Ursache der Brechdurchfälle:"Uns ist das völlig rätselhaft"

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Experten suchen unter Hochdruck nach dem Auslöser der Magen-Darm-Infekte in Ostdeutschland. Es gibt Spuren - ebenso wie Erkenntnisse, die sich nur schwer erklären lassen.

Daniela Kuhr und Katrin Blawat

Noch ist es für eine Entwarnung zu früh, doch immerhin: Die Erkrankungswelle mit Brechdurchfall bei Kindern und Jugendlichen in Ostdeutschland scheint sich zumindest nicht weiter auszubreiten. "Wir gehen davon aus, dass sie ihren Höhepunkt bereits überschritten hat", sagte ein Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums am Sonntag. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) waren bis Samstagnachmittag 8365 Krankheitsfälle gemeldet worden. Betroffen waren Schüler, Kindergartenkinder sowie auch einige Lehrer von insgesamt 342 Einrichtungen in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die meisten Erkrankungen seien harmlos verlaufen und hätten nur kurz angedauert, teilte das RKI weiter mit. Insgesamt 23 Patienten seien stationär in Krankenhäusern behandelt worden.

Was die Ursache für die Massen-Infektion anbelangt, tappen die Behörden noch immer im Dunkeln. Bei einigen Kindern in Sachsen und Thüringen ist der hochansteckende Norovirus nachgewiesen worden. Ob das aber auch der Grund für die Erkrankungswelle ist, muss noch geklärt werden.

Relativ sicher scheint bisher nur zu sein, dass die betroffenen Schulen und Kindergärten ihr Essen von dem Lieferunternehmen Sodexo erhalten haben. "So scheint es zu sein", sagte ein Sprecher der Firma, die bundesweit 14 Niederlassungen hat, am Sonntag. "Wir bedauern den Vorfall außerordentlich, aber offen gesagt: Eine Erklärung haben wir nicht."

Zum einen seien die betroffenen 342 Einrichtungen nicht etwa alle von ein- und derselben Großküche beliefert worden, sondern von mehreren Großküchen im Osten. Vor allem aber hätten diese Küchen in der vergangenen Woche nicht nur Schulen und Kindergärten beliefert, sondern auch mehrere Industriebetriebe. "Dort aber ist meines Wissens nach niemand erkrankt", sagte der Sprecher. Und das, obwohl sie das gleiche Essen erhalten hätten. Ihm sei klar, dass es einen Zusammenhang geben müsse, "aber uns ist völlig rätselhaft, welcher das sein soll".

Sodexo kooperiert nach eigenen Angaben eng mit den Behörden. Da gesetzlich vorgeschrieben ist, dass Essenslieferanten sogenannte Rückstellproben nehmen und für mehrere Tage gekühlt aufbewahren müssen, konnten sich die Gesundheitsämter in der vergangenen Woche von allen ausgelieferten Essen Proben geben lassen. Seit Donnerstag sind mehrere Labors damit beschäftigt, sie zu untersuchen. Dass dabei vereinzelt das Norovirus entdeckt wurde, kann nach Ansicht der Experten Zufall sein. "Wenn man Essen auf Keime untersucht, findet man immer etwas", hieß es von Behördenseite.

Im Berliner Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kam am Samstag eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zusammen. Die Experten wollen nicht nur die Laborergebnisse auswerten, sondern auch Lieferwege und Speisepläne untersuchen. Davon erhoffen sie sich Erkenntnisse über den Erreger und darüber, wie er sich ausgebreitet hat. Mit Ergebnissen wurde aber nicht vor Montag gerechnet.

Wie komplex das Geschehen in diesem Fall ist, versucht der Sodexo-Sprecher an einem Beispiel zu erklären. "Etwas vereinfacht ausgedrückt, stellt sich das Problem im Moment so dar: Eine unserer Großküchen hat 10.000 Portionen eines bestimmten Essens hergestellt. Dieses Essen wurde von zehn Fahrzeugen an hundert Schulen geliefert. Und an fünf der Schulen brach anschließend eine Infektion aus." Er macht eine kurze Pause. "Wer mir das erklären kann, dem gratuliere ich."

Dennoch ist der Sprecher überzeugt, dass die Erklärung bald gefunden wird. "Wenn wir die entsprechende Rückstellprobe mit dem Erreger gefunden haben, dann wird uns vermutlich sehr schnell alles klar."

Gefährlich kann Durchfall für Menschen vor allem dann werden, wenn er dem Körper viel Flüssigkeit und Salze, sogenannte Elektrolyte, entzieht. Diese befinden sich im Körper normalerweise in einem fein austarierten Gleichgewicht; schon kleine Abweichungen davon können lebenswichtige Funktionen beeinträchtigen. Um derartige Folgen zu verhindern, empfehlen Fachleute, viel zu trinken und als Krankendiät zum Beispiel zuckerhaltige Limonade mit Salzstangen. Wie ansteckend die Erkrankung ist, hängt stark vom Erreger ab. Noroviren zum Beispiel verbreiten sich sehr leicht. Dem RKI zufolge können sich Menschen, wiederum abhängig vom Erreger, auch nach der akuten Krankheitsphase noch anstecken.

© SZ vom 01.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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