Blamagen im Beruf:"Jeder lässt mal einen Furz"

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Ein offener Hosenladen, effektiv mit effizient verwechselt, beim Lästern auf frischer Tat ertappt worden: Jeder ist im Job schon mal in eine peinliche Situation geraten. Buchautorin Gitte Härter gibt Tipps, wie man gekonnt wieder aus dem Fettnäpfchen steigt.

Von Johanna Bruckner

Buchautorin Gitte Härter weiß, wie es ist, vor dem Chef in Tränen auszubrechen oder im Gespräch mit einem Bewerber zu erröten, weil der Wahnsinns-Augen und eine sexy Stimme hat. Im Gespräch gibt die Autorin Tipps, wie man elegant wieder aus dem Fettnäpfchen kommt - und warum es manchmal unvermeidlich ist, eine Blamage einzugestehen.

SZ.de: Frau Härter, was ist das Peinlichste, das Ihnen je im Beruf passiert ist?

Gitte Härter: Grundsätzlich ist mir sehr wenig peinlich. Aber ich habe mich mal ganz fürchterlich live im tschechischen Fernsehen blamiert. Ich sollte zum Thema Mobbing im Beruf sprechen. Vor laufender Kamera hat mich der Moderator dann aber gefragt: "Wie ist die Situation in Tschechien?" Da kannte ich mich überhaupt nicht aus - und leider bin ich eine Person, der man Entsetzen sofort im Gesicht anmerkt. Ich habe tellergroße Augen bekommen und geschockt gesagt: "Ja, das weiß ich nicht!" Das war wahrscheinlich der schlimmste Experten-Auftritt, den es jemals im Fernsehen gab.

Sind berufliche Blamagen schlimmer als private?

Ob man eine Blamage als schlimm empfindet, hängt immer davon ab, inwiefern man einen Gesichtsverlust beim Gegenüber befürchtet. Im beruflichen Kontext ist diese Furcht sicherlich gegeben: So möchte wohl jeder im Boden versinken, wenn ihm beim Vortrag vor Kollegen ein Rülpser entschlüpft. Und dem Chef ist es sterbenspeinlich, wenn ihm vor der Sekretärin beim Bücken die Hose reißt. Vergleichbare Situationen gibt es aber auch im Privaten: So kommt es für die meisten einer Katastrophe gleich, vor einem angehimmelten Bekannten dummes Zeug zu reden. Das ist für viele schlimmer als jede berufliche Blamage.

Wenn ihnen etwas Peinliches passiert, suchen viele Menschen nach einer Ausrede - in der Hoffnung, die Blamage so abwenden zu können.

Das ist genau die falsche Reaktion. Denn dadurch richtet man noch den Scheinwerfer auf die Blamage. Viele Dinge kann man einfach übergehen: Wenn man zum Beispiel unabsichtlich eine zweideutige Bemerkung macht, ist es viel besser einfach weiterzureden. Im Zweifelsfall ist nämlich überhaupt niemandem aufgefallen, wie das Gesagte auch hätte verstanden werden können. Wenn man dagegen rumdruckst oder sich - noch schlimmer - tausendmal für seinen Lapsus entschuldigt, macht man erst eine große Sache daraus. Außerdem empfinden wir viele Dinge als peinlich, die andere ganz anders wahrnehmen: So mag es Ihnen peinlich sein, in der Besprechung plötzlich Nasenbluten zu bekommen. Ihre Kollegen werden aber vermutlich eher besorgt sein und Ihnen Hilfe anbieten.

Viele Menschen können nicht so einfach über eine peinliche Situation hinweggehen, weil ihnen die Gesichtsfarbe einen Strich durch die Rechnung macht: Sie laufen rot an.

Der Körper reagiert manchmal verräterisch, das kann man sich nicht abtrainieren. Und leider gibt es in 99 Prozent der Fälle nette Mitmenschen, die einen auch noch auf das eigene Erröten ansprechen. Gut ist es, einfach den Stier bei den Hörnern zu packen und es selbst zu thematisieren. Zum Beispiel könnte man mit einem Augenzwinkern sagen: "Hier ist es plötzlich so heiß - kann mal jemand das Fenster aufmachen?" Oder: "Ich glaub', ich komm' in die Wechseljahre!" Mit solchen Sprüchen nimmt man Kommentatoren, die auf Kosten anderer einen Lacher landen wollen, den Wind aus den Segeln. Und man macht sich auch selbst locker.

Sie versprechen in Ihrem Buch, dass man sich das miese Gefühl der Blamage abgewöhnen kann. Wie soll das gehen?

Auch wenn wir manchmal sterben möchten vor Peinlichkeit: Eine Blamage ist keine Sache von Leben und Tod. Viele peinliche Situationen sind vergleichsweise harmlos, ja sogar witzig. Das erkennen wir in den meisten Fällen auch und lachen darüber - allerdings erst mit etwas Abstand. Wir müssen lernen, uns im Moment der empfundenen Peinlichkeit nicht noch hochzupuschen, die Angelegenheit zu dramatisieren. Dazu hilft es, sich zu vergegenwärtigen, dass viele Missgeschicke zwar in der Situation schlimm waren, dann aber sehr schnell an Bedeutung verloren haben. Außerdem ist man in der Blamage ja nicht allein: Jeder lässt mal einen Furz! Wer dieses Bewusstsein verinnerlicht, reagiert gelassener und souveräner.

Nervige Mitarbeiter
:Wie sage ich meinem Kollegen, dass er stinkt?

Sie schwitzen, schreien in den Hörer und kommen zu spät: Kollegen können eine echte Plage sein. Aber auch für solche Probleme gibt es Lösungen. Ein Überblick.

Welche konkreten Strategien gibt es, mit einer peinlichen Situation umzugehen?

Die erste Regel lautet: Nicht das tun, was man automatisch tun möchte. Abwiegeln, Ausreden suchen, sich tausendmal entschuldigen oder die beleidigte Leberwurst spielen - all das vergrößert die eigene Scham am Ende nur. Besser ist es, über einen Fauxpas hinwegzugehen, als sei nichts geschehen. Das klappt bei den meisten kleineren Malheuren. Es gibt natürlich auch die Situationen, in denen man die Initiative ergreifen sollte: Hat man jemanden verletzt - wurde zum Beispiel beim Tratschen vom Lästeropfer ertappt -, dann heißt es: Verantwortung übernehmen, das eigene Fehlverhalten einräumen und sich entschuldigen. Gleiches gilt bei nicht eingehaltenen Versprechen und gröberen Fehlern im Job.

Hilft es auch, in die Lacher über das eigene Missgeschick einzustimmen?

Der Königsweg, um mit peinlichen Situationen umzugehen, ist Humor. Im Moment der Blamage mitzulachen, erfordert allerdings ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein und Lockerheit. Wer gestern noch vor Scham im Boden versinken wollte, wird morgen nicht schon über eigene Missgeschicke lachen können. Selbstironie kommt immer gut an, ist aber etwas für Fortgeschrittene.

Peinliche Anekdoten werden gerne im Kollegenkreis weitergetratscht. Kann man blamable Flüsterpost verhindern?

Nein. Wenn dem Chef die Hose platzt, ist die Geschichte einfach zu lustig, als dass sie nicht die Runde machen würde. Gehässigkeit ist dabei in den wenigsten Fällen das vorrangige Motiv. Als Betroffener sollte man sich fragen: Wie oft habe ich selbst schon eine ähnliche Begebenheit weitererzählt, einfach weil sie zum Lachen war? Genauso wenig, wie man selbst einen Maulkorb verpasst bekommen möchte, ist es ratsam, ihn anderen überstülpen zu wollen. Und nicht zuletzt macht einen ein kleines Missgeschick ja auch sympathisch, bringt einen den Kollegen näher - weil sich jeder schon mal blamiert hat.

Das Buch "Peinlich, peinlich ... So blamieren Sie sich selbstbewusst" von Gitte Härter ist im Gabal Verlag erschienen.

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