:Freunde fürs Leben

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Mitglieder von Alumni-Netzwerken helfen einander bei der Jobsuche oder werden Gast-Dozenten. Häufig entwickeln sich auch private Beziehungen.

Von Theresa Tröndle

Auch sechs Jahre nachdem sie ihren Master of Business Administration (MBA) abgeschlossen hat, bekommt Saskia Gleitsmann noch regelmäßig Nachrichten von ehemaligen Professoren und Kommilitonen. Sie laden die 30-Jährige zu Konferenzen, Informationsveranstaltungen oder Ehemaligen-Treffen ein. Hinzu kommt der wöchentliche Newsletter ihrer Alma Mater, der WHU - Otto Beisheim School of Management.

Die Verbundenheit mit der Hochschule endet längst nicht mehr mit dem letzten Prüfungstag. Mittlerweile kommt kaum eine deutsche Business School ohne Ehemaligen-Organisation aus. Doch was bringt eine solche Alumni-Mitgliedschaft? Und sind Alumni-Organisationen wirklich Karrierebeschleuniger?

Die Business School Europe Business School SCP Europe gründete gründete bereits im Jahr 1873 einen Ehemaligen-Verein

Gleitsmann ist eine von derzeit 4300 Alumni der WHU. "In Praxi" heißt der Verein, der 1988 gegründet wurde, kurz bevor der erste Jahrgang sein Studium beendete. Älter ist nur der Alumni-Verein der Business School ESCP Europe. Ihn gibt es schon seit 1873. Mehr als 50 000 Mitglieder zählt der Verein weltweit. Die Wirtschaftshochschule hat Standorte in London, Madrid, Paris, Turin, Warschau und Berlin. Im deutschsprachigen Raum sind es knapp 5000 Ehemalige. "Circa die Hälfte aller Absolventen wird Mitglied in unserem Alumni-Verein", sagt Andreas Kaplan, Rektor der ESCP Berlin und Leiter des Alumni-Vereins. Einzige Bedingung für die Mitgliedschaft: ein abgeschlossenes Studium an der Hochschule.

Vom Nutzen einer solchen Einrichtung ist Kaplan überzeugt: "Ein gutes Alumni-Netzwerk ist für eine Hochschule extrem wichtig, es bietet viele Chancen." Die Ehemaligen werden als Redner auf Veranstaltungen der Hochschule eingeladen, unterrichten als Gastdozenten und sitzen in Assessment-Centern, wo sie die nächste Generation Studenten mit auswählen. Sie helfen den Studierenden bei der Praktikumssuche oder dem Berufseinstieg.

Auch Gleitsmann kam nach ihrem MBA über das Ehemaligen-Netzwerk der WHU zu ihrem ersten Job. Sie berät Kliniken in Deutschland, die in eine wirtschaftliche Schieflage gekommen sind. Studierende, die im Gesundheitswesen arbeiten oder in diesem Bereich ein Praktikum machen möchten, kontaktieren sie regelmäßig. Zudem fährt Gleitsmann ein bis zwei Tage im Jahr an ihre Alma Mater in Vallendar bei Koblenz, um Studierende als Mentorin bei der Karriereplanung zu unterstützen.

Ein solches Mentorenprogramm aus dem Kreis früherer Absolventen bietet auch die European School of Management and Technology (ESMT) Berlin an. "Wir beziehen unsere Studierenden nicht erst nach dem Abschluss mit ein, sondern bereits mit der Immatrikulation", sagt Franziska Neugebauer, die sich mit zwei Mitarbeitern und zwei studentischen Hilfskräften um das Alumni-Netzwerk der Hochschule kümmert. Die Studenten der ESMT dürfen an fast allen Veranstaltungen teilnehmen, die den Ehemaligen angeboten werden. Das können Firmenbesuche, Vorträge oder Abendessen sein. "Es ist wichtig, dass sich die Teilnehmer vom ersten Semester an mit der Hochschule identifizieren", erklärt Neugebauer, "nur dann bleiben sie auch im Berufsleben mit ihrer Alma Mater verbunden." Für das sogenannte Home Coming, das regelmäßige Treffen der Absolventen, muss man indes sein Studium beendet haben. Je nach Anzahl der Absolventen findet dieses Treffen unterschiedlich oft statt. Die WHU lädt jeden Jahrgang alle fünf Jahre ein. Die ESMT hingegen bittet ihre Absolventen einmal jährlich zum Home Coming. Dann gibt es auf dem Campus in Berlin verschiedene Fachvorträge. Abends steht der soziale Aspekt im Vordergrund.

Die 1300 Alumni der ESMT sind weltweit verstreut. "Nicht alle finden die Zeit, jährlich zum Annual Meeting nach Berlin zu kommen", sagt Neugebauer. Dafür gibt es die Stammtische, die unter anderem in Frankfurt, München und London stattfinden. "Hier kann man sein professionelles Netzwerk stärken und lernt Menschen kennen, die man sonst nicht kennengelernt hätte", so Neugebauer. Neben den regionalen Netzwerken in großen Städten gibt es auch themengebundene Stammtische. Beispielsweise einen Marketing-Stammtisch oder einen Stammtisch zur E-Mobilität.

Die Ehemaligen unterstützen sich auch im privaten Bereich. Bevor Gleitsmann beruflich nach Chile und Singapur aufbrach, blätterte sie im roten Büchlein der WHU, in dem alle Kontaktdaten der Ehemaligen abgedruckt sind. "In Chile lebten damals nur zwei Absolventen der WHU", erzählt Gleitsmann. Diese aber erleichterten ihr das Einleben in Südamerika sehr: "Ich habe super Reise- und Kulturtipps bekommen."

Eine solch persönliche Beziehung zwischen Ehemaligen wird in einer globalisierten Welt allerdings nicht leichter. Alumni & Friends, der Ehemaligen-Verein der Frankfurt School of Finance & Management, hat derzeit etwa 3000 Mitglieder, die über die ganze Welt verstreut in Städten wie Singapur, New York oder London leben. "Unser Alumni-Verein hat einen jährlichen Zuwachs zwischen 20 und 50 Prozent", sagt Angelika Werner, Sprecherin der Frankfurt School. "Es ist eine Herausforderung, Alumniarbeit attraktiv zu gestalten, weil unsere Absolventen immer internationaler werden und sich in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen befinden", fügt sie hinzu.

Spenden für die Hochschule spielen in den USA eine wichtigere Rolle als in Deutschland

Obwohl die Zahl der MBA-Absolventen in Deutschland wächst, sind es längst nicht so viele wie in den USA. "Das liegt daran, dass es den MBA in Deutschland erst seit circa 30 Jahren gibt", sagt Detlev Kran, Unternehmensberater und Herausgeber des jährlich erscheinenden "MBA-Guide". Das bedeutet auch, dass die Alumni in Deutschland oft noch nicht genug verdienen, um ihre Alma Mater finanziell zu unterstützen. Spenden von Alumni spielen für die Hochschulfinanzierung in Deutschland eine kleinere Rolle als in den USA.

Dennoch kostet die Mitgliedschaft im Alumni-Netzwerk Geld. Dem Alumni-Verein der ESCP müssen Ehemalige jährlich einen Betrag zwischen 60 Euro und 150 Euro überweisen, je nachdem, wie lange ihr Abschluss zurückliegt. Für Paare gibt es einen speziellen Tarif mit deutlichem Rabatt. An der WHU beläuft sich der Beitrag in den ersten fünf Jahren auf 125 Euro jährlich, danach erhöht er sich auf 200 Euro.

"Der Alumni-Verein hat mich beruflich und privat sehr bereichert", sagt Gleitsmann. Die Absolventen ihres Jahrgangs hat sie zuletzt beim Weihnachtsdinner in Berlin getroffen. Sie freut sich schon auf den nächsten Stammtisch: "Es ist immer schön, ehemalige Kommilitonen wiederzusehen. Wir sind gemeinsam eine Phase unseres Lebens gegangen. Das prägt."

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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