Zuzahlung beim Zahnarzt:Teures Lächeln

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Deutsche zahlen für die Zähne immer häufiger selbst: Einer Krankenkassen-Erhebung zufolge tragen sie heute mehr als die Hälfte der Kosten. Droht eine "schleichende Aushöhlung der Basisversorgung"?

Von Guido Bohsem

Ein Zahnarztbesuch kann schnell teuer werden. Die Krankenkassen übernehmen oft nur einen Teil der Rechnung bei Zahnersatz. (Foto: Hans Wiedl/dpa)

Wer in der letzten Zeit das unangenehme Vergnügen hatte, zum Zahnarzt gehen zu müssen, weiß Bescheid. Stehen größere Behandlungen an, kann es schnell teuer werden, vor allem, wenn es etwas schönes statt der 08/15-Krone geben soll. Nach einer Erhebung der Barmer/GEK lagen die Kosten einer Zahnbehandlung schon im Jahr 2009 (jüngere Zahlen liegen nicht vor) bei 1382 Euro. Davon mussten die Patienten in der Regel 56 Prozent - also 776 Euro - aus der eigenen Tasche zahlen. Das sind 18 Prozent mehr als im Jahr 2005. In den letzten Jahren sind die Kosten jedoch deutlich geringer angestiegen. Nach Schätzungen von Barmer/GEK-Chef Rolf-Ulrich Schenker dürfte die Eigenbeteiligung heutzutage bei etwa 60 Prozent liegen.

Schenker nannte die Zahlen als Anzeichen für eine schleichende Aushöhlung der Basisversorgung. Die Zahnärzte weiteten den Anteil der Rechnungen, die sie nach der privaten Gebührenordnung gestalteten weiter aus. Seit 2005 erhalten die Kassenpatienten in Deutschland nur noch einen Festkostenzuschuss. Grob gesprochen heißt das, dass die Kasse nur noch die Kosten der medizinisch notwendigen Basisversorgung übernimmt. Gehen die Wünsche des Patienten über diese Versorgung hinaus, muss er das aus eigener Tasche bezahlen.

Schenker wies allerdings darauf hin, dass die Patienten in vielen europäischen Ländern die zahnmedizinische Versorgung vollständig bezahlen müssten. "Insofern stehen wir hierzulande noch vergleichsweise gut da." Ferner könnten Kosten durch eine regelmäßige Pflege vorgebeugt werden. So steigen die Zuschüsse zur Zahnbehandlung beispielsweise, wenn die Patienten ein gut geführtes Bonusheft vorlegen können, das regelmäßige Untersuchungen durch einen Zahnarzt aufweist.

Schenker kritisierte die geltende Regelung. Hier werde die Teilung in eine Premium und eine Basisversorgung in Kauf genommen. Es gelte die schleichende Privatisierung des Zahnersatzes zu bremsen und die Patienten vor einer finanziellen Überforderung zu schützen.

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) sieht in den steigenden Kosten ein wachsendes Qualitäts- und Gesundheitsbewusstsein der Deutschen. "Der Patient entscheidet, welche Erwartungen und Ansprüche er an seinen Zahnersatz hat", erklärte BZÄK-Präsident Peter Engel. Eine höherwertige Versorgung bedeute zugleich höhere Material- und Laborkosten. Diese machten bis zu 70 Prozent der gesamten Rechnungssumme aus.

Auf der anderen Seite entstehen in jüngster Zeit zusätzliche Angebote, mit denen man die Kosten beim Zahnarzt drücken kann. So bieten beispielsweise inzwischen Labore wie "Zadento" vollkeramischen Zahnersatz günstiger an als eine vergleichbare Kassenkrone. Die Patienten können im Internet den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes einreichen und erhalten dann ein Gegenangebot.

Der Präsident der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Jürgen Fedderwitz, widersprach den Untersuchungs-Ergebnissen der Barmer/GEK. "Es gibt keine anhaltende Tendenz zur Privatisierung der vertragszahnärztlichen Versorgung", sage er. Eine finanzielle Überforderung der Patienten könne seine Organisation nicht feststellen. Das Honorar für private Zusatzleistungen bei Füllungen und Zahnersatz hätten im Jahr 2011 nur rund zehn Prozent des Gesamthonorars für die Behandlung von Kassenpatienten ausgemacht.

Die Eigenanteile der Versicherten seien seit 2006 kaum verändert. "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Deutschland eine sehr gute Mundgesundheit und ein sehr hohes Versorgungsniveau haben, das jedem europäischen Vergleich standhält", sagte Fedderwitz der SZ.

Dem Zahnreport zufolge haben sich 2009 etwa 11,5 Prozent der Deutschen einer Zahnbehandlung unterzogen, bei der entweder neuer Zahnersatz eingesetzt oder vorhandener repariert wurde. Frauen wurden häufiger behandelt als Männer. Naturgemäß wurden ältere Menschen häufiger behandelt als jüngere. Am häufigsten mussten sich demnach 77jährige in den Zahnarzt-Stuhl legen. Rund 27 Prozent von ihnen erhielten Zahnersatz, wobei es zumeist um Reparaturen ging.

Männer meiden den Zahnarztbesuch, jedenfalls tauchen sie deutlich weniger in der Praxis auf als Frauen. Während 73 Prozent der Frauen einen Zahnarzt aufsuchten, waren es bei den Männern gerade mal 66 Prozent. Die Behandlungsrate lag insgesamt bei 69,6 Prozent, was 2,15 Zahnarztkontakten je Person entspricht. Nur jeder zweite Erwachsene lässt sich einmal im Jahr den Zahnstein entfernen. Besonders Zahnarzt-scheu sind übrigens junge Männer im Alter zwischen 20 und 24 Jahren. Nur 54 Prozent von ihnen gingen zum Zahnarzt, während es unter den Frauen im gleichen Alter 67 Prozent waren.

© SZ vom 24.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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